Liebe Journalistinnen und Journalisten, vor einem Jahr hat das Hilfswerk Österreich diese Presseaussendung bereits einmal versandt. Da sich seither weder an der Dringlichkeit des Themas noch an den politischen Handlungsnotwendigkeiten etwas geändert hat, erlauben wir uns, die Presseaussendung zum heurigen Tag der Kinderrechte fast wortident zu wiederholen.
Kinder- und Jugendschutz ist ein Dauerbrenner-Thema – nicht zuletzt aufgrund immer wieder aufkommender Anlassfälle. Verpflichtende Schutzkonzepte für elementarpädagogische, schulische und außerschulische Einrichtungen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, gibt es zumindest in Ansätzen. Doch im staatlichen Bereich der Kinder- und Jugendhilfe fehlt es überall an Kapazitäten.
Vor 35 Jahren, am 20. November 1989, wurde die UN-Kinderrechtskonvention verabschiedet. Seither wird jedes Jahr an diesem Tag ein globales Zeichen gesetzt, um erneut auf die universellen Rechte und Anliegen von Kindern und Jugendlichen aufmerksam zu machen. Die UN-Kinderrechtskonvention fußt auf vier Säulen: dem Recht auf Gleichbehandlung, dem Vorrang des Wohles von Kindern, dem Recht auf Leben und Entwicklung sowie der Achtung vor der Meinung des Kindes.
Einführung von Kinder- und Jugendschutzgesetzen braucht politische Begleitmaßnahmen
Um der Konvention gerecht zu werden, setzt Österreich auf unterschiedliche Maßnahmen. Eine davon ist etwa die verpflichtende Einführung von Kinder- und Jugendschutzkonzepten in elementarpädagogischen, schulischen sowie außerschulischen Einrichtungen. Diese Konzepte sollen vor allem präventiv wirksam sein. Sie beinhalten zudem klare Verantwortlichkeiten und Abläufe bei Verdachtsfällen. Die Erstellung der Konzepte ist ein Prozess, in den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch die betreuten Kinder und Jugendlichen jeder Einrichtung eingebunden werden. Selbstverständlich haben diesen Prozess auch die Kinder- und Jugendbetreuungseinrichtungen des Hilfswerks durchlaufen.
„Wir betrachten die strukturelle Erarbeitung von Prozessen im Kinder- und Jugendschutz als essenzielles Thema für alle Einrichtungen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Derzeit befinden wir uns in der Implementierungsphase“, erläutert Isabella Ecker, Fachreferentin für Kinder, Jugend, Familie und psychosoziale Dienste im Hilfswerk Österreich. „Ein partizipativer Prozess ist immer mit hohen Erwartungen aller beteiligten Personen verbunden. Damit sich unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dabei wirklich unterstützt fühlen, braucht es jedoch nicht nur Forderungen an die Bildungsinstitutionen, sondern auch konkrete Maßnahmen seitens der politischen Verantwortungsträger*innen. Besonders wichtig wäre eine Aufstockung der Kapazitäten im Kinder- und Jugendhilfebereich“, betont Ecker.
Mangel an Personal und Unterbringungskapazitäten lässt Zahl tragischer Einzelfälle steigen
Was passiert, wenn sich ein Verdachtsfall erhärtet und die Gefährdung eines Kindes oder eines/r Jugendlichen gemeldet werden muss? Im Idealfall kommt es zu einer raschen Abklärung und Kontaktaufnahme mit der meldenden Einrichtung sowie mit dem betroffenen Kind und dessen Familie, damit zeitnahe Unterstützungsmaßnahmen, wie z. B. Familienhilfe oder Fremdunterbringung in Angriff genommen werden können. Auch die fallbezogene Vernetzung der Kinder- und Jugendhilfe mit allen Stakeholdern, vor allem auch mit der Einrichtung, die die Meldung abgesetzt hat, soll umgehend angebahnt werden.
In der Realität kommt es aber aufgrund akuten Personalmangels bzw. aufgrund fehlender Plätze in Krisenzentren oder WGs zu massiven Versorgungsproblemen auf allen Ebenen. Seit Jahren machen der Österreichische Dachverband der Kinder- und Jugendhilfe, die Kinder- und Jugendanwaltschaft sowie viele (ehemalige) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe bereits darauf aufmerksam, dass es vor allem im Bereich der Fremdunterbringung zu äußerst prekären Situationen kommt. Die Wartezeiten seien viel zu lang, die bestehenden Einrichtungen überfüllt und es gebe nicht genug Personal.
Neben generellem Personalmangel monieren Expertinnen und Experten auch den nicht mehr zeitgemäßer Personalschlüssel sowie Probleme bei der Einstufung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. „Das hat zur Folge, dass aufgrund einer massiven Abwanderung des Personals in andere Bereiche viele Angebote gar nicht oder nur mehr teilweise umgesetzt werden können. Mitunter kommt es sogar zur Sperrung ganzer Einrichtungen, da kein Betreuungspersonal besetzt werden kann. Und die Situation spitzt sich immer mehr zu. Jahrelange, sehr konkrete Forderungen verschiedener Interessenvertretungen aus dem Bereich der Kinder- und Jugendhilfe nach besseren Rahmenbedingungen verhallen ungehört“, beklagt Isabella Ecker.
Zeitnahe Bearbeitung von Gefährdungsmeldungen essenziell!
„Setzt man in einer Einrichtung eine Gefährdungsmeldung ab, ist das ein überlegter und gut vorbereiteter Prozess. Dennoch ist es zugleich eine Ausnahmesituation. Es ist also mehr als notwendig, dass auf eine Meldung zeitnah Maßnahmen folgen. Sonst führt das zu einer massiven Überforderung jenes Personals, das die Meldung abgesetzt hat, sowie zu einer möglichen weiteren bzw. länger andauernden Gefährdung der betroffenen Kinder und Jugendlichen. Genau solche langen Wartezeiten sind aber immer wieder der Fall“, kritisiert Ecker.
Laut Expertinnen und Experten aus dem Bereich der Kinder- und Jugendhilfe fehlen zum einen finanzielle Mittel. Zum anderen brauche es vor allem mehr Personal, das die eingehenden Meldungen aus den Einrichtungen zeitnah abarbeiten kann, sowie Personal, das Unterstützungsleistungen für Familien, Kinder und Jugendliche anbietet. „Ausschließlich Forderungen an Einrichtungen zu stellen, reicht bei Weitem nicht aus. Vielmehr sollte endlich auch die Politik ihre Hausaufgaben machen und den Forderungen der Expertinnen und Experten nachkommen. Dazu zählen die Bereitstellung von Bundesmitteln für die Kinder- und Jugendhilfe sowie die Verbesserung der Rahmenbedingungen in den Berufsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe“, so Isabella Ecker abschließend.
Über das Hilfswerk
Das Hilfswerk Österreich ist mit seinen Landes- und Teilverbänden einer der größten gemeinnützigen Anbieter gesundheitlicher, sozialer und familiärer Dienste in Österreich. Im elementarpädagogischen und außerschulischen Bereich betreuen derzeit etwa 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rund 20.000 Kinder und Jugendliche in mehr als 650 Einrichtungen.
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