„Die Aussage, dass Teilzeit nur eine freiwillige Wahl ist und das Pensionssystem durch Teilzeitbeschäftigung in Bedrängnis gerät, ist schlichtweg falsch und verkennt die Realität der Arbeitswelt“, sagt Korinna Schumann, Vizepräsidentin und Frauenvorsitzende des ÖGB, zu den jüngsten Äußerungen von Industriellenvereinigung-Chef Knill in der Kronen Zeitung am Freitag. „Der Grund, warum so viele in Teilzeit arbeiten, hat nichts mit einer bewussten Entscheidung, sondern mit fehlenden Alternativen zu tun. Vor allem Frauen sind von dieser Realität betroffen, die Arbeitszeiten oft reduzieren müssen, weil sie die Kinderbetreuung organisieren müssen und keine flexiblen Vollzeitstellen zur Verfügung stehen.“
Teilzeit ist nicht freiwillig – Arbeitsmarkt braucht Veränderung
Schumann stellt klar: „Es braucht dringend eine Reform der Arbeitsmarktpolitik, damit Teilzeit nicht mehr als Ausweg aus einer schlecht organisierten Arbeitswelt gesehen werden muss. Die Ursachen für die hohe Teilzeitquote sind vielfältig: unzureichende Betreuungsangebote für Kinder, zu wenig flexible Arbeitszeitmodelle und das Fehlen von Vollzeitstellen, die mit gerechten Löhnen und guten Arbeitsbedingungen ausgestattet sind.“
Gesetzliches Pensionsantrittsalter ist nicht das Problem
„Dass die Industriellenvereinigung das tatsächliche Pensionsantrittsalter mit dem gesetzlichen Pensionsantrittsalter gleichsetzt, zeigt einmal mehr, dass die wahren Probleme nicht gesehen werden“, so Schumann weiter. Die Problematik liegt nicht darin, dass Menschen zu früh in Pension gehen, sondern in den Arbeitsbedingungen, die es vielen nicht ermöglichen, bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter zu arbeiten. Besonders Menschen in körperlich oder psychisch belastenden Berufen, wie Pflegekräften oder Bauarbeitern, können aufgrund der Arbeitsbelastung oft nicht bis zum gesetzlichen Pensionsalter arbeiten. „Wenn man will, dass Menschen länger im Erwerbsleben bleiben, dann müssen die Arbeitsbedingungen verbessert werden, damit sie gesund und arbeitsfähig bleiben“, betont die ÖGB-Vizepräsidentin.
Fakten statt Panikmache
Die Forderung der IV, das gesetzliche Pensionsantrittsalter zu erhöhen, ignoriert dabei die Fakten. „Die Menschen schaffen es aufgrund der Arbeitsbedingungen schon jetzt nicht, bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter zu arbeiten – in dieser Situation eine Erhöhung desselben zu fordern, ist realitätsfern und damit sinnlos“, so Schumann. Der ÖGB fordert stattdessen bessere Arbeitsbedingungen, faire Löhne und mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wenn diese Voraussetzungen geschaffen werden, dann ist auch die Stabilität der Pensionsversicherung langfristig gesichert.
„Wir müssen endlich die Ursachen für die hohe Teilzeitquote und die niedrige Erwerbsbeteiligung in vielen Bereichen angehen, anstatt realitätsferne Forderungen aufzustellen, die die wahren Probleme nicht lösen“, so Schumann und schließt: „Wenn wir wollen, dass Menschen bis zum gesetzlichen Pensionsalter arbeiten können, dann müssen wir die Arbeitswelt grundlegend verändern und die Lebens- und Arbeitsbedingungen für alle verbessern.“
Der ÖGB fordert:
- die Verbesserung der Arbeitsmarktpolitik, mit dem Fokus auf Vollzeitstellen und flexiblen Arbeitszeitmodellen,
- bessere Kinderbetreuungsangebote und Vereinbarkeit von Familie und Beruf,
- die Stärkung des Pensionssystems durch gerechte Arbeitsbedingungen, die es allen ermöglichen, bis zum Pensionsalter zu arbeiten sowie
- nachhaltige Reformen, die für alle Erwerbstätigen eine faire Altersvorsorge sichern und Altersarmut verhindern.
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender. ÖGB Österreichischer Gewerkschaftsbund