Für die Betreuung von besonders vulnerablen Flüchtlingen wie unbegleiteten Minderjährigen oder hilfs- und schutzbedürftigen Personen werden rückwirkend mit 1. Jänner 2024 höhere Kostensätze gewährt. Der Bundesrat gab heute mehrheitlich grünes Licht für eine dementsprechende Grundversorgungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern. ÖVP, SPÖ, Grüne und Innenminister Gerhard Karner sahen darin insbesondere vor dem Hintergrund der Teuerung eine Notwendigkeit. Nur die FPÖ wandte sich dagegen, unter anderem, da sie befürchten, dass die zusätzlichen Mittel eine „Magnetwirkung“ auf weitere Schutzsuchende entfalten könnten.
Ebenso sprachen sich die Abgeordneten mehrheitlich für eine Verfassungsnovelle aus, die auf mehr Rechtssicherheit für Gemeinden im Bereich der Raumplanung abzielt. Die Länder werden damit ermächtigt, landesgesetzliche Bestimmungen zu beschließen, die es Gemeinden ermöglichen, Flächenwidmungen an vertragliche Auflagen zu koppeln. Auch hier zeigten sich insbesondere die Freiheitlichen kritisch, da sie darin einen „unverhältnismäßigen Eingriff“ in die Eigentumsrechte sehen. ÖVP, SPÖ und Grüne betonten hingegen den Vorrang des öffentlichen Interesses.
Mehrheitliche Zustimmung der Länderkammer gab es auch für eine Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), die der Exekutive mehr Befugnisse bei Durchsuchungen und Überwachungen einräumt, und eine Gesetzesänderung zur Reparatur der Rechtsberatung für Asylwerber:innen durch die Bundesbetreuungsagentur (BBU) in Folge einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH). Zu letzterer brachte die SPÖ einen Entschließungsantrag ein, der auf eine flächendeckende Umsetzung des Integrationsjahrs und des Integrationsjahr-Jugend abzielt. Dieser blieb in der Minderheit.
Einstimmig und ohne Debatte nahmen schließlich zwei Katastrophenhilfeabkommen mit Serbien und mit Georgien ihre letzte parlamentarische Hürde.
Erhöhung der Kostensätze für vulnerable Schutzsuchende
Die in der im Jahr 2004 abgeschlossenen 15a-Vereinbarung enthaltenen Kostenhöchstätze für die Grundversorgung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden wurden zuletzt 2022 angehoben. Nicht betroffen waren dabei die Kostensätze für vulnerable Gruppen wie unbegleitete minderjährige Fremde sowie hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Sonderunterbringung oder in Sonderbetreuung. Um deren Versorgung vor dem Hintergrund der Teuerung zu sichern, werden diese nun mit einer weiteren Vereinbarung erhöht. So ist nun etwa ein Kostenersatz von 112 € pro Tag für die Sonderunterbringung pflegebedürftiger Personen sowie für die Unterbringung, Verpflegung und Betreuung unbegleiteter Minderjähriger vorgesehen. Sind die Minderjährigen in Einrichtungen im Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe untergebracht, steigt der Satz auf 130 €.
Laut Erläuterungen zur Vereinbarung befanden sich mit Stichtag 26. April 2024 rund 74.800 Personen in der Grundversorgung, 73.100 davon in der Grundversorgung der Länder, darunter 1.337 unbegleitete minderjährige Fremde und 618 hilfs- und schutzbedürfte Fremde in Sonderunterbringung und Sonderbetreuung.
Die einzige Partei, die sich gegen den „Wahnsinn“ der Erhöhung der Kostensätze wende, sei die FPÖ, konstatierte deren niederösterreichische Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Dass Geld eine „Magnetwirkung“ auf Asylwerber:innen ausübe, beweise Niederösterreich: Durch die Einführung der Bezahlkarte anstelle von Bargeld würden Asylwerber:innen das Bundesland bereits verlassen, berichtete Spanring. Zudem sei die Vereinbarung „unverantwortlich“ gegenüber den Steuerzahler:innen, die angesichts der Teuerung selbst kaum ein Auskommen fänden, und eine „himmelschreiende Ungerechtigkeit“ gegenüber österreichischen Kindern und Menschen mit Behinderung, die mit weit weniger Unterstützung auskommen müssten, als die Geflüchteten. Wirklich Schutzbedürftige hätten laut Spanring in Österreich „keine Chance“ mehr, da das Land mit Wirtschaftsflüchtlingen „geflutet“ werde, was Innenminister Gerhard Karner und die „Links-ÖVP“ noch forcierten. Die FPÖ sieht den „Schlüssel zum Glück“ hingegen in der „Remigration“, wie Spanrings Tiroler Fraktionskollege Christoph Steiner ergänzte.
Die Unterbringung und Betreuung von vulnerablen Schutzsuchenden sei besonders kostenintensiv, erklärte Ernest Schwindsackl (ÖVP/St). Daher hätte die Konferenz der Landesflüchtlingsreferent:innen die in Rede stehende Erhöhung der Kostenhöchstsätze einstimmig gefordert – darunter auch jene der FPÖ. Mit der Ablehnung der darauf basierenden Vereinbarung in Nationalrat und Bundesrat zeigten die Freiheitlichen nun jedoch ihr „wahres Gesicht“, sagte Schwindsackl und warf ihnen „Hetze“, „Vorgaukelei“ und „soziale Kühlschranktemperatur“ vor. Nicht die Asylwerber:innen erhielten durch die Vereinbarung mehr Geld, sondern die Einrichtungen, die diese unterbringen und betreuen würden.
Auch Innenminister Gerhard Karner verwies auf den einstimmigen Beschluss der Landesflüchtlingsreferentenkonferenz. Man könne entgegen diesem auch der Meinung sein, dass die Einrichtungen mit den bisherigen Mitteln auskommen könnten, müsse jedoch bedenken, dass es dabei nicht nur um die Versorgung gehe. Insbesondere die Investition in die Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten sei auch eine Investition in die Sicherheit, so Karner. Diese bräuchten „Tagesstruktur und Führung“. Neben der Zurückdrängung der illegalen Migration, sei auch dies sicherheitspolitisch entscheidend.
Wenn die FPÖ „Asyl“ höre, setze sie die „Scheuklappen“ auf und „falle“ sogar den eigenen Landesreferent:innen „in den Rücken“, wandte sich SPÖ-Mandatar Michael Wanner aus Salzburg gegen die Freiheitlichen. Die Erhöhung der Kostenhöchstätze sei „wichtig und richtig“. Die Alternative wäre es, die Schutzsuchenden sowie die sie betreuenden Einrichtungen „rechts liegen zu lassen“. Kritik übte Wanner jedoch an der Umsetzung der Vereinbarung, die bereits am 29. Mai dieses Jahres vom Ministerrat beschlossen, aber erst am 4. Juli per Fristsetzung dem Nationalrat vorgelegt worden sei. Das hätte nach Meinung Wanners schneller gehen müssen. Zudem wäre die Erhöhung nicht notwendig geworden, wenn die Bundesregierung etwas gegen die „Rekordinflation“ in Österreich unternommen hätte.
Seitens der Grünen betonte Claudia Hauschildt-Buschberger aus Oberösterreich die Notwendigkeit einer Erhöhung der Kostenhöchstsätze, was in den 20 Jahren seit Beschluss der Grundversorgungsvereinbarung nur drei Mal stattgefunden habe. Mit den vorhandenen Geldern sei es in letzter Zeit kaum noch möglich gewesen, die Unterbringung und Betreuung insbesondere vulnerabler Gruppen sicherzustellen. Hauschildt-Buschberger plädierte dafür, das sich in Wien in der Pilotphase befindende Realkostenmodell bei Erfolg auf das gesamte Bundesgebiet auszurollen.
Raumplanung: Verfassungsnovelle soll Rechtssicherheit erhöhen
Mit einer Verfassungsnovelle wollen ÖVP und Grüne die Länder ausdrücklich dazu ermächtigen, in Angelegenheiten der Raumplanung landesgesetzliche Bestimmungen zu beschließen, die das Zustandekommen eines zivilrechtlichen Vertrags als Voraussetzung für Flächenwidmungen von Gemeinden bzw. andere hoheitliche Handlungen vorsehen. Ziel ist es, die Rechtssicherheit im Bereich der Vertragsraumordnung zu erhöhen und Gemeinden beispielsweise zu ermöglichen, Flächenwidmungen an bestimmte Auflagen zu knüpfen.
Für Klemens Kofler (FPÖ/N) stellte dies einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentumsrecht dar, der zudem politischer Willkür und „Freunderlwirtschaft“ Tür und Tor öffne. Der Rechtsschutz für die Einzelnen werde schwieriger und die Antragsteller:innen erpressbar, da etwa ein Bürgermeister mit einer Rückwidmung drohen könnte. Dies komme einer Enteignung nahe, so Kofler. Solche Fälle gebe es gegenwärtig schon und die vorliegende Novelle legalisiere ein solches Vorgehen noch.
Kofler beleidige damit unzählige ordentliche Bürgermeister:innen und Gemeindefunktionär:innen, hielt Klara Neurauter (ÖVP/N) entgegen. Die Vertragsraumordnung sei bereits jetzt gesetzlich normiert. Es gehe bei der Novelle lediglich um eine rechtliche Klarstellung bezüglich der Koppelung von Flächenwidmungen an zivilrechtliche Verträge und die Präzisierung der raumordnerischen Möglichkeiten von Gemeinden. Die Gesetzesänderung sei laut Neurauter zudem von den Ländern und Gemeinden gewünscht worden, etwa um neue Formen der Bau- und Siedlungspolitik zu ermöglichen, durch die mehr günstiger Wohnraum geschaffen werden könne.
Das öffentliche Interesse müsse Vorrang haben, betonten sowohl Neurauter als auch Elisabeth Kittl (Grüne/W). Eigentum an Grund und Boden bedeute nicht, damit uneingeschränkt handeln zu können, wandte sich Kittl gegen die Argumentation der FPÖ. Neben leistbarem Wohnraum müsse auch Raum für Klimaschutzmaßnahmen und aktive Mobilität gesichert werden. FPÖ-Bundesrat Kofler sprach in diesem Zusammenhang von „Kommunismus“.
Auch Michael Wanner (SPÖ/N) stellte den Gerechtigkeitsaspekt der Verfassungsnovelle in den Vordergrund. Wenn Grünland im Rahmen eines hoheitliche Akts zu Bauland umgewidmet werde, komme es allein dadurch zu einem starken Wertzuwachs des Grundstücks, von dem nur der Eigentümer profitiere. Es sei also gerecht, wenn die „öffentliche Hand“ die Bedingung stelle, dass ein Teil des Grundstücks etwa für die Schaffung leistbaren Wohnraums verwendet werden müsse.
Mehr Befugnisse für die Exekutive
Mit einer Novellierung des Sicherheitspolizeigesetzes erhält die Polizei zusätzliche Befugnisse, die etwa erweiterte Möglichkeiten für Durchsuchungen und Überwachungen umfassen. Konkret wird die durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH) 2019 gekippte Verwendung von Kennzeichenerkennungsgeräten wieder eingeführt und die besondere Durchsuchungsanordnung nicht wie bisher nur bei Großveranstaltungen, sondern künftig auch bei „besonders gefahrengeneigten“ Einrichtungen möglich sein. Zudem soll der behördeninterne und -externe Informationsaustausch zur Strafrechtspflege modernisiert werden.
Reparatur der Rechtsberatung von Asylwerber:innen
Eine Entscheidung des VfGH im Dezember 2023 machte notwendig, dass die Rechtsberatung von Asylwerber:innen durch die BBU neu aufgestellt wird. Einen entsprechenden Initiativantrag legten die Koalitionsparteien Grüne und ÖVP vor. In der BBU wird damit ein eigener Geschäftsbereich Rechtsberatung eingerichtet und der Kündigungs- und Entlassungsschutz von Rechtsberater:innen gestärkt. Auch ein Qualitätsbeirat wird gesetzlich verbindlich. (Fortsetzung Bundesrat) wit
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