#MehralseinKreuzerl: Schutz vor Desinformation im Wahljahr

Das heurige Jahr ist ein „Superwahljahr“. Wahlen gab es bereits auf EU-Ebene, in Salzburg fanden die Gemeinderatswahlen statt, die Nationalratswahl folgt am 29. September, in Vorarlberg und der Steiermark wird der Landtag im Herbst gewählt. Auch international war und ist einiges los, mit einem Höhepunkt im November: die US-Wahl. Es ist auch eine Zeit, in der versucht wird, durch Desinformationskampagnen politischen Gegner:innen zu schaden und demokratische Wahlen zu beeinflussen.

Durch künstliche Intelligenz gibt es zahlreiche neue Werkzeuge, um Fake News zu generieren. Das können Videos, Bilder, Texte oder Sprachaufnahmen sein. Das fordert sowohl etablierte Medien und Journalist:innen heraus, als auch Bürger:innen. Im Jänner erhielten Wahlberechtigte im US-Bundesstaat New Hampshire etwa einen Anruf von „Joe Biden“, der sie bat, nicht zu den Vorwahlen zu gehen. Das war ein sogenannter „Robo Call“, bei dem eine Sprachaufnahme abgespielt wurde.

Es gibt aber auch Beispiele, wo ohne KI Falschinformationen verbreitet werden. So etwa auch kürzlich geschehen in Österreich. In sozialen Netzwerken und auf einer Online-Plattform wurde verbreitet, dass Sozialminister Johannes Rauch Abtreibungen bis zur Geburt erlauben und mit Steuergeldern finanzieren wolle. Tatsächlich hatte Rauch gefordert, dass Schwangerschaftsabbrüche bis zum 3. Monat aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden sollten. Das Faktencheck-Team der Austria Presse Agentur (APA) hat sich mit diesem Fall beschäftigt.

Wer auf der Suche nach Fakten hinsichtlich Gesetzgebungsprozessen ist, der kann sich auch auf der Website und den offiziellen Kommunikationskanälen des Parlaments informieren. Dort kann man Aktuelles und Vergangenes recherchieren.

Die Redakteur:innen des Pressedienstes berichten über den Gesetzgebungsprozess von der Initiative über die Verhandlungen in den parlamentarischen Ausschüssen bis hin zu den Plenarsitzungen, über internationale Besuche und über Veranstaltungen des Parlaments. All diese Berichte sind auf der Website des Parlaments als „Parlamentskorrespondenz“ veröffentlicht und gehen großteils auch an die Presseagentur APA, die sie an Medienunternehmen weiterverteilt. Außerdem gibt es ein E-Mail-Abo-Service für Journalist:innen und Interessierte.

Fokus auf Transparenz statt auf aufmerksamkeitserregende Schlagzeilen

Gerda Steinberger ist Redakteurin der Parlamentskorrespondenz. Seit mittlerweile 31 Jahren berichtet sie über den Gesetzgebungsprozess vor dem Hintergrund wechselnder Regierungen und Mehrheiten im Parlament. Dabei ist ihre Aufgabe, „Gesetzesvorhaben und Tätigkeitsberichte der Regierung sowie Anträge von Abgeordneten zusammenzufassen und die unterschiedlichen Meinungen der Parlamentsfraktionen dazu – klar als solche erkennbar – abzubilden“, erklärt sie.

Die zwei wesentlichen Leitgedanken hinter ihrer Arbeit und der ihrer Kolleg:innen definiert Gerda Steinberger so: Herstellung von Transparenz und Berichterstattung auf Faktenbasis. Der öffentliche Diskurs sei eine wichtige demokratische Funktion. „Wir leisten einen kleinen Beitrag zur Transparenz des politischen Geschehens. Das ist der Hauptgrund, warum es uns gibt“, führt Gerda Steinberger aus.

Deshalb zählt hier auch das Credo: Genauigkeit vor Geschwindigkeit. „Manchmal sieht es so aus, als ob wir hinten nach wären, weil Medien häufig schon vor Beginn der parlamentarischen Verhandlungen so berichten, als ob Gesetzesvorhaben schon beschlossene Sachen seien, was nicht der Wirklichkeit entspricht“, erklärt sie. Der Informationsfluss gehe in zwei Richtungen: Die Medien informieren sich über die Parlamentskorrespondenz und die Redakteur:innen der Parlamentskorrespondenz informieren sich in den Medien. „Da wissen wir dann oft schon früher, was auf uns zukommen wird. Wir warten aber immer bis wir eine Information offiziell haben, bevor wir darüber berichten“, so die Redakteurin. Ein aktuelles Beispiel ist auch der Termin für die Nationalratswahl. Schon lange gab es Medienberichte, dass es der 29. September 2024 sein wird, endgültig fixiert wurde der Termin aber erst mit der Zustimmung im Hauptausschuss des Nationalrats. „Uns geht es nicht darum, Schlagzeilen zu produzieren, sondern darum, parlamentarische Prozesse transparent zu machen“, betont Gerda Steinberger.

Warum KI-generiete Fake News keine Chance auf Weiterverbreitung haben

Die Quellen der Redakteur:innen der Parlamentskorrespondenz sind die von der Parlamentsdirektion verteilten offiziellen Dokumente (etwa Gesetzesentwürfe, Entschließungsanträge oder Bürger:inneninitiativen) sowie das Gesagte und Abstimmungen in Ausschuss-, Nationalrats- und Bundesratssitzungen, an denen sie teilnehmen. „Ausschüsse sind nicht öffentlich, da sind wir – neben den Abgeordneten selbst – die Einzigen, die aus erster Hand berichten können“, betont die erfahrene Beamtin, die sich selbst weniger als solche, sondern mehr als Redakteurin und Journalistin sieht. Das Team besteht derzeit aus elf Personen „Jeder von uns hat etwa drei bis vier Ausschüsse, für die man hauptzuständig ist. Das hat den Sinn, dass man sich mit den debattierten Gesetzen besser auskennt. So tut man sich leichter bei den schriftlichen Erläuterungen zu einem Gesetz und den Diskussionen, wenn man immer wieder mit der Materie zu tun hat“, gibt Gerda Steinberger einen Einblick in die tägliche Arbeit. Man müsse regelmäßig aber auch in „fachfremden“ Ausschüssen einspringen. Da bei Sitzungen nicht einfach nachgefragt werden könne, wenn man etwas nicht verstanden habe, erkundige man sich manchmal bei den Beamt:innen des zuständigen Ministeriums. Das sei allerdings das letzte Mittel, zuvor versuche man sich mit Hilfe des Gesetzes oder den Medien ein Bild zu machen. „Durch Medienberichte bekommt man oft hilfreiche Informationen, aber auch die überprüft man noch einmal, indem man im Gesetz nachschaut“, so Steinberger. Auf KI-generierte Fake News können die Redakteur:innen der Parlamentskorrespondenz also nicht hereinfallen.

Politische Einflussnahme und Fehlerkorrekturen

Mit den Abgeordneten selbst habe man wenig zu tun. „Das vermeidet man eher“, so Steinberger, denn „Äquidistanz“ – zu allen Fraktionen und Positionen den gleichen Abstand zu haben – sei Teil ihres Jobprofils.

Berichtet wird über alle Verhandlungen in den Ausschüssen, auch über Materien bei denen von vornherein klar ist, dass sie in der Öffentlichkeit nicht so viele Reaktionen hervorrufen, etwa weil das Thema nur eine sehr kleine Bevölkerungsgruppe betrifft oder es zu keinem Beschluss kommt, weil die Beratungen vertagt werden. Deshalb gebe es auch immer wieder Kritik daran, dass die Meldungen der Parlamentskorrespondenz zu lang, zu ausführlich und zu wenig journalistisch seien. „Im Sinne des Transparenzgedankens bilden wir die Debatte aber auch dann zumindest in den Grundzügen ab.“ Naturgemäß werde aber ausführlicher über beschlossene Gesetze als über vertagte oder abgelehnte Initiativen berichtet räumt Gerda Steinberger ein. Schließlich seien diese für die Bevölkerung von besonderem Interesse.

Von den Abgeordneten und zitierten Auskunftspersonen gebe es nur wenig Beschwerden, „weil wir sehr genau arbeiten“. Passiere allerdings tatsächlich ein Fehler – am häufigsten ginge es dabei um eine falsche Schreibweise bei Namen – werde das nachträglich korrigiert. Wenn sich ein Abgeordneter wünschen würde, einen ihm besonders wichtigen Punkt nachträglich in seine Wortmeldung einzubauen, würde man dem aber nicht nachkommen, betont die Redakteurin der Parlamentskorrespondenz. Wobei sie ohnehin keine Interventionen oder Einflussnahmen von außen bei der Berichterstattung wahrnimmt.

Schnellere Gesetzgebungsprozesse und Social Media

Seit Gerda Steinberger im Jahr 1993 in der Parlamentskorrespondenz begonnen hat, hat sich vieles verändert. „Die Redakteur:innen der Parlamentskorrespondenz waren unter den ersten in der Parlamentsdirektion, die einen Computer hatten“, blickt sie zurück. Damals wurden Meldungen noch per Telefonleitung an die APA geschickt. Aber die Veränderungen waren nicht nur technischer Art. Der Gesetzgebungsprozess habe sich massiv beschleunigt. „Früher hat es von der Einbringung eines Gesetzentwurfs bis zum Beschluss im Nationalrat in der Regel mehrere Wochen gedauert, heute passiert das oft innerhalb weniger Tage“, so die erfahrene Mitarbeiterin. Auch dass einzelne Gesetzesvorhaben Paragraph für Paragraph in stundenlangen Spezialdebatten in den Ausschüssen diskutiert werden, komme nicht mehr vor. Weil es mehr Parteien gebe, sei es schwieriger geworden, einen Konsens zu finden. Außerdem sei das Leben insgesamt komplexer geworden, weswegen es notwendig sei, rascher zu reagieren. Früher habe die Parlamentskorrespondenz auch mehr dokumentarischen Charakter gehabt, heute sei der journalistische mehr ausgeprägt. Die Praxis, dass Gesetzentwürfe erst im Zuge des parlamentarischen Prozesses mit Inhalten befüllt bzw. um neue Punkte ergänzt werden, habe außerdem dazu geführt, dass die Parlamentskorrespondenz verstärkt als Informationsquelle für Inhalte von Gesetzen herangezogen werde.

Neben dem beschleunigten Gesetzgebungsprozess sei der Spagat zwischen Dokumentation und Journalismus eine der größten Herausforderungen ihrer Arbeit. „Die allgemeine Tendenz, dass es bei Berichterstattung immer mehr um Schlagzeilen und Aufmerksamkeit geht, ist herausfordernd“, so Steinberger. Um den medialen Anforderungen gerecht zu werden, gibt es den Newsroom der Parlamentsdirektion, dessen Team sich auf die Präsenz und Information über das parlamentarische Geschehen via Social Media fokussiert. Für Gerda Steinberger und ihre Kolleg:innen ist klar, dass es dabei nicht um Konkurrenz zwischen den unterschiedlichen Informationskanälen geht, sondern um Zusammenarbeit für ein gemeinsames Ziel: transparente Information der Bürger:innen.

Wie man sich vor Desinformation schützen kann

Und weil es nicht immer so einfach ist, falsche Informationen zu identifizieren, haben die Kolleg:innen aus dem Newsroom einige hilfreiche Tipps zusammengestellt:

·                Durchatmen, wenn es aufregt: Desinformation soll emotional ansprechen. Wenn einem eine Überschrift, ein Bild oder ein Video besonders aufregt, könnte es sich um falsche Information handeln. In diesem Fall sollte man die Information nicht sofort weiterverbreiten, sondern zunächst kritisch bleiben.

·                Quellen überprüfen: Stammt die Info von einer Website, die man selbst nicht kennt oder einem unbekannten Account? Dann besser nachschauen, ob die Inhalte auch in bekannten Medien und Accounts zu finden sind, denen man selbst vertraut. Auch die Adresse der Website kann helfen. Oft sehen die Desinformationsseiten aus, wie echte Nachrichtenportale, haben aber eine andere Adresse.

·                Nach belegbaren Fakten suchen: Desinformationskampagnen arbeiten mit reißerischen Behauptungen. Wenn sie Fakten verwenden, sind sie oft unvollständig oder manipulativ dargestellt. Die verwendeten Fakten in Medien suchen, denen man selbst vertraut oder versuchen, die Originalquelle zu finden, ist eine gute Strategie.

·                Fact-Checking-Portale nutzen: Diese Portale überprüfen Nachrichten, Bilder und Videos auf ihre Richtigkeit. Die EU zeigt auf www.EUvsDisinfo.eu seit 2015 Desinformationskampagnen auf. In Österreich gibt es mimikama.org, dort veröffentlicht ein Verein Faktenchecks.

·                Desinformation melden: Jede:r kann auf Desinformation hereinfallen. Wichtig ist, daraus zu lernen. Man kann falsche Informationen der jeweiligen Plattform melden und glaubwürdige Informationen darunter posten, wenn man sie hat. So wissen dann auch andere, dass sie genauer hinschauen müssen.

·                Bilder genau anschauen: Mit Bildsuchmaschinen findet man heraus, ob Bilder schon einmal in einem anderen Zusammenhang verwendet worden sind. Ob ein Bild mittels KI generiert wurde, kann man oft an den Bildrändern erkennen, dort schleichen sich die meisten Fehler ein. Außerdem hat KI Probleme, Hände und Ohren richtig darzustellen. (Schluss) map

Mehr Informationen zum Wahljahr 2024 finden Sie unter www.parlament.gv.at/mehralseinkreuzerl.


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