vida-Hebenstreit: „Kocher täuscht Öffentlichkeit“ bezüglich Rot-Weiß-Rot-Card und wiederholt Fehler der Vergangenheit

Arbeitsminister Martin Kocher hat gestern gegenüber der „Kleinen Zeitung“ behauptet, dass ein Stopp der Rot-Weiß-Rot-Card den bestehenden Fachkräftemangel verschärfen und die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft und damit bestehende Arbeitsplätze nachhaltig gefährden würde. Das will Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Gewerkschaft vida so nicht stehen lassen und entgegnet Kocher: „Es ist irreführend, wenn behauptet wird, dass die Rot-Weiß-Rot-Card primär für hochqualifizierte Positionen genutzt wird. Tatsächlich erfolgt der Großteil der Zuwanderung über dieses Programm aus Billigstlohnländern für niedrig qualifizierte Jobs in schlecht bezahlten Dienstleistungssektoren. Die Öffentlichkeit wird hier bewusst falsch vom Minister informiert“, stellt der vida-Gewerkschafter fest.

 

„Die Vorstellung eines flächendeckenden Fachkräftemangels widerspricht der Realität am Arbeitsmarkt.“

In vielen Branchen wird derzeit ein „gefühlter Arbeitskräftemangel“ beklagt, doch trotz dieser Behauptungen gab es in den letzten Jahren zu keinem Zeitpunkt Vollbeschäftigung in Österreich. „Die Vorstellung eines flächendeckenden Fachkräftemangels widerspricht der Realität am Arbeitsmarkt. Unsere Arbeitslosenzahlen steigen kontinuierlich, aber die Schaffung von sicheren, fair bezahlten Arbeitsplätzen lässt auf sich warten, nicht das Fehlen von Arbeitskräften“, so Hebenstreit weiter.

 

Hebenstreit kritisiert auch den Missbrauch der Rot-Weiß-Rot-Card durch Arbeitgeber in Branchen wie der Gastronomie, dem Tourismus und neuerdings auch in der Industrie. „Diese Arbeitgeber nutzen Arbeitsmigrationsprogramme, um Ausbildungsplätze zu reduzieren und die Löhne künstlich niedrig zu halten. Der Arbeitsminister befeuert mit seiner aktuellen Politik diese Entwicklung noch zusätzlich – das ist ein Schlag ins Gesicht aller heimischen Arbeitnehmer:innen, die faire Arbeitsbedingungen verdienen“, sagt Hebenstreit. Die Rot-Weiß-Rot-Card wird hier zunehmend als Werkzeug des Lohndumpings missbraucht, um kurzfristige Gewinne auf Kosten der Beschäftigten zu maximieren.

 

Rot-Weiß-Rot-Card erschwert und verhindert Integration

Hebenstreit warnt zudem, dass die Rot-Weiß-Rot-Card dieselben Integrationsfehler wiederholt, die bereits in den 1970er Jahren durch die Gastarbeiterregel entstanden sind. „Den damaligen Arbeitsmigrant:innen wurde signalisiert, dass sie nur ‚Gäste‘ auf Zeit seien. Sie hatten oft wenig Anreiz, Deutsch zu lernen oder sich dauerhaft zu integrieren, was zu sozialen Herausforderungen geführt hat, die uns bis heute begleiten. Diese Haltung wirkte sich auch auf ihre nachgezogenen Kinder aus, die dadurch häufig Integrationshürden hatten“, erklärt Hebenstreit. „Mit der Rot-Weiß-Rot-Card laufen wir genau in die gleiche Falle: Arbeitende aus Niedriglohnländern kommen mit befristeten, an einen Arbeitgeber gebundenen Aufenthaltsgenehmigungen ins Land. Ihnen wird keine echte Perspektive geboten, und auch hier wird Integration erschwert und verhindert“, ergänzt der vida-Vorsitzende. 

 

Arbeitskräfte werden einfacher erpressbar

„Diese Bindung vieler ungelernter Arbeitskräfte durch die Rot-Weiß-Rot-Card an einen Arbeitgeber macht sie zudem einfacher zu erpressen. Sie stehen dadurch oft unter starkem Druck und sind anfällig für Ausbeutung und Lohndumping. Sie sind gezwungen, schlechte Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne hinzunehmen, da ihre Aufenthaltsgenehmigung an ihre Arbeitsstelle gekoppelt ist“, kritisiert Hebenstreit.

 

In Anbetracht der aktuellen Arbeitsmarktzahlen – Ende Oktober waren 371.648 Personen in Österreich arbeitslos oder in Schulungen, ein Plus von über 32.700 Menschen gegenüber dem Vorjahr – fordert Hebenstreit einen sofortigen Stopp der Rot-Weiß-Rot-Card. „Was wir jetzt brauchen, sind keine weiteren Niedriglohnkräfte aus Drittstaaten, sondern Investitionen in die Ausbildung und faire Beschäftigung für jene, die bereits hier sind. Die explodierenden Arbeitslosenzahlen und die sinkende Zahl offener Stellen zeigen deutlich, dass die Arbeitsmarktpolitik der vergangenen Jahre versagt hat,“ erklärt Hebenstreit. 

 

„Wer Fachkräfte für die Zukunft haben will, muss sie auch ausbilden“

Hebenstreit appelliert abschließend an die künftige Bundesregierung, den Arbeitsmarkt neu auszurichten und den Fokus auf die Stabilisierung der heimischen Beschäftigung zu legen. „Die Rot-Weiß-Rot-Card gehört in ihrer jetzigen Form abgeschafft. Was wir brauchen, ist eine transparente und nachhaltige Arbeitsmarktpolitik, die langfristig in inländische Arbeitskräfte investiert und den sozialen Zusammenhalt fördert. Daher zuerst jene ausbilden, die schon hier sind. Wer Fachkräfte für die Zukunft haben will, muss sie auch ausbilden“, schließt Hebenstreit.

 

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