105. Sitzung des österreichischen Kunstrückgabebeirats – vier Empfehlungen beschlossen

Der Kunstrückgabebeirat sprach in seiner heutigen 105. Sitzung (27. September 2024) Empfehlungen zu Objekten aus der Albertina, der Österreichischen Nationalbibliothek, dem MAK – Museum für angewandte Kunst sowie dem Heeresgeschichtlichen Museum aus.

Der Stempel des Kunstsammlers Wilhelm König findet sich auf insgesamt neun Zeichnungen, die zwischen 1938 und 2012 auf unterschiedlichen Wegen in die Albertina gelangt sind. Wie die Recherchen der Kommission für Provenienzforschung ergaben, stieß Wilhelm König einen Teil seiner über 3.000 Objekte umfassenden Kunstsammlung bereits in den 1920er-Jahren über Auktionen und Verkäufe an Private ab. Kurz nach dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich im März 1938 floh König, der trotz seiner Konversion Jahrzehnte zuvor als jüdisch galt und damit der NS-Verfolgung ausgesetzt war, gemeinsam mit seiner Frau Marianne in die Schweiz, dann weiter nach Frankreich; die Kriegszeit überstanden sie in Schweden. Das in Wien zurückgebliebene Wohnungsinventar wurde von der Gestapo beschlagnahmt und gelangte in verschiedenen Auktionen des Wiener Dorotheum zwischen August 1938 und September 1939 zur Versteigerung. Bei drei der gegenständlichen Werke, Handzeichnungen von Carl Friedrich von Rumohr, Johann Christian Klengel und Antonio Gionima (zugeschrieben), liegen keine Hinweise für einen Verkauf vor dem „Anschluss“ vor. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sie sich unter den durch die Gestapo beschlagnahmten Objekten aus der Wohnung des Ehepaars König befunden haben; der Beirat empfahl daher ihre Rückgabe an die Rechtsnachfolger:innen nach Wilhelm König. Keine Rückgabeempfehlung erging hingegen bei den übrigen sechs Handzeichnungen, unter ihnen auch eine Studie Gustav Klimts, da Belege bzw. Hinweise gefunden wurden, dass Wilhelm König sich bereits in den 1920er-Jahren von ihnen getrennt hatte.

Neun Musiknotendrucke bzw. Musikhandschriften aus der Österreichischen Nationalbibliothek waren Gegenstand der zweiten Empfehlung. Auch hier war eine Annotation auf den Blättern ausschlaggebend für die nähere Beforschung durch die Kommission für Provenienzforschung: Ein handschriftlich vermerkter Namenszug führte zur Künstlerinnenbiografie der Cellistin Josefine Donat, die nach ihrem Tod 1936 Cello und Musiknoten ihrem Neffen Erwin Rosenthal vermachte. Dieser wiederum verlor zwei Jahre später, infolge des „Anschlusses“, seine Arbeit und floh im Juni 1939 nach England. Sein Umzugsgut, das sich bereits in Hamburg befand, wurde 1940 auf Anweisung der „Verwaltungsstelle für jüdisches Umzugsgut der Gestapo“ (Vugesta) nach Wien zurückgebracht, beschlagnahmt und verwertet. Seine Mutter Elisabeth Rosenthal schaffte es nicht mehr, nach England nachzukommen. Sie wurde im Mai 1942 in das Ghetto Izbica im Distrikt Lublin (Polen) deportiert und in der Folge vermutlich im Vernichtungslager Sobibor oder Belzec ermordet. 

Nach dem Ende des Krieges erhielt Erwin Rosenthal einige Stücke aus dem Nachlass seines Vaters Felix Rosenthal, die Teil seines beschlagnahmten Umzugsgutes gewesen und in die Nationalbibliothek gelangt waren, zurück. Der Beirat empfahl, nunmehr auch die Notenblätter seiner Tante Josefine Donat, 1941 und 1942 mit dem Beschlagnahmekürzel der Gestapo in der Musiksammlung inventarisiert, an die Rechtsnachfolger:innen nach Erwin Rosenthal zu restituieren. 

Aufgrund einer Anregung von Seiten der Rechtsnachfolge nach Dr. Ernst Bunzl befasste sich die Kommission für Provenienzforschung des Weiteren eingehend mit einem von Josef Hoffmann entworfenen Essbesteck, das 1904 durch die Wiener Werkstätte für Lili und Fritz Waerndorfer gefertigt wurde. Das 107teilige, mit dem Monogramm des Ehepaars „LFW“ versehene Besteck erwarb das MAK – Museum für angewandte Kunst Wien im Jahr 1967 von Maria Kirrer. Ernst Bunzl, Schwiegersohn des Ehepaars Waerndorfer, wurde im Nationalsozialismus als jüdisch verfolgt und überlebte in der Emigration in Brasilien. Sein zuvor nach Paris verschicktes Umzugsgut war beschlagnahmt und vermutlich im Deutschen Reich verwertet worden. Es ließen sich jedoch keinerlei Belege dafür feststellen, dass sich das Besteck jemals in Ernst Bunzls Eigentum bzw. in seinem Umzugsgut befand und NS-verfolgungsbedingt entzogen wurde. Auch aufgrund der Tatsache, dass Ernst Bunzl nach 1945 bei seinen verschiedentlichen Bemühungen um Restitution und Entschädigung das einzigartige Besteck, im Gegensatz zu anderen Familienstücken, nicht erwähnte, kam der Beirat überein, die Restitution nicht zu empfehlen. 

Abschließend behandelte der Beirat die Erwerbung von insgesamt 42 Objekten – darunter Fotografien, Uniformstücke, Waffen und Steigbügel, aber auch zwei Ölgemälde – durch das Heeresmuseum im Jahr 1938 und 1939. Sie waren von Dr. Stephan Poglayen-Neuwall an das Museum verkauft worden, der kurz nach dem „Anschluss“ als „Mischling ersten Grades“ geltend seine Arbeit als Generalvertreter der Zeitschrift „Die Weltkunst“ für Österreich verlor und in weiterer Folge nach Italien ging. Da Poglayen-Neuwall, der nach Kriegsende nach Österreich zurückkehrte, gemäß der Rechtsprechung der Rückstellungskommissionen zum Kreis der NS-Verfolgten zählt, empfahl der Kunstrückgabebeirat die Restitution der Stücke, von denen aktuell die Hälfte als verschollen gilt. 

Die Beschlüsse sind im Wortlaut auf der Webseite der Kommission für Provenienzforschung unter www.provenienzforschung.gv.at wiedergegeben.

Die Kommission publiziert laufend die Ergebnisse ihrer umfassenden Forschungen, die dem Beirat als Grundlage für seine Empfehlungen dienen, so etwa im online erscheinenden Lexikon der österreichischen Provenienzforschung www.lexikon-provenienzforschung.org.

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