„Trans und religiös?“: „kreuz und quer“-Neuproduktion über den Umgang christlicher Kirchen mit Transgeschlechtlichkeit

„Als männlich und weiblich schuf er sie“ – so erzählt es die biblische Schföpfungsgeschichte. Was das für den Umgang mit Transgeschlechtlichkeit heißt, erkundet die neue „kreuz und quer“-Dokumentation „Trans und religiös?“ von Fritz Kalteis und Amelie Sztatecsny am Dienstag, dem 12. November 2024, um 22.35 Uhr in ORF 2 und auf ORF ON. Sie beleuchtet, warum der Streit um diese Frage zu den brisantesten der christlichen Kirchen gehört und wie Transpersonen ihren Glauben trotz aller Hürden leben können.

Mit großen, roten Lettern malt Cornelia Kunert den Schriftzug „God made me this way“ auf ein eben fertiggestelltes Gemälde. Kunert hat evangelische Theologie studiert, ist Malerin, Psychotherapeutin – und eine transgeschlechtliche Frau. Biologisch gesehen ist sie als Mann zur Welt gekommen, lebt aber seit Jahrzehnten als Frau. Cornelia Kunert IST eine Frau – auch in ihren körperlichen Merkmalen. Doch bis dahin war es ein hürdenreicher Weg: „Es hat lange gebraucht bei mir, bis ich diese Bejahung in mir gefunden habe, es zuzulassen – weil sonst gehe ich vor die Hunde. Und wenn jemand daherkommt und mir erzählt, dass das ein Blödsinn ist oder Sünde, dann kann ich nur sagen, ich erlebe es anders.“

Der Film fragt nach, ob und wie das überhaupt zusammengehen kann: Transidentität und Religiosität – insbesondere im Christentum. Dieses lehnt „geschlechtsangleichende Maßnahmen“ wie Hormongaben oder Operationen weitgehend ab. Als Begründung wird auf die Bibel verwiesen, im Besonderen auf die Schöpfungsgeschichte und die darin vermeintlich festgeschriebene Dualität von Mann und Frau, männlich und weiblich: „Für die römisch-katholische Kirche ist Geschlecht zunächst eine natürliche Vorgabe des Leibes in der Differenzierung von männlich und weiblich. Also, der Mensch entwirft sich nicht selbst, der Mensch ist nicht sein eigener Macher“, so der Theologe Ludger Schwienhorst-Schönberger.

Was für die meisten allenfalls eine Richtschnur darstellt, ist für Menschen wie Theo Schenkel Gesetz. Er ist katholischer Religionslehrer in Baden-Württemberg – und transidenter Mann. Für die katholische Kirche – und damit seinen Arbeitgeber – gilt er aber noch immer als Frau, seine Beziehung als gleichgeschlechtliche. Jahrelang muss er deshalb um seine berufliche Zukunft zittern. Doch selbst nach einer Änderung des Arbeitsrechts der katholischen Kirche in Deutschland vor zwei Jahren erkennt ihn die Kirche nicht als männlich an. „Diese Ambivalenz hat für mich zur Folge, dass ich mir immer wieder überlegen muss, wie lange ich noch in dieser Kirche bleiben kann oder ob ich hier willkommen bin.“

Der Vatikan argumentiert, dass jeder „geschlechtsverändernde Eingriff“ die „einzigartige Würde“ bedrohe, die der Mensch vom Moment der Empfängnis an besitze. Für Theo Schenkel sind Aussagen wie diese ein Schlag ins Gesicht. Sie hätten „enormes Potenzial zu verletzen“. Oft bleibt gläubigen Transpersonen nur mehr die Suche nach einer neuen Gemeinschaft, die sie mit offeneren Armen aufnimmt. Die Biologin und Transfrau Claudia Marlen Schröder hat im Umfeld der evangelischen Hochschulgemeinde in Wien eine neue religiöse Heimat gefunden: „In einem sehr rigiden Umfeld habe ich kaum eine Möglichkeit, wirklich zu mir zu finden. Wenn ich ein sehr offenes Umfeld habe, das zuhört, das annimmt, dann fällt alles viel leichter.“

Die Psychotherapeutin Cornelia Kunert registriert eine steigende Nachfrage nach Beratung zum Thema Transidentität. Das habe aber keineswegs mit einem vermeintlichen „Hype“ um das Thema zu tun, sondern mit einer zunehmenden Offenheit dem Thema gegenüber. Das gebe Transpersonen Mut, herauszutreten und zu ihrer Identität zu stehen. Sie plädiert dafür, sich vom „dauernden Sündenbewusstsein“ zu befreien: „Die eigentliche Sünde ist das ungelebte Leben. Die Angst, die Depression – das kommt alles aus dem Ungelebten. Man muss selber spüren, was will mein Leben von mir, wie bin ich gemeint?“

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