Wie unverzichtbar eine flächendeckende, kleinstrukturierte bäuerliche Familienlandwirtschaft für das vielfältige Leben im Alpenraum ist, beleuchteten die Präsidenten der LK Österreich, Josef Moosbrugger, und der LK Tirol, Josef Hechenberger, bei einem Pressegespräch im Vorfeld der Sommersitzung der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs. Dieses „auswärtige Treffen“ findet jedes Jahr in einem anderen Bundesland statt, um das Verständnis für regionale Besonderheiten zu fördern, heuer nach acht Jahren wieder in Tirol. Dabei stehen auch aktuelle agrarpolitische Brennpunkte auf EU- und nationaler Ebene im Fokus, allen voran die überbordende Auflagen- und Bürokratielawine aus Brüssel, die damit verbundene Produktionsfeindlichkeit, die Marktsituation und weitere Gefahren wie der Wolf.
EU muss aktiv handeln, um bäuerliche Mehrleistungen abzusichern
„Es kann gar nicht oft genug betont werden, welch enormen Mehrwert unsere bäuerlichen Familienbetriebe samt Alm- und Weidewirtschaft für den gesamten Alpenraum haben. Land- und Forstwirtschaft sichern das vielfältige Leben und unseren Wohlstand. Sie schaffen regionale Versorgungssicherheit mit Qualitätslebensmitteln, produzieren nachhaltige Rohstoffe und Energie. Sie bilden die Basis für regionale Wertschöpfungsketten, allen voran Gastronomie und Tourismus. Mit ihrer Bewirtschaftungsvielfalt prägen sie die Kulturlandschaft und erhalten wichtige Infrastruktur für eine hohe Lebensqualität. Dieser Mehrwert ist keine Selbstverständlichkeit und nicht gottgegeben! Es muss aktiv gehandelt werden, um all das zu erhalten und zukunftsfit zu machen, insbesondere auf EU-Ebene, die den großen Rahmen vorgibt“, betont Moosbrugger.
Bauern nicht mit Auflagen- und Bürokratie-Wahnsinn überfrachten
„Wie kaum ein anderes Land sorgt Österreich mit seiner Agrarpolitik für die Land- und Forstwirtschaft und Lebensqualität in berg- und benachteiligten Gebieten und nimmt auch in punkto Nachhaltigkeit eine Vorreiterrolle in Europa ein. Massive Probleme bereitet uns aber, dass auf europäischer Ebene eine enorme Produktionsfeindlichkeit um sich greift, die mit immer neuen, widersinnigen Strategien und Gesetzen zunehmend die EU-Eigenversorgung gefährdet“, warnt der LKÖ-Präsident, der fordert: „Wir dürfen nicht die Bäuerinnen und Bauern mit einem regelrechten Auflagen- und Bürokratie-Wahnsinn überlasten. Es kann nicht sein, dass sie bald mehr Zeit am Schreibtisch verbringen, als bei ihren Tieren oder am Acker. Zurück zur Praktikabilität! Schluss mit einseitigen Hindernissen und her mit vielseitigen Möglichkeiten aus Brüssel. Wir brauchen wieder einen fähigen EU-Agrarkommissar bzw. -kommissarin, die oder der sich nicht ständig vom Umweltkommissar überfahren lässt, sondern für echte Zukunftsperspektiven sorgt. Das Thema Versorgungssicherheit muss wieder an Bedeutung gewinnen. Zu echter Nachhaltigkeit gehören Umwelt, Wirtschaft und der Mensch gleichermaßen.“
Einbindung in Umsetzung der EU-Renaturierungs-Verordnung gefordert
„Die wenigsten wissen, dass wir heuer mit 230.000 ha bzw. 10% der Agrarnutzfläche einen neuen Biodiversitätsflächen-Rekord in Österreich haben. Über 80% unserer Betriebe nehmen am Österreichischen Agrarumweltprogramm teil, wir haben 27% Biofläche. Wie kein anderer Sektor, wie kaum ein anderes EU-Land stehen wir somit aktiv für Klima- und Biodiversitätsschutz ein. Wir haben es satt, dass trotzdem praxisferne Lobbyisten immer so tun, als müsste die Welt vor den Bäuerinnen und Bauern geschützt werden. Vieles, was heute als besonders schützenswert gilt, ist das Ergebnis harter Bauernarbeit. Wo etwa die Almwirtschaft zum Aufgeben gezwungen ist, verarmt auch die Biodiversität“, betont Moosbrugger im Hinblick auf die EU-Renaturierungs-Verordnung, bei der er eine Einbindung der Land- und Forstwirtschaft in die Umsetzung fordert. „Für Klima und Leben ist es das Wichtigste, den Bodenverbrauch einzudämmen und Energiesparen, Energieeffizienz und Erneuerbare Energien voranzutreiben. Die Bäuerinnen und Bauern alleine werden auch nicht jegliche Verfehlungen der Menschheit geraderücken können. Alle Wirtschaftsbereiche sind gefordert“, so der LKÖ-Präsident.
Mehrwert durch Kooperation
Im Rahmen der auswärtigen Präsidentenkonferenz werden auch einige landwirtschaftliche Betriebe besichtigt. Nicht zufällig wurde dafür das Paznaun ausgewählt, wie LK-Tirol Präsident Josef Hechenberger erklärt: „Wir haben in Tirol glücklicherweise Regionen, wo Tourismus und Landwirtschaft sehr gut zusammenarbeiten, was einen großen Mehrwert für beide Seiten mit sich bringt. Eine solche Region ist das Paznaun. Wenn beide Branchen Hand in Hand arbeiten, können auch kleine landwirtschaftliche Betriebe erfolgreich in die Zukunft geführt werden, was für Tirol letztendlich unerlässlich ist.“
Auch er appelliert an die Politik auf Brüsseler Ebene, anstelle von ideologischen Paradigmen praxistaugliche Entscheidungen zu forcieren, etwa beim Umgang mit Großraubtieren: „Der Blick über die Ländergrenzen – besonders in die viel gelobte Schweiz – zeigt, dass nur ein geregeltes Raubtiermanagement ein Überleben der Viehhaltung gewährleistet. Tirol ist hier bereits auf einem guten Weg und ich erwarte mir, dass auch die morgige EuGH-Entscheidung im Sinne einer aktiven Landwirtschaft und einer intakten Almwirtschaft ausfällt. Das 'Europa der Regionen' mit seinen vielfältigen Strukturen muss auch in solchen Abwägungen berücksichtigt werden.“ (Schluss)
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender. Landwirtschaftskammer Österreich (LKÖ)