Sima/Figl/Pipal-Leixner: Verkehrsberuhigte Innere Stadt – Der Datenschutz war nie in Gefahr!

Seit mehr als drei Jahren fordern Stadt Wien und 1. Bezirk die zuständige grüne Verkehrsministerin Leonore Gewessler auf, eine Rechtsgrundlage zu schaffen, damit Wien und zahlreiche andere Städte in Österreich endlich das umsetzen können, was in anderen europäischen Ländern bereits längst Usus ist: die Möglichkeit einer Verkehrsberuhigung samt effektiver Kontrolle durch fotokamerabasierte Zufahrtskontrollen. Doch auf die entsprechende Bestimmung in der StVO warten Österreichs Städte bisher vergeblich – die Ministerin blockiert und führt dabei Datenschutzbedenken ins Feld, die jedoch längst ausgeräumt wurden.

Denn: Es ist auf den Tag genau 2 Jahre her, dass Städtebund und Klimaschutzministerium ihr gemeinsam (!) beauftragtes Datenschutzgutachten zur verkehrsberuhigten Inneren Stadt präsentiert haben. Das eindeutige Fazit der renommierten Experten Mag. iur. Dr. iur. Nikolaus Forgó, Universitätsprofessor an der Universität Wien, und Mag. iur. Dr. iur Žiga Škorjanc, Geschäftsführer der lexICT GmbH: Eine verkehrsberuhigte Innere Stadt auf Basis einer fotokamerabasierten Zufahrtskontrolle, so wie von Stadt Wien und 1. Bezirk vorgesehen, ist datenschutzrechtlich unbedenklich, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Ein konkreter Vorschlag für einen Gesetzesentwurf, der alle Bedingungen erfüllt, wurde im Rahmen des Gutachtens bereits vor 2 Jahren mit vorgelegt. „Zentral ist, dass im Gesetz klar geregt wird, dass lediglich Fotos von Kennzeichen und allenfalls vom Fahrzeuglenker verwendet werden dürfen. Sollte es vorkommen, dass ein Passant oder ein anderes Kennzeichen zufällig auf einem Foto erfasst wird, so ist diese Person bzw. das Kennzeichen SOFORT unkenntlich zu machen. Es dürfen nur die Daten des Fahrzeuglenkers und diese ausschließlich zum Zweck der straßenpolizeilichen Kontrolle durch die Straßenpolizei verwendet werden. Alles andere wäre rechtswidrig“, stellt Forgo klar.

Mobilitätstadträtin Ulli Sima lässt daher die von Ministerin Gewessler ins Feld geführten Datenschutzbedenken nicht gelten: „Wir legen heute erneut den detaillierten Gesetzesentwurf der Rechtsgutachter vor, mit dem sich das größte Verkehrsberuhigungsprojekt Österreichs sofort umsetzen ließe! Alles, was seitens der grünen Ministerin an Argumenten vorgebracht wurde, hatte nur den Zeck, dieses Projekt zu verzögern. Demonstrant*innen dürfen nicht fotografiert werden, das ist im vorliegenden Vorschlag klar geregelt! Die Kameras aus Datenschutzgrünen bei jeder Demonstration im 1. Bezirk zu verhängen oder abzuschalten, ist daher nicht notwendig und bei rund 1.800 angemeldeten Demos im Jahr auch nicht praxistauglich!“, kritisiert Sima den Vorschlag des Verkehrsministeriums für einen Gesetzesvorschlag. „Ich kann es nur immer wieder betonen: Es geht um keine 24-hVideo-Überwachung des öffentlichen Raums, sondern um Fotokameras, die Fotos von Kennzeichen machen und diese bei legaler Einfahrt in den 1. Bezirk sofort wieder löschen! Solche Systeme sind in anderen EU-Städten längst im Einsatz – wir betreten hier kein Neuland“, so Sima.

Über 15.000 Einfahrten pro Tag weniger

Durch das Projekt der verkehrsberuhigten Inneren Stadt könnte der Verkehr im ersten Bezirk massiv reduziert werden, mit bis zu einem Drittel weniger Einfahrten und einem Viertel weniger Stellplatzauslastung. Der dadurch freiwerdende Raum könnte für Begrünungsmaßnahmen, Radwege und attraktive Aufenthaltsflächen genutzt werden. Mit dem Verkehrsberuhigungsprojekt ließen sich 15.700 Einfahrten in den 1. Bezirk pro Tag verhindern, 4. Mio. Einfahrten im Jahr. Das Modell für Wien sieht vor, dass Zufahren in die Innere Stadt künftig nur noch für Bezirksbewohner*innen, Nutzer*innen öffentlicher Garagen, Wirtschaftstreibende inklusiver öffentlicher Dienste wie der Müllabfuhr, für Einsatzfahrzeuge und Taxis erlaubt sein sollen. Eine kamerabasierte Kontrolle ist jedoch Voraussetzung, um die Zufahrten zum Bezirk effektiv kontrollieren zu können und zwischen legalen und illegalen Einfahrten zu unterscheiden.

Der Bezirksvorsteher der Inneren Stadt Markus Figl betont: „Der Bezirk arbeitet seit 2018 mit einem breiten politischen Konsens an der Umsetzung der Verkehrsberuhigung. Wir fordern Frau Bundesministerin Gewessler erneut dazu auf, die Einführung dieses wichtigen verkehrs- und klimapolitischen Projekts in der Inneren Stadt endlich zu ermöglichen. Eine von Bezirk und Stadt Wien beauftragte Machbarkeits- und Umsetzungsstudie hat die technischen, organisatorischen und rechtlichen Voraussetzungen sowie die Wirkungsfolgen untersucht und die Umsetzbarkeit bestätigt. Das seit zwei Jahren vorliegende Datenschutzgutachten bestätigt, dass das Vorhaben der Verkehrsberuhigung datenschutzrechtlich unbedenklich ist, sofern bestimmte Bedingungen berücksichtigt werden. Der Lösungsvorschlag liegt also seit zwei Jahren auf dem Tisch!“

„Eine verkehrsberuhigte Innere Stadt ist ein Gewinn für Bewohner*innen und Besucher*innen, für Geschäftsleute und Gastronom*innen. Wo Menschen sicher und entspannt zu Fuß und mit dem Fahrrad unterwegs sein können, halten sie sich gerne auf. Weniger Autos im öffentlichen Raum lassen die Stadt aufatmen und schaffen Platz für Entsiegelung und Begrünung. Wir ersuchen die Bundesministerin daher wieder, ihren Part nun endlich zu erledigen und eine praxistaugliche Rechtsgrundlage zu schaffen, damit wir bald mit der Umsetzung starten können. Punkto Datenschutz ist alles schon geprüft, wie auch das vorliegende Rechtsgutachten untermauert,“ betont NEOS Wien Mobilitätssprecherin Angelika Pipal-Leixner.

Rechtsexperten liefern Gesetzesentwurf mit klaren definierten Bedingungen

Das Datenschutzgutachten, das vor 2 Jahren vorgelegt wurde, kommt zu dem Schluss: Wenn Städte bestimmte Bereiche verkehrsberuhigen wollen, mit dem Ziel für mehr Verkehrssicherheit zu sorgen und Bevölkerung und Umwelt zu schützen, dann ist der Einsatz bildverarbeitender Technik grundsätzlich dazu geeignet und auch verhältnismäßig. Wichtig ist, dass in der Gesetzesgrundlage die Anwendungen und Bedingungen genau definiert sind.

Zu diesen Bedingungen gehören:

  • Die Erhebung personenbezogener Daten ist auf das notwendige Maß zu beschränken: Im Fall der verkehrsberuhigten Inneren Stadt bedeutet das: Fotos der Kennzeichen werden nur angefertigt, wenn Kraftfahrzeuge ein- bzw. ausfahren. Die Aufnahme wird bei legaler Einfahrt (White-List) sofort nach dem Abgleich gelöscht bzw. umgehend dann, wenn das Fahrzeug die Innere Stadt innerhalb von 30 Minuten wieder verlässt oder eine Parkgarage aufsucht.
  • Nur im Falle einer illegalen Einfahrt (kein hinterlegtes Kennzeichen, Aufenthalt länger als 30 Minuten, ohne eine Parkgarage aufzusuchen) werden die Daten nicht umgehend gelöscht, sondern das Foto des Kennzeichens zur Identifizierung des Fahrzeuglenkers zum Zweck eines Verwaltungsstrafverfahrens herangezogen.
  • Allenfalls darf ein Bild des Fahrzeuglenkers darüber hinaus zum Zweck der eindeutigen Identifizierung und eines anschließenden Verwaltungsstrafverfahrens genutzt werden (in Deutschland etwa ist ein solches Voraussetzung für ein Verwaltungsstrafverfahren).
  • Sollte aus technischen Gründen eine andere Person (Beifahrer, Passant, anderes KFZ-Kennzeichen) zufällig auf einem Foto erkennbar sein, ist diese unverzüglich zu löschen bzw. unkenntlich zu machen (verpixeln).

Im Entwurf für eine Gesetzesgrundlage heißt es im Gutachten dazu:

  • Die Ermittlung von Daten hat sich auf die Erfassung von Fahrzeuglenkern, Kennzeichen, Ort und Zeit der Straßenbenützung zu beschränken. Daten, die keine Fälle von Verstößen betreffen, sind unverzüglich und in nicht rückführbarer Weise zu löschen.
  • Wird ein Verstoß gegen eine angeführte straßenpolizeiliche Vorschrift festgestellt, dürfen über den Zeitpunkt der Feststellung dieses Verstoßes (einschließlich Verdachtsfälle) hinaus ausschließlich die Daten verwendet werden, die zur Identifizierung des Fahrzeuges oder des Fahrzeuglenkers erforderlich sind, und zwar ausschließlich für Zwecke eines Verwaltungsstrafverfahrens wegen des festgestellten Verstoßes.
  • Soweit die bildgebende Erfassung von Personen außer dem Fahrzeuglenker technisch nicht ausgeschlossen werden kann, sind diese Personen ohne unnötigen Verzug in nicht rückführbarer Weise unkenntlich zu machen. Dasselbe gilt für Kennzeichen von anderen Fahrzeugen.

Außerdem ist im Gesetzentwurf der Gutachter klar geregt:

  • Der Bereich, der mittels Kameras kontrolliert werden soll, muss ganz klar definiert werden, wie im Falle von Wien der Bereich innerhalb des Rings. Dieser Bereich muss zudem mit Hinweisschildern und Bodenmarkierungen deutlich erkennbar sein.
  • Es muss zudem genau definiert werden, wer Zugriff auf die erhobenen Daten haben wird, das ist im Fall von Wien die Verkehrspolizei.
  • Auch der Zweck der Datenverarbeitung muss klar definiert sein, er liegt in der „Überwachung zur Einhaltung straßenpolizeilicher Vorschriften“. Daraus ergibt sich, dass die erhobenen Daten auch nur zu diesem Zweck verwendet werden dürfen – und nicht etwa, um andere vermeintliche Straftaten zu ahnden.

Historische Chance nutzen!

Der Vorsitzende des Mobilitätsausschusses, Gemeinderat Erich Valentin betont: „SPÖ und NEOS haben mittlerweile 21 Anträge im Gemeinderat eingebracht, mit denen wir die Ministerin immer wieder auffordern, die historische Chance zu nutzen und noch in dieser Legislaturperiode eine StVO-Novelle zu verabschieden, die eine brauchbare Regelung für fotokamerabasierte Zufahrtskontrollen ermöglicht. Ministerin Gewessler scheint die Städte vergessen zu haben. Einige weitere Beispiele: Offen sind unter anderem gesetzliche Neuregelungen bezüglich sogenannter kennzeichenloser E-Mopeds, die noch immer Fahrrädern gleichgestellt sind und Radfahrer*innen und Fußgänger*innen auf Radwegen gefährden und jene ‚Touristen-Oldtimer‘, die elektrisch oft bis zu 12 Touristen mit 10Km/h durch den Wiener Straßenverkehr fahren und dabei –  ohne Führerschein, ab 16 Jahren – Sightseeing-Vorträge halten!“, ist Valentin empört.

Das bringt die verkehrsberuhigte Innere Stadt:

  • 15.700 weniger Einfahren am Tag:
  • Aktuell fahren täglich rund 53.000 KFZ in den 1. Bezirk ein. Die Machbarkeitsstudie der Firma Traffix geht davon aus, dass das Zufahrtsmanagement mit kamerabasierter Kontrolle zu einer spürbaren Verkehrsentlastung in der Inneren Stadt führen wird: Die Einfahrten in den 1. Bezirk werden sich künftig pro Tag um fast ein Drittel verringern, die Studie geht von rund 15.700 Einfahrten weniger aus – das bringt eine deutliche Entlastung für Anrainer*innen, ansässige Betriebe und Fußgänger*innen.
  • Ein Vielfaches an weniger gefahrenen Kilometern durch Entfall des Parkplatzsuchverkehrs.
  • 23 Prozent weniger Stellplatzauslastung: Fast ein Viertel der Parkplätze an der Oberfläche bleibt künftig frei! Das schafft deutlich mehr Platz für Begrünungsmaßnahmen, Rad- und Fußwege, neue Aufenthaltsangebote im Herzen der Stadt.  Diese Maßnahmen sollen zeitgleich mit der Verkehrsberuhigung in Angriff genommen werden.
  • Weniger Zufahrtsmöglichkeiten: Aktuell gibt es 34 Zufahrtsmöglichkeiten in den ersten Bezirk. Diese werden auf 26 reduziert, was einer Reduktion von rund einem Viertel der Zufahrtsmöglichkeiten entspricht.

Das Datenschutzgutachten findet sich hier zum Download:

2022_GA_auto._ZZM_v16_final_N https://www.staedtebund.gv.at/fileadmin/USERDATA/Service/publikationen/Studien/2022_GA_auto._ZZM_v16_final_NF.pdfF.pdf (staedtebund.gv.at)

rk-Fotoservice: www.wien.gv.at/presse/bilder

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