Die Anliegen von vier Volksbegehren wurden in der heutigen Plenarsitzung des Nationalrats im Rahmen von Ersten Lesungen behandelt. So wurde die Forderung nach einer verfassungsrechtlichen Verankerung eines Verbots zum NATO-Beitritt diskutiert. Im Umweltbereich wurden strengere Gesetze zur Bekämpfung von Lebensmittelverschwendung, ein Verbot von Glyphosat und die Ablehnung von „Atomkraft-Greenwashing“ thematisiert.
Inhaltliche Beschlüsse wurden von den Abgeordneten nicht gefasst. Die zuständigen Ausschüsse werden nun über die Volksbegehren weiterberaten. Dies hat innerhalb eines Monates nach Zuweisung zu erfolgen. Nach weiteren vier Monaten ist dem Nationalrat jedenfalls ein Bericht zu erstatten. Wenn der Nationalrat die Behandlung eines Volksbegehrens vor Ende der Gesetzgebungsperiode nicht abschließt, muss die Behandlung darüber vom neu gewählten Nationalrat von Neuem wieder aufgenommen werden.
Da es sich bei einigen Redner:innen um ihren letzten Auftritt als Nationalratsabgeordnete:r handelte, wurde nicht nur über den Inhalt des jeweiligen Volksbegehrens gesprochen, sondern auch die Gelegenheit für Abschiedsworte genutzt. Es verabschiedeten sich Katharina Kucharowits (SPÖ), Bettina Rausch-Amon (ÖVP), Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP), Katharina Werner (NEOS), Christian Drobits (SPÖ) und Dietmar Keck (SPÖ).
Debatte über NATO-Beitritt und Skyshield
109.089 Unterzeichner:innen des Volksbegehrens „Kein NATO-Beitritt“, fordern zusätzlich zum bestehenden Neutralitätsgesetz die Erlassung einer verfassungsrechtlichen Bestimmung, die der Republik Österreich explizit den Beitritt zur NATO untersagt. Vielmehr seien diplomatische Bemühungen zu intensivieren, um die Republik als „aktiven internationalen Friedensvermittler“ zu positionieren.
ÖVP-Mandatar Friedrich Ofenauer stellte klar, dass die Neutralität in der Verfassung stehe und dort auch stehen bleiben werde. „Damit verbunden ist das Verbot, einem Militärbündnis beizutreten oder fremde Militärstützpunkte auf unserem Land zuzulassen“, so Ofenauer. Aus diesem Grund erteilt er einem neuen Verfassungsgesetz, wie es das Volksbegehren fordert, eine Absage. Im gültigen Neutralitätsgesetz sei die Pflicht, sich selbst zu verteidigen und die Neutralität aufrechtzuerhalten festgeschrieben. Er spricht von einem „entscheidenden Richtungswechsel bei der Ausstattung und Wiederherstellung der Verteidigungsfähigkeit des österreichischen Bundesheeres“, die in den letzten fünf Jahren gelungen sei. Ofenauer ging auch auf Skyshield ein. Um die Souveränität zu schützen, brauche es auch eine glaubhafte Verteidigung aus der Luft, zeigte er sich überzeugt. „Mit der Teilnahme an der Beschaffungsinitiative Skyshield schaffen wir neue Mittel der Luftraumverteidigung, ohne die Neutralität zu verletzen“, betont er. Es handle sich hierbei um kein Militärbündnis. Volker Reifenberger (FPÖ) sah das anders. Skyshield sei ein „NATO-Projekt“, das laut zwei von der FPÖ in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten, nicht mit Österreichs Neutralität zu vereinbaren sei. Geht es nach der FPÖ sollte die Neutralität zu einem Prinzip der Bundesverfassung aufgewertet werden, das hätte zur Folge, dass sie ohne Volksbefragung nicht mehr abgeschafft werden könnte, führte Reifenberger aus.
Katharina Kucharowits (SPÖ) versicherte in ihrem letzten Statement vor dem Plenum ebenso, dass die Sozialdemokratie die Neutralität verteidigen und es niemals zulassen werde, dass Österreich sich der NATO anschließe. „Wir fordern eine aktive Neutralitätspolitik, die Angreifer:innen immer benennt und verurteilt, immer humanitäre Hilfe leistet und immer auf Basis aller diplomatischen Mittel versucht, Konflikte zu beenden.“
David Stögmüller (Grüne) betonte, dass ein NATO-Beitritt überhaupt nicht zur Debatte stünde oder geplant würde. Die Arbeit in den letzten fünf Jahren bei der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik sei sehr gut gewesen, zog er ein Resümee. Auch er nannte die Ausstattung des Bundesheeres, Millionen für den Katastrophenschutz und „wir waren es, die Putin und sein Gas restlos aus der Sicherheitsstrategie herausgestrichen haben“.
Für NEOS-Mandatar Douglas Hoyos-Trauttmansdorff geht es vor allem darum, wie man sich europäisch weiterentwickle. Er betonte, dass es wichtig sei, als EU gemeinsam an der europäischen Sicherheitsagentur zu arbeiten. Von Skyshield zeigte er sich überzeugt: Es sei die einzige Möglichkeit, den Luftraum zu schützen. Als kleines Land habe man nicht die Ressourcen, das alleine zu bewerkstelligen. Man müsste 10 bis 20 % des BIP dafür heranziehen, „das will hier herinnen niemand“.
Das Volksbegehren wurde dem Verfassungsausschuss zugewiesen.
„Essen nicht wegwerfen“ als gemeinsames Ziel
Insgesamt 126.767 Personen haben das Volksbegehren mit dem Titel „Essen nicht wegwerfen“ unterstützt. Darin wird der Gesetzgeber aufgefordert, strenge Gesetze zur Bekämpfung von Lebensmittelverschwendung zu beschließen. Lebensmittelhersteller und Supermärkte sollten verpflichtet werden, nicht mehr verkaufsfähige, aber noch genießbare Lebensmittel an gemeinnützige Organisationen zu spenden, lautet die zentrale Forderung.
Die Nationalratsabgeordneten waren sich alle einig, dass keine Lebensmittel im Müll landen sollten bzw. die Lebensmittelverschwendung drastisch reduziert werden muss. Ungefähr die Hälfte – und damit am meisten – wird in Privathaushalten weggeworfen. Carina Reiter (ÖVP) sieht in der Bildung daher einen großen Hebel. In 40 % der Schulbücher würden die Themen Landwirtschaft oder Lebensmittelproduktion nicht mehr vorkommen, das müsste sich ändern und wieder ein Bezug zu den Lebensmitteln geschaffen werden. Auch Peter Wurm (FPÖ) sieht in Bildung und Bewusstseinsbildung eine Chance. „Kinder wissen nicht mehr, was mit Lebensmittel gemacht werden kann“, so Wurm. Gegen weitere gesetzliche Regelungen, wie im Volksbegehren vorgeschlagen, stellte er sich allerdings. Früher seien Lebensmittelabfälle wieder an Tiere verfüttert worden – ein Kreislauf habe geherrscht. Durch Gesetze sei das nun verboten. Noch mehr Gesetze würden in der derzeitigen Situation nicht helfen, es brauche eher Lockerungen, um den Kreislauf wieder in die richtige Richtung zu bringen.
Den Vorschlag des Volksbegehrens zur gesetzlichen Verpflichtung von Lebensmittelabgaben an Sozialmärkte unterstützte Wurm nicht. Die Sozialmärkte würden derzeit zirka 1 Prozent der nicht mehr verkäuflichen Waren erhalten. So einfach sei das nicht, die ganzen Waren dort unterzubringen, argumentierte Wurm. SPÖ-Mandatarin Elisabeth Feichtinger sieht das anders: Konzerne sollten verpflichtet werden, unverkäufliche Lebensmittel in Sozialmärkten abzugeben. In Frankreich, Tschechien und Italien würde man sehen, dass das funktioniere, ohne dass es zu wirtschaftlichen Einbußen komme.
Für die Grünen-Mandatarin Ulrike Fischer ist es zudem wichtig, dass regional erzeugt wird. Auch die Katastrophensituation habe gezeigt, dass es gut sei, wenn es Lebensmittelproduktion im Ort gebe. „Stärken wir die Landwirtschaft. Schauen wir, dass wir essen, was wir am Feld haben. Das Obst und Gemüse muss nicht immer schön ausschauen“, appellierte Fischer.
Abgeordnete und Bäuerin Irene Neumann-Hartberger (ÖVP) betonte ebenso, dass ein Umdenken in der Gesellschaft, mehr Verantwortungsbewusstsein und Achtsamkeit jedes Einzelnen viel bewirken könnten.
Das Volksbegehren wurde dem Umweltausschuss zugewiesen.
Volksbegehren „Glyphosat verbieten!“
„Weil es notwendig ist!“ lautet die prägnant formulierte Begründung für das Volksbegehren „Glyphosat verbieten!“. Österreichweit fand das Volksbegehren 121.734 Unterstützer:innen, dies entspricht 1,92 % der Stimmberechtigten. Die Unterzeichner:innen des Volksbegehrens rund um Dominik Schmied fordern den Gesetzgeber dazu auf, ein ausnahmsloses Glyphosatverbot nach dem Vorbild Luxemburgs umzusetzen. Das von der Internationalen Agentur für Krebsforschung, einer Teilorganisation der Weltgesundheitsorganisation (WHO), für den Menschen als „wahrscheinlichen krebserregend“ eingestufte Pflanzengift Glyphosat gehöre nicht nur aus der heimischen Nahrungsmittelproduktion, sondern auch aus importierten Lebensmitteln restlos verbannt, lautet ihre Forderung.
Viele Falschaussagen und Übertreibungen hätten der Diskussion die Sachlichkeit entnommen, hielt Klaus Lindinger (ÖVP) entgegen. Unter verantwortungsvollem Einsatz sei Glyphosat effizient und weniger belastend für die Umwelt. Für Lindinger stellte sich die Frage, ob der Einsatz einer Kombination anderer Wirkstoffe nicht giftiger sei als die Nutzung von Glyphosat. Er sprach sich daher für eine Minimierung des Einsatzes aus und setzte sich dafür ein, den Bauern und Bäuerinnen Planungssicherheit zu geben.
Die SPÖ betrachtete ein Verbot den Glyphosats dagegen als Lösung für den Erhalt der Natur. Christian Drobits (SPÖ) sprach sich klar für ein Verbot des Glyphosats aus.
„Schon längst“ hätten wir Glyphosat verbieten sollen, stellte Olga Voglauer (Grüne) dar. Denn es sei „Gift für Artenvielfalt und Insekten“. Die Grünen werden sich weiter dafür einsetzen, das Mittel zu verbieten, unterstrich sie.
Die NEOS bekannten sich dafür, Glyphosat zu vermeiden, Michael Bernhard (NEOS) wollte aber sichergehen, dass die alternativen Pflanzenschutzmittel nicht „giftiger“ seien. Ein Verbot im Alleingang erachtete er aus europarechtlicher Sicht problematisch.
Das Volksbegehren wurde dem Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft zugewiesen.
Volksbegehren „Nein zu Atomkraft-Greenwashing“
Das Volksbegehren „Nein zu Atomkraft-Greenwashing“ wendet sich gegen die Pläne der EU, Atomkraft als „grüne Energie“ einzustufen. Investitionen in erneuerbare Energien würden mit jenen in Atomkraft gleichgestellt. Damit werde aber das Ziel der EU-Taxonomie-Verordnung, die Gelder in Bereiche lenken soll, die dem Erreichen der Umweltziele dienen, falsch umgesetzt. Das Volksbegehren nahm mit der Unterstützung von 105.955 Menschen (1,67 % der Stimmberechtigen) die Hürde von mindestens 100.000 Unterschriften zur Behandlung im Nationalrat.
Atomkraft sei keine Lösung, bekräftigte Nikolaus Berlakovich (ÖVP) die Position seiner Fraktion angesichts vergangener Katastrophen und dem nach wie vor ungeklärten Umgang mit Atommüll und Kühlwasser. Viele Staaten hätten nicht aus der Geschichte gelernt und würden auf Atomkraft anstatt auf erneuerbare Energien setzen. Es brauche aber alle Formen erneuerbarer Energien, um die Klimaziele zu erreichen.
Auch Dietmar Keck (SPÖ) wandte sich gegen Kernenergie. Diese sei bei Unglücken nicht handhabbar. Nicht Atomstrom sondern erneuerbare Energien seien die Zukunft.
Wenn die Energiepolitik auf der EU-Ebene in der jetzigen Form fortgesetzt werde, hätten viele Staaten keine Alternative zu Atomenergie, kritisierte Dagmar Belakowitsch (FPÖ). Hinsichtlich des Umstiegs auf erneuerbare Energien kritisierte die Abgeordnete das angestrebte, zu hohe Tempo. Ebenso bemängelte Belakowitsch, dass Österreich noch nicht aus dem EURATOM-Vertrag ausgestiegen sei. Durch die EURATOM-Mitgliedschaft sei „nichts“ verhindert worden, unterstrich Alois Kainz (FPÖ)
Ein Ausstieg aus EURATOM würde einen „Öxit“ bedeuten, kritisierte Joachim Schnabel (ÖVP) die freiheitliche Forderung. Die Zukunft Österreichs liege aber in der Europäischen Union.
Die „Pro Atom“-Politik der FPÖ kritisierte Martin Litschauer (Grüne). Diese würde keine Antworten auf Problemstellungen liefern. Atomkraft sei nicht C02-frei, produziere jede Menge radioaktiven Müll und sei daher nicht nachhaltig. Hinsichtlich des Volksbegehrens meinte Litschauer, dass ein Bundesverfassungsgesetz auf österreichischer Ebene nichts an den Problemen auf EU-Ebene und bei anderen Staaten ändere. Hoffnung setzte der Abgeordnete in die von österreichischer Seite eingebrachte Klage gegen die Taxonomieverordnung.
Es sei die Frage, wie es Österreich auf europäischer Ebene schaffen kann, Atomkraft zurückzudrängen, meinte Michael Bernhard (NEOS). Die NEOS würden sich weiter dafür einsetzen, dass die Atomkraft aus der EU-Taxonomie gestrichten werde. Energiepolitik müsse aus dem Blickwinkel der Verantwortung für nächste Generationen getroffen werden, forderte er. Es brauche eine Politik, die Treibhausgasse rascher reduziert und Österreich resillienter gegen Elementarereignisse macht.
Das Volksbegehren wurde dem Umweltausschuss zugewiesen. (Fortsetzung Nationalrat) map/gla/pst
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