Tagungsbilanz des Nationalrats 2023/24: 214 Gesetzesbeschlüsse, 207 Ausschusssitzungen, mehr als 3.000 schriftliche Anfragen

Überdurchschnittlich viele Gesetzesbeschlüsse, hingegen ein leichter Rückgang bei der Zahl der Sitzungen und bei den schriftlichen Anfragen. Die Tagung 2023/24 des Nationalrats ist formal zwar nicht die letzte in dieser Legislaturperiode, große Reformen sind – abgesehen von der in den Herbst verschobenen Strafprozessreform – vor der Nationalratswahl am 29. September aber wohl nicht mehr zu erwarten. In diesem Sinn waren die letzten Wochen im Nationalrat schon fast so etwas wie ein Finale. Viele Ausschüsse traten zu ihren letzten Sitzungen zusammen. Trotz des Konflikts um die EU-Renaturierungsverordnung hat die türkis-grüne Koalition dabei noch einmal kräftig aufs Gaspedal gedrückt: Allein in der letzten Plenarwoche wurden 58 Gesetze bzw. Gesetzespakete beschlossen. Auch über die gesamte Gesetzgebungsperiode hinweg zeichnet sich ein Rekord ab: Noch nie wurden seit den 70er-Jahren innerhalb einer Legislaturperiode mehr als 900 Gesetzesbeschlüsse gefasst.

Insgesamt ist der Nationalrat im abgelaufenen Parlamentsjahr zu 46 Sitzungen mit einer Gesamtdauer von 260 Stunden und 28 Minuten zusammengetreten und hat dabei 214 Gesetze beschlossen. Das ist – nach der Tagung 2020/21 (231 Gesetzesbeschlüsse) – der zweithöchste Wert der vergangenen 25 Jahre, beinahe ex aequo mit der Tagung 2021/22 (213). Dazu kommen 17 genehmigte Staatsverträge und 12 Vereinbarungen mit den Bundesländern. Außerdem wurden 74 Berichte der Regierung, des Rechnungshofs und der Volksanwaltschaft in Verhandlung genommen. Oppositionsanträge, Aktuelle Stunden, Dringliche Anfragen und andere Diskussionen miteingerechnet, fanden im Plenum 342 Debatten – häufig über mehrere Tagesordnungspunkte gemeinsam – statt.

29 % der Gesetzesbeschlüsse und damit etwas mehr als in den letzten beiden Tagungsperioden fielen einstimmig. Nur eine Sitzung in dieser Tagung war eine Sondersitzung, nicht zuletzt deshalb ging die Zahl der Sitzungen von 57 in der Tagung 2022/23 auf nunmehr 46 zurück. Im vergangenen Jahr hatte es noch sieben Sondersitzungen gegeben. In 46 Entschließungen erhielt die Regierung Arbeitsaufträge vom Nationalrat.

Zu den Plenarsitzungen kommen 154 Ausschusssitzungen, 22 Unterausschusssitzungen sowie 31 Sitzungen des COFAG- und des Rot-Blauen-Machtmissbrauch-Untersuchungsausschusses. Außerdem haben die Abgeordneten mehr als 3.000 schriftliche Anfragen eingebracht und ihre Vorschläge und Vorhaben in 152 Gesetzes- und 432 selbständige Entschließungsanträge gegossen.

6 Dringliche Anträge, 9 Aktuelle Stunden, 2 Misstrauensanträge

Im Rahmen der 46 Plenarsitzungen hielten die Abgeordneten auch 9 Aktuelle Stunden, 3 Aktuelle Europastunden und 7 Fragestunden mit 89 Fragen und 93 Zusatzfragen ab. 12 Gesetzesanträge und Volksbegehren, darunter das Bundesfinanzgesetz 2024, wurden in Erste Lesung genommen. Außerdem gab der Vorsitzende der Parlamentarischen Versammlung des Europarats Theodoros Rousopoulos anlässlich des 75. Jahrestags der Gründung des Europarats eine Erklärung im Plenum ab. Auch eine Wahl stand auf der Tagesordnung: Sie betraf eine Nachbesetzung in der Kontrollkommission Verfassungsschutz.

Auf Verlangen der Opposition diskutierte der Nationalrat über 9 „Dringliche“, wobei die Zahl der Dringlichen Anträge (6) auch heuer wieder jene der Dringlichen Anfragen (3) übertraf. Dazu kamen 9 Kurze Debatten zu schriftlichen Anfragebeantwortungen einzelner Regierungsmitglieder und Fristsetzungsanträgen sowie eine weitere Kurze Debatte im Vorfeld der Einsetzung des COFAG-Untersuchungsausschusses.

Trotz zum Teil massiver Kritik der Opposition an der Regierung blieb die Zahl der Misstrauensanträge in dieser Tagung mit zwei niedrig. Zum einen wollte die SPÖ im vergangenen Herbst einen Rücktritt der gesamten Bundesregierung erzwingen, weil diese ihrer Meinung nicht genug gegen die Teuerung unternommen hat. Der Nationalrat lehnte diesen Vorstoß aber ebenso ab wie den vergangene Woche eingebrachten Misstrauensantrag der FPÖ gegen Umweltministerin Leonore Gewessler wegen ihrer Zustimmung zur EU-Renaturierungsverordnung. Zwar hatte die ÖVP die Entscheidung der Ministerin im Vorfeld ebenfalls massiv kritisiert und ihr Amtsmissbrauch sowie einen Bruch der Verfassung vorgeworfen, die Koalition wollte sie dadurch aber nicht aufs Spiel setzen. Streitpunkt ist die Frage, ob die Ministerin an eine ablehnende Stellungnahme der Bundesländer aus dem Jahr 2023 gebunden gewesen wäre und ob sie ihr Abstimmungsverhalten mit Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig bzw. anderen Regierungsmitgliedern koordinieren hätte müssen.

Die einzige Sondersitzung in dieser Tagung ging auf ein Verlangen der FPÖ zurück. Sie warf der Regierung rund um den Nationalfeiertag unter anderem vor, die Souveränität und Neutralität Österreichs durch die Unterstützung der Ukraine und die Beteiligung an den Russland-Sanktionen zu gefährden und forderte einen Ausstieg aus der „neutralitätszersetzenden und wirtschaftlich ruinösen“ Sanktionspolitik.

39 Mal mussten Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und seine beiden Amtskolleg:innen Doris Bures und Norbert Hofer mit Ordnungsrufen einschreiten.

Weiterhin mehr Initiativanträge als Regierungsvorlagen

115 (53,7 %) Gesetzesbeschlüsse gehen auf Anträge von Abgeordneten, 83 (38,7 %) auf Regierungsvorlagen und 15 (7 %) auf kurzfristig in den Ausschüssen eingebrachte Gesetzesinitiativen zurück. Dazu kommt noch der vom Rechnungshof vorgelegte Bundesrechnungsabschluss 2023, dessen Annahme formal ebenfalls ein Gesetzesbeschluss ist. Damit hat sich der mit der Corona-Krise eingeleitete Trend fortgesetzt, den Gesetzgebungsprozess durch parlamentarische Initiativen zu beschleunigen. Auch auf leere Gesetzeshülsen – sogenannte „Trägerraketen“ – die erst im Ausschuss oder gar erst im Plenum mit Inhalt befüllt wurden, griffen die Koalitionsparteien in mehreren Fällen zurück. Äußerst kritisch wird diese Entwicklung von der Opposition gesehen, auch wenn in einzelnen Fällen ein fehlendes Begutachtungsverfahren vom zuständigen Fachausschuss nachgeholt wurde. Auch die sich zuletzt noch einmal häufende Vertagung von Oppositionsanträgen sorgte für breiten Unmut.

Angewiesen ist die Koalition auf die Opposition bei Verfassungsänderungen und einfachen Gesetzen mit Verfassungsbestimmungen: 20 solcher Gesetzentwürfe haben in der abgelaufenen Tagung die nötige Zweidrittelmehrheit erreicht, darunter etwa das Informationsfreiheitsgesetz und verschiedene Materien aus dem Energiebereich wie das Einbauverbot für Gasheizungen in Neubauten und der Made-in-Europe-Bonus für Photovoltaikanlagen. Dagegen scheiterten die Einführung einer verpflichtenden Grüngas-Quote für Energieversorger sowie ein neues Netz- und Informationssicherheitsgesetz zuletzt im Plenum. Letzteres zielt in Umsetzung einer EU-Richtlinie (NIS 2) auf einheitliche Cybersicherheitsstandards für systemrelevante Einrichtungen und Unternehmen ab, wobei die Opposition ihre Ablehnung unter anderem mit zu weitreichenden Befugnissen des Innenministeriums begründete.

Über die gesamte Gesetzgebungsperiode betrachtet, hat der Nationalrat bisher 929 Gesetzesbeschlüsse gefasst. Damit ist jetzt schon klar, dass der bisherige Rekordwert – 648 Beschlüsse in der XXIV. GP (28.10.2008 bis 28.10. 2013) – deutlich übertroffen wird. Auch wenn man einberechnet, dass Legislaturperioden früher mit vier Jahren begrenzt waren bzw. oft nicht über die volle Distanz liefen, ändert sich am Rekordbefund nichts. Einer der Gründe dafür könnte die Corona-Pandemie sein, wurden in diesem Zusammenhang doch zahlreiche gesetzliche Sonderbestimmungen beschlossen und zum Teil mehrfach verlängert.

207 Sitzungen von Ausschüssen, Unterausschüssen und Untersuchungsausschüssen

154 Mal traten in dieser Tagung die Fachausschüsse des Nationalrats zu Sitzungen zusammen. An der Spitze liegen dabei der auch für EU-Angelegenheiten zuständige Hauptausschuss mit 16 Sitzungen, der Verfassungsausschuss mit 11 Sitzungen sowie der Sozialausschuss, der Rechnungshofausschuss und der Finanzausschuss mit jeweils 8 Sitzungen. Neben dutzenden Gesetzesvorschlägen und Entschließungsanträgen standen dabei auch 138 Berichte der Bundesregierung – davon 12 Jahresvorschauen über aktuellen EU-Vorhaben – zur Diskussion. Dazu kommen 22 Sitzungen von Unterausschüssen und 31 Sitzungen der beiden im Dezember 2023 eingesetzten Untersuchungsausschüsse.

3.189 Schriftliche Anfragen

Zum dritten Mal in Folge rückläufig war die Zahl der schriftlichen Anfragen. Mit insgesamt 3.189 zum Stichtag 7. Juli blieben sie aber auf hohem Niveau. Davon richteten sich 3.168 Anfragen an die Regierung, 19 Anfragen an Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und 2 Anfragen an Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker.

Die mit Abstand meisten Anfragen gehen wieder auf das Konto der FPÖ (1.632), gefolgt von der SPÖ (853) und den NEOS (659). Die Grünen stellten 27 Anfragen – die meisten davon an das Innenministerium -, die ÖVP 18. Fraktionsübergreifende Anfragen gab es in dieser Tagung bisher nicht.

Das größte Interesse zeigten die Mandatar:innen dieses Mal für Angelegenheiten aus dem Zuständigkeitsbereich von Innenminister Gerhard Karner (485). Danach folgen das Sozial- und Gesundheitsministerium (407), das Wirtschafts- und Arbeitsministerium (300) und das Justizministerium (280). Am anderen Ende der Liste rangiert das im Bundeskanzleramt angesiedelte Bundesministerium für EU und Verfassung mit 97 schriftlichen Anfragen.

Zwei Untersuchungsausschüsse

17 der 31 U-Ausschuss-Sitzungen entfielen auf den COFAG-Untersuchungsausschuss, der auf Verlangen von SPÖ und FPÖ eingerichtet worden war und an 7 Befragungstagen insgesamt 16 Auskunftspersonen befragte. Ihm standen außerdem mehr als eine Million Aktenseiten an Datenmaterial zur Verfügung. SPÖ und FPÖ wollten mit dem Ausschuss insbesondere die Frage klären, ob „Milliardäre“, die Spenden an die ÖVP geleistet haben oder um deren Unterstützung die Volkspartei geworben hat, vom Staat bevorzugt behandelt wurden. Zudem werteten sie es als notwendig, Licht „in die „Blackbox COFAG“ zu bringen.

Im von Verfahrensrichterin Christa Edwards entworfenen Endbericht wird nun unter anderem empfohlen, die Verwaltung bei Ausnahmeprojekten in Krisenfällen stärker einzubinden und die Strafen für die Nichtlegung von Bilanzen zu erhöhen. Zudem wird die frühere Kritik des Rechnungshofs an der COFAG-Gründung grundsätzlich bestätigt. Eine Bevorzugung von Milliardären konnte laut Edwards hingegen nicht direkt festgestellt werden, wiewohl im Bericht in Zusammenhang mit untersuchten Steuerakten von René Benko von einem „schalen Beigeschmack“ die Rede ist.

Der auf Initiative der ÖVP eingesetzte Rot-Blaue Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss hielt 14 Sitzungen ab und führte 12 Befragungen durch. Beide Untersuchungsausschüsse hatten allerdings mit zahlreichen Absagen bzw. dem Nichterscheinen von geladenen Auskunftspersonen zu kämpfen. Untersuchungsgegenstand dieses zweiten U-Ausschusses war die mögliche zweckwidrige Verwendung von Steuergeldern in von „roten“ bzw. „blauen“ Minister:innen geleiteten Ressorts in den Jahren 2007 bis 2020, wobei sich die Beratungen zunehmend auf die Regierungsbeteiligung der FPÖ in den Jahren 2017 bis 2019 fokussierten. Ein zentrales Thema war überdies die „Causa Egisto Ott“ rund um mutmaßliche Spionagetätigkeiten, was von verschiedenen Seiten den Ruf nach einem eigenen Russland-U-Ausschuss nach den nächsten Wahlen laut werden ließ. Auch im Ausschussbericht  wird ein solcher angeregt.

Überdies hält Verfahrensrichterin Edwards eine Novellierung des Bundesarchivgesetzes und des Bundesvergabegesetzes für angebracht. Auch bei der Verfahrensordnung für parlamentarische U-Ausschüsse sieht sie in mehreren Punkten Nachschärfungsbedarf. Ihre eigenen – und zum Teil sehr unterschiedlichen – Schlüsse aus den Befragungen und dem Aktenmaterial zogen die fünf Parlamentsfraktionen.

Offen blieb, inwieweit der Untersuchungsgegenstand des Rot-Blauen Machtmissbrauch-Untersuchungsausschusses den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprach. Der VfGH wertete einen entsprechenden Prüfantrag von SPÖ und FPÖ als unzulässig und nahm daher keine inhaltliche Beurteilung vor. Dass beide U-Ausschüsse deutlich kürzer dauerten als andere, war der bevorstehenden Nationalratswahl geschuldet: Die Endberichte mussten dem Plenum noch vor dem Stichtag der Wahl – dem 9. Juli – vorgelegt werden.

Volksbegehren, Petitionen und Bürgerinitiativen

Inklusive jener Volksbegehren, die die Wahlbehörde vergangenen Sommer dem Parlament zugeleitet hat, langten in der abgelaufenen Tagung 13 Volksbegehren im Hohen Haus ein. Abseits von Nachwehen der COVID-19-Pandemie wurden unter anderem Maßnahmen gegen die Lebensmittelverschwendung, eine sofortige Abschiebung straffällig gewordener Asylwerber:innen, eine bessere Bezahlung von Pflegekräften und eine verfassungsrechtliche Absicherung von Bargeldzahlungen gefordert. Auch ein Ausbau der direkten Demokratie und eine Liveübertragung von U-Ausschüssen zählten zu den Anliegen. Auffallend ist, dass es oft die gleichen Personen bzw. Personengruppen sind, die Volksbegehren starten, was zu einer Diskussion über die Ernsthaftigkeit mancher Initiativen führten. Zu den 13 Volksbegehren kommen 22 Bürgerinitiativen und 14 Petitionen, mit denen sich Bürger:innen an den Nationalrat wandten.

Personelle Änderungen

Personelle Änderungen in den Fraktionen waren unter anderem durch den Wechsel einzelner Abgeordneter in das EU-Parlament begründet. Zudem kehrten einige ehemalige Abgeordnete wie Josef Schellhorn von den NEOS und die frühere Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) ins Hohe Haus zurück. Aus der Regierung verabschiedete sich Digitalstaatssekretär Florian Tursky – seine Agenden wanderten nach einer Novellierung des Bundesministeriengesetzes ins Bundeskanzleramt zu Staatssekretärin Claudia Plakolm.

Ein großes Sesselrücken ist, unabhängig vom Wahlausgang, nach der Nationalratswahl zu erwarten: Etliche Abgeordnete – darunter Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka – haben angekündigt, im September nicht mehr zu kandidieren. Auch der derzeit längstdienende Abgeordnete und frühere Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf, der dem Nationalrat ununterbrochen seit fast 30 Jahren angehört, hat seinen Rückzug aus dem Hohen Haus angekündigt.

Trotz vieler Spekulationen keine vorgezogenen Neuwahlen

Dass die Tagung wie geplant bis zum 9. Juli läuft, damit haben viele nicht gerechnet. Immer wieder gab es in den vergangenen Monaten Neuwahlspekulationen. Auch die Opposition drängte mit dem Argument, dass die türkis-grüne Koalition am Ende sei und es eine andere Politik brauche, auf einen vorzeitigen Urnengang. Ein Neuwahlantrag der FPÖ erhielt bei der Abstimmung Ende Jänner allerdings keine Mehrheit. Man wolle bis zum Ende der Legislaturperiode weiterarbeiten, versicherten ÖVP und Grüne. Mitte März zeichnete sich dann endgültig ab, dass es zu keinen vorgezogenen Neuwahlen kommen wird. Die aktuelle Gesetzgebungsperiode wird damit erst die zweite sein, die nach der Einführung des Fünfjahreszyklus im Jahr 2008 über die volle Distanz laufen wird.

Teuerung, Klimaschutz, Sicherheit

Neben der hohen Inflationsrate, die in explodierenden Energiepreisen infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine ihren Ausgang genommen hatte, spielten in dieser Tagung auch der Klimaschutz, die Konjunkturlage, die Themen Pflege, Gesundheit und Bildung, der Bereich Integration sowie Sicherheitsfragen eine wesentliche Rolle. So strahlten der brutale Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober und die militärische Reaktion Israels im Gaza-Streifen auch auf Europa aus und beförderten nicht nur in Österreich antisemitische Vorfälle. Auch mutmaßliche Straftaten von Kindern und Jugendlichen sowie die nach wie vor hohe Zahl von Frauenmorden sorgten für viele Diskussionsstoff und wurden immer wieder mit den Themen Integration und Zuwanderung verknüpft. Zuletzt wurde verstärkt darüber debattiert, ob das österreichische Schulsystem für die kurzfristige Aufnahme vieler Flüchtlingskinder gerüstet ist. Weitere Themen im Fokus waren der in vielen Bereichen bestehende Fachkräftemangel und lange Wartezeiten auf Arzt- und OP-Termine.

Was Umweltschutzfragen und Energiepolitik betrifft, gab es auch innerhalb der Koalition immer wieder Differenzen. So konnten sich die Grünen mit ihrem Wunsch nach einem vollständigen Aus von Gas- und Ölheizungen auch in bestehenden Gebäuden nicht durchsetzen. Vergangenen Dezember zog EU-Ministerin Karoline Edtstadler den von Umweltministerin Leonore Gewessler bei der EU eingereichten Entwurf für einen Nationalen Energie- und Klimaplan zurück. Zuletzt stimmte Gewessler gegen den Widerstand ihres Koalitionspartners für die EU-Renaturierungsverordnung, die darauf abzielt, 20 % der EU-Fläche wieder in einen guten ökologischen Zustand zu bringen, um Europa resilienter gegen die Klimakrise zu machen und dem Artensterben entgegenzuwirken.

Dennoch wurden im Umweltbereich gemeinsam eine Reihe von Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht und zum Teil auch mit Unterstützung der Opposition beschlossen. Dazu zählen etwa ein Einbauverbot von Gasheizungen in Neubauten, eine deutliche Aufstockung der Fördermittel für die Umrüstung klimaschädlicher Heizungssysteme und für andere Klimaschutzmaßnahmen, Erleichterungen für die Errichtung von Photovoltaikanlagen sowie die Berücksichtigung von CO2-Emmissionen bei der Maut für den Schwerverkehr. Nach wie vor ausständig ist hingegen ein neues Klimaschutzgesetz mit verbindlichen Vorgaben für die Bundesländer und einzelne Sektoren.

Auf die Teuerung haben die Regierungsparteien unter anderem mit einer Mietpreisbremse für den regulierten Wohnungssektor, der Verlängerung der Stromkostenbremse und Sondermittel für Gemeinden reagiert, um diese dazu zu bewegen, Waser- und Müllgebühren nicht vollständig an die Inflation anzupassen. Außerdem wurde die Gewinnabschöpfung von Energiekonzernen erhöht und verlängert sowie ein Entlastungspaket für Landwirt:innen inklusive einer rückwirkenden Verlängerung der Agrardieselrückvergütung geschnürt. SPÖ und FPÖ kritisierten die gesetzten Maßnahmen allerdings als unzureichend und sprachen sich für weitergehende Schritte wie Mehrwertsteuersenkungen und Preiseingriffe aus. Ebenso sorgte der Umstand, dass auch an Unternehmen mit Gewinnen und gutverdienende Bevölkerungsgruppen Ausgleichszahlungen für hohe Energiekosten geflossen sind, zum Teil für Kritik. Auf wenig Resonanz in Österreich stießen hingegen die EU-weiten Bauernproteste.

Weiterhin hohes Budgetdefizit

In den letzten Wochen an Fahrt gewonnen hat die Diskussion über das Budgetdefizit, das nicht zuletzt aufgrund von Hilfs- und Konjunkturpaketen sowie einem expansiven Finanzausgleich auch heuer wieder – mit veranschlagten 20,85 Mrd. € – hoch ausfallen wird. So stellt der Bund den Ländern und Gemeinden unter anderem für Gesundheit, Pflege, Kindergärten, Klimaschutz, den Wohnbau und Infrastrukturmaßnahmen zusätzliche Mittel zur Verfügung. Auslöser für die neu aufflammende Budgetdebatte waren die Bewertung des österreichischen Budgetpfads durch die EU sowie die nochmalige Revision der Konjunkturprognose durch Wifo und IHS nach unten, welche das Defizit weiter zu vergrößern droht. Neben Expert:innen mahnt in diesem Sinn auch der Rechnungshof im Bundesrechnungsabschluss für 2023 Sparmaßnahmen ein.

Nur noch am Rande eine Rolle in der politischen Debatte spielte die Corona-Pandemie. Ganz war das Thema aber – auch aufgrund von Volksbegehren – nicht vom Tisch. So forderte die FPÖ wiederholt die Einrichtung eines Corona-Wiedergutmachungsfonds des Bundes und schloss aus dem Rückgang schwerer Krankheitsverläufe von mit COVID-19 infizierten Personen, dass auch die Corona-Maßnahmen der Vergangenheit wie Lockdowns und die Maskenpflicht über weite Strecken überflüssig gewesen seien. Zu Beginn der Tagungsperiode gab es überdies eine Diskussion über mangelnde Impfmöglichkeiten. Auch einzelne Gesetzesbeschlüsse wurden gefasst und etwa die kostenlose COVID-19-Impfung in Arztpraxen bis nunmehr März 2025 verlängert. Zuletzt hat der Nationalrat überdies die Auflösung der Covid-19-Finanzierungsagentur (COFAG) beschlossen.

Dutzende weitere Gesetzesbeschlüsse

Darüber hinaus wurden vom Nationalrat dutzende weitere Gesetzesbeschlüsse gefasst. Dazu gehören etwa das neue Informationsfreiheitsgesetz mit der Abschaffung des Amtsgeheimnisses, die Erleichterung von Sammelklagen durch ein neues Verbandsklagerecht, neue Regeln für die Elternkarenz, die Einführung einer neuen Rechtsform für Unternehmen zur Förderung von Start-ups sowie eine Modernisierung und teilweise Verkürzung der Lehrer:innenausbildung. Auch bei der vorwissenschaftlichen Arbeit für Maturant:innen wurden zuletzt Änderungen vorgenommen.

Weitere Beschlüsse hatten eine Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags, die Erweiterung der Spendenabsetzbarkeit, Maßnahmen zur Förderung ehrenamtlicher Arbeit, die Erhöhung des Pensionszuschlags für Personen, die über das Regelpensionsalter hinaus arbeiten, ein Förderpaket für die Chip-Produktion, die Neuregelung der Arbeitsfähigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit von Menschen mit Behinderung, die Umsetzung des Digital Services Act zur Eindämmung von Hass im Netz, die Vorschreibung einheitlicher Ladekabeln für Mobiltelefone und andere elektronische Geräte, eine umfassende Novellierung des Denkmalschutzgesetzes und Erleichterungen für Gemeinden bei der Verordnung von Tempo-30-Zonen zum Inhalt.

Im Justizbereich wurden u.a. strengere Strafen für den Besitz und die Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen von Kindern, die deutliche Erhöhung des Verteidigungskostenersatzes und die vollständige Rehabilitierung von Personen, die in der Zweiten Republik wegen gleichgeschlechtlicher Sexualkontakte strafrechtlich verfolgt bzw. verurteilt wurden, beschlossen. Auch eine umfassende Novellierung des Verbotsgesetzes, strengere Tierschutzregeln, eine bessere rechtliche Absicherung von Telearbeit, mehr Steuertransparenz für große Konzerne, Maßnahmen zur Attraktivierung der Miliz und viele weitere Maßnahmen wie die Einführung eines „Papamonats“ für Wehr- und Zivildiener, die Ausweitung des Bildungsbonus für arbeitslose Menschen, Vorkehrungen zur Erhöhung der Cybersicherheit, rechtliche Grundlagen für den Vollbetrieb des elektronischen Impfpasses und ein neues Tierarzneimittelgesetz wurden auf den Weg gebracht.

Darüber hinaus war das Hohe Haus auch im abgelaufenen Parlamentsjahr wieder Ort zahlreicher Veranstaltungen und internationaler Kontakte (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 813/2024)(Fortsetzung Tagungsbilanz) gs


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