Die Sprachen der Volksgruppen in Österreich sollten nicht nur erhalten, sondern auch weiterentwickelt und als Schatz begriffen werden, sagte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka heute bei der „Dialogplattform autochthoner Volksgruppen im Parlament“. Bei einem Besuch der Komenský-Schule habe es ihn besonders fasziniert mitzuerleben, wie Schülerinnen und Schüler in fließender Form zwischen zwei Sprachen wechseln konnten. Dieser Spracherhalt müsse gepflegt werden, betonte Sobotka. Bereits zum dritten Mal kamen heute im Parlament im Rahmen einer Dialogplattform Vertreterinnen und Vertreter aller Parlamentsfraktionen sowie die Vorsitzenden der Volksgruppenbeiräte im Bundeskanzleramt zusammen, um sich zu volksgruppenrelevanten Themen auszutauschen.
Bildung als Wurzel für den Erhalt kultureller Vielfalt
Wie schon in den vergangenen Jahren, stand auch bei der heutigen Zusammenkunft das Thema Bildung im Fokus. Dies sei kein Zufall, da Bildung eine Wurzel für den Erhalt kultureller Vielfalt sei, sagte Parlamentsdirektor Harald Dossi und lud zu einem Ausblick auf das kommende Jubiläumsjahr ein. Das Jahr 2025 werde drei geschichtliche Ereignisse vereinen, die in einer großen historischen Zusammenschau gemeinsam betrachtet werden können: Der 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges, 70 Jahre Staatsvertrag sowie 30 Jahre Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Somit werde das Jahr 2025 Anlass geben, Initiativen und Veranstaltungen auch aus dem Blickwinkel der autochthonen Volksgruppen in Österreich zu betrachten.
Wieder steigendes Interesse an Minderheitensprachen
Der Rückgang an Sprecherinnen und Sprechern der Minderheitensprachen in Österreich sei besorgniserregend, sagte Sprachwissenschafterin Brigitta Busch (Universität Wien und Universität Stellenbosch) in ihren einleitenden Worten. Es sei jedoch derzeit ein steigendes Interesse an der Wiederaneignung von Volksgruppensprachen zu beobachten, sagte Busch. In den letzten Jahren seien von verschiedenen Seiten Initiativen gesetzt worden, um das Sprachangebot zu verbreitern. Der mehrsprachigen Elementarpädagogik komme dabei ein hoher Stellenwert zu. Wichtig sei es, bestehende Initiativen langfristig abzusichern, so Busch.
Über „Zwei- und mehrsprachige Betreuung im elementarpädagogischen Bereich am Beispiel Kärntens“ berichteten Nadja Kramer (ARGE privater zwei- und mehrsprachiger Kindergärten) und Bernard Sadovnik (Bürgermeister der Gemeinde Globasnitz/Globasnica & Vorsitzender der Gemeinschaft der Kärntner Slowenen und Sloweninnen). Slowenisch als Umgangssprache sei in Kärnten nur noch vereinzelt in Verwendung, viele Eltern, denen es selbst verwehrt worden sei in Bildungseinrichtungen die Sprachen ihrer Volksgruppe zu erlernen, wollen diese Möglichkeit jedoch nun ihren eigenen Kindern zurückgeben, sagte Bernard Sadovnik. Es sei entscheidend, dass Kinder die Sprache ihrer Großeltern wiedererlangen können – sonst werde in den nächsten Jahrzehnten Slowenisch als Umgangssprache in Kärnten verschwinden. Es brauche daher klare gesetzliche Rahmenbedingungen, um die Förderung der Volksgruppensprachen im Elementarbildungsbereich sicherzustellen. Notwendig seien dafür auch gut ausgebildete pädagogische Fachkräfte für die Sprachförderung der Volksgruppensprache, die vom Bund finanziert werden sollten, sagte Sadovnik.
Karl Hanzl, Obmann des Schulvereins Komenský und Vorsitzender im Volksgruppenbeirat sprach zum Thema „Durchgehende Bildungsangebote aller autochthonen Volksgruppensprachen in Wien, aufbauend am Beispiel der Komenský -Schule“. Der Schulverein Komenský umfasst private bilinguale Schuleinrichtungen mit Öffentlichkeitsrecht. In Tschechisch oder Slowakisch und Deutsch betreut und unterrichtet werden Kinder und Jugendliche im Alter von zwei bis 18 Jahren. Hanzl betonte, dass sich das Angebot des Schulvereins Komenský ständig weiterentwickelt habe. Das allerwichtigste Kapital sei dabei stets das Vertrauen der Eltern und Schülerinnen und Schüler gewesen.
Vorsitzende der Volksgruppenbeiräte teilen Wunsch nach Weiterentwicklung der Volksgruppenrechte
Die Vertreter:innen der sechs autochthonen Volksgruppen Österreichs (Tschech:innen, Slowak:innen, Kroat:innen, Ungar:innen, Slowen:innen, Roma und Sinti) zeigten sich großteils erfreut darüber, dass ihnen und ihren Anliegen im Parlament Gehör geschenkt wird. Dies sei nicht immer so gewesen wie etwa der Beiratsvorsitzende der ungarischen Volksgruppe betonte. Der Vertreter der tschechischen Volkgruppe drückte seine Hoffnung aus, dass die seit drei Jahren stattfindende Dialogplattform auch über die kommenden Wahlen hinaus Bestand haben werde.
Hinsichtlich des Bildungssystems orteten die Beiratsvorsitzenden aller Volksgruppen deutlichen Handlungsbedarf. Die Bindung der Volksgruppenrechte an die traditionellen Siedlungsgebiete sei eine Regelung „aus der Monarchie“, die nicht mehr den heutigen Bedürfnissen nach Mobilität entspreche, wie etwa der Vertreter der Kroati:innen ausführte. Das Verständnis als Volksgruppe müsse über alle Bundesländer reichen, unterstrich der slowakische Beiratsvorsitzende. Seitens der slowenischen Volksgruppe wurden dafür die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen eingefordert, damit die Volksgruppen bestehen bleiben können. Insbesondere im elementarpädagogischen Bereich sei in den letzten 30 Jahren wenig passiert und daher eine „ernüchternde Bilanz“ zu ziehen.
Parlamentsfraktionen nehmen Forderungen der Volksgruppen auf
Nikolaus Berlakovich (ÖVP) erklärte, dass seine Fraktion immer das Konzept vertreten habe, dass die Volksgruppensprachen „vom Kindergarten bis zur Universität“ durchgehend angeboten werden müssten. Vor allem im elementarpädagogischen Bereich sei dessen Umsetzung jedoch eine „Knochenarbeit“. Die Volksgruppenpolitik bedeute generell das „Bohren harter Bretter“, verwies Berlakovich auf den Kärntner Ortstafelkonflikt. Umso mehr dankte er den Volksgruppenvertreter:inner ihr Bemühen um Fortschritte und plädierte für Lösungen in der Bildungsfrage, „spätestens in der nächsten Legislaturperiode“.
Seitens der SPÖ strich Christian Drobits die Bedeutung der Vielfalt und der unterschiedlichen Sprachen hervor. Es müsse gelingen, diese Vielfalt als „soziale und kulturelle Bereicherung“ auch für die nächsten Generationen zu sichern. Dafür sei es notwendig, die volkgruppenspezifischen Bildungsangebote von den traditionellen Siedlungsgebieten zu entkoppelt, stimmte Drobits der Forderung der der Volksgruppenverterter:innen zu.
FPÖ-Bundesrätin Isabella Theuermann drückte ihre Wertschätzung für die Volksgruppenverteter:innen aus, die sich um den Erhalt ihrer Sprachen, als „Herzstück jeder Kultur“ verdient gemacht hätten. In Österreich genossen die Volksgruppen eine rechtliche Stellung, von der in anderen Ländern „nur geträumt“ werden können. Theuermann sah Österreich in dieser Hinsicht als vorbildlich für ganz Europa an. Generell solle Österreich verstärkt als „Brückenbauer“ auftreten, plädierte sie.
Von der Elementarpädagogik bis zur Pädagog:innenausbildung müsse ein volksgruppenspezifisches Angebot sichergestellt werden, sagte Eva Blimlinger von den Grünen. Sie sprach sich für eine „Entländerung“ der diesbezüglichen gesetzlichen Rahmenbedingungen aus, die bundeseinheitlich geregelt werden müssten. Zudem sei es im Sinne der Identitätswahrung der Volksgruppen wichtig, nicht nur deren historisches kulturelles Erbe zu fördern, sondern auch das zeitgenössische künstlerische Leben, konstatierte Blimlinger.
NEOS-Mandatar Michael Bernhard sprach sich für eine Anpassung des Privatschulgesetzes aus, um den Bedürfnissen der Volksgruppen besser nachkommen zu können. Auch er bemängelte die Bindung der Volksgruppenrechte an die Siedlungsgebiete, da kein Mensch in seinen Regionen „eingesperrt“ werden sollte. Generell kritisierte Bernhard, dass die Politik gegenüber den Volksgruppen gerne „freundliche Nasenlöcher“ mache, ohne dass wirkliche Fortschritte folgten. Er sah die Dialogplattform jedoch als wichtigen Schritt, der eine Weiterdenken ermöglichen könne. (Schluss) bea/wit
HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie im Webportal des Parlaments.
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