Rund 1,9 Millionen Frauen haben monatlich mittelstarke bis sehr starke Schmerzen während ihrer Menstruation. Mehr als die Hälfte greift auf Schmerzmittel zurück, um den Alltag während der Menstruation in gewohnter Weise zu bestreiten. Das zeigt der erste österreichische Menstruationsgesundheitsbericht. Jede fünfzehnte Frau in Österreich leidet an der chronischen Schmerzerkrankung Endometriose. Bis Betroffene eine Diagnose erhalten, dauert es durchschnittlich sieben Jahre. „Menstruation ist nach wie vor ein Tabuthema, obwohl sie im Leben jeder Frau über Jahrzehnte massive Auswirkungen hat. Mit dem Gesundheitsbericht stellen wir sicher, dass Menstruationsgesundheit kein blinder Fleck mehr in Forschung und in der Medizin bleibt“, betont Gesundheitsminister Johannes Rauch. Die Ergebnisse fließen nun in die Überarbeitung der Leitlinie Endometriose ein. Ein neuer Factsheet zur Menopause soll verstärkt ältere Frauen informieren. ***
Über mehr als drei Jahrzehnte müssen sich Mädchen und Frauen monatlich mit den körperlichen Auswirkungen ihrer Menstruation auseinandersetzen. Daten zur Menstruationsgesundheit gab es in Österreich bisher jedoch nur vereinzelt.
Der erste Menstruationsgesundheitsbericht des Gesundheitsministeriums schließt diese Lücken. Er wurde von der Gesundheit Österreich GmbH erstellt und heute veröffentlicht. Über 1300 Mädchen und Frauen im Alter von 14 bis 60 Jahren wurden für den Bericht befragt. In drei Fokusgruppen zu den Bereichen Lebensphasen, Chancengerechtigkeit und Endometriose kamen Expert:innen zu Wort.
Studienautorin Sylvia Gaiswinkler von der Gesundheit Österreich GmbH fasst zusammen: „Erstmals stehen uns repräsentative Daten im Zusammenhang mit Menstruation, Wechseljahren und Endometriose zur Verfügung. Themen mit denen Frauen regelmäßig konfrontiert sind und die ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden beeinflussen. Es ist an der Zeit, die Lebensumstände von Frauen gesellschaftlich anzuerkennen und sie ernst zu nehmen. Wir haben eine Verantwortung, ihnen die Aufmerksamkeit zu schenken, die mehr als die Hälfte der Bevölkerung verdient. So zeigt der Bericht deutlichen Handlungsbedarf in Hinblick flächendeckender und niederschwelliger Information und Aufklärung. Es braucht mehr Bewusstseins- und Sensibilisierungsmaßnahmen, innerhalb und außerhalb unseres Gesundheitssystems.“
Häufig starke Beschwerden
Die Ergebnisse geben erstmals Aufschluss über die Erfahrungen der Frauen in Österreich: Die durchschnittliche Blutungsdauer beträgt fünf Tage. Über 70 Prozent der Befragten schätzen die Stärke ihrer Blutung als stark bis sehr stark ein. 67 Prozent haben regelmäßig mittelstarke bis sehr starke Schmerzen. Die körperlichen Beschwerden reichen von Unterleibs- und Rückenschmerzen über Krämpfen bis zu Kopfschmerzen und Migräne. 55 Prozent greifen auf Schmerzmittel zurück, um während ihrer Menstruation den Alltag in gewohnter Weise zu bewältigen.
Neben den körperlichen Schmerzen haben Frauen auch mit psychischen Beschwerden zu kämpfen: Niedergeschlagenheit, Gereiztheit und Deprimiertheit sind während der Menstruation häufig. Rund 20 Prozent der Befragten fühlen sich beim Gedanken an die Menstruation immer oder häufig gestresst. Rund 19 Prozent aller Befragten geben an, sich während ihrer Menstruation zurückzuziehen.
Informationen mangelhaft
Die Expert:innen der Fokusgruppe Chancengerechtigkeit berichteten, dass unter Mädchen und Frauen noch viel zu oft die Annahme verbreitet ist, dass die Schmerzen natürlich seien und deshalb einfach ausgehalten werden müssten.
„Rund um das Thema Menstruation kursieren noch immer viele Mythen. Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, die Informationslücken zu schließen“, erklärt Gesundheitsminister Johannes Rauch. „Alle Mädchen und Frauen in Österreich müssen Zugang zu guten Gesundheitsinformationen haben.“ Das Ministerium veröffentlicht deshalb noch in diesem Jahr Videos in elf Sprachen zu Themen wie die erste Menstruation, Abhilfe bei Menstruationsbeschwerden, Endometriose, Wechseljahre oder auch weibliche Genitalverstümmelung.
Kosten von Hygieneprodukten als Belastung
Aber nicht nur Schmerzen schränken Frauen während ihrer Menstruation ein, auch die Kosten von Hygieneprodukten sind für manche eine Belastung: 4,7 Prozent gaben an, dass sie jeden Monat Schwierigkeiten haben, sich Menstruationsartikel zu leisten. Bei 16 Prozent ist das gelegentlich der Fall. Bis zu 500.000 Frauen zwischen 14 und 60 Jahren sind demnach von Periodenarmut betroffen.
Auch die befragten Expert:innen sehen Bedarf an kostenlosen Menstruationsartikeln, besonders für Personen in Haushalten mit geringen Einkommen.
Endometriose bleibt lange undiagnostiziert
Endometriose ist eine chronische gynäkologische Schmerzerkrankung. Zumindest jede fünfzehnte Frau ist davon betroffen. Die Dunkelziffer liegt jedoch vermutlich deutlich höher, da die Krankheit bei vielen spät oder gar nicht diagnostiziert wird. In der medizinischen Forschung wurde Endometriose lange Zeit vernachlässigt, die Schmerzen der Betroffenen als Regelschmerzen abgetan. Noch immer dauert es rund sieben Jahre bis zur Diagnose. Knapp ein Drittel der befragten Frauen hat noch nie von Endometriose gehört.
„Damit Endometriose schneller erkannt wird, brauchen wir Sensibilisierungsmaßnahmen innerhalb des Gesundheitssystems“, betont Gesundheitsminister Rauch. Für eine gute Diagnostik und Behandlung wird die Gesundheit Österreich GmbH gemeinsam mit der Fachgesellschaft für Gynäkologie die Leitlinie Endometriose überarbeiten.
Aufklärungsbedarf rund um Wechseljahre und Menopause
Auch die Menopause und die damit verbundenen Veränderungen verdienen mehr Aufmerksamkeit. Das durchschnittliche Alter der letzten Menstruationsblutung liegt in Österreich bei 49 Jahren. Jede fünfte Frau fühlt sich über die Wechseljahre wenig oder gar nicht informiert. 98 Prozent berichten von Beschwerden in oder nach den Wechseljahren. 10 Prozent der Befragten fühlen sich in Bezug auf ihre Beschwerden nicht ernst genommen. Knapp 30 Prozent empfinden die Veränderungen aufgrund des Wechsels als psychische Belastung.
Jede dritte Frau mit Wechseljahrbeschwerden greift auf pflanzliche Heilmittel zurück, um sie zu mildern. 20 Prozent der Betroffenen erhoffen sich Linderung durch eine Ernährungsumstellung. In Bezug auf die Wechseljahre gibt es vor allem Aufholbedarf in Hinblick auf Sensibilisierung, qualitätsgesicherte Informationen und Wissensvermittlung. Mit einem neu erarbeiteten Factsheet unterstützt das Gesundheitsministerium Frauen in den Wechseljahren mit evidenzbasierten Informationen. Zusätzlich werden Ernährungsempfehlungen für Frauen in den Wechseljahren erarbeitet, um dem veränderten Nährstoffbedarf gerecht zu werden und somit die Gesundheit und das Wohlbefinden in dieser Lebensphase zu fördern.
„Frauen in unseren Beratungen wünschen sich bei Beschwerden die Möglichkeit zur Selbstfürsorge, Rücksichtnahme von ihren Partner:innen, liebevolle Unterstützung und evidenzbasierte Informationen zu Menstruation und Wechseljahren. Je offener darüber gesprochen werden kann und das Wissen darüber verbreitet wird, auch unter Männern und Burschen, desto eher können Frauen* und Mädchen* in diesen Tagen der Blutung gut für sich sorgen und erhalten auch das Verständnis und den Respekt für die Leistung des weiblichen Körpers. Für uns ist der vorliegende Menstruationsgesundheitsbericht ein wichtiges Instrument um unsere Frauen* und Mädchen* in Zukunft noch besser informieren können“, so Mag.a Aline Halhuber-Ahlmann Geschäftsführerin des FrauenGesundheitsZentrums Salzburg.
Der Bericht ist unter folgendem Link abrufbar: Frauen- und Gendergesundheit (sozialministerium.at)
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