Die Reihe der Fraktionserklärungen beim Wirtschaftsparlament am 27. Juni 2024 eröffnete Detlev Neudeck von der Fachliste gewerbliche Wirtschaft. Er sieht den Teamgeist der österreichischen Fußballnationalmannschaft als beispielhaft für die Politik. Die politische „Ausgrenzung der rechten Seite“ hält er für verfehlt, denn „wer nicht mitspielt, kann sich nicht blamieren“. Kritik übte Neudeck an „Eigentoren“ der Grünen bei Lobtautunnel, Renaturierungsgesetz und überdimensionierten Wiener Radwegen. Der Beitrag Österreichs gegen den Klimawandel sei vernachlässigbar: „Wir sanieren mit der Nachhaltigkeitsdebatte in der EU nicht das Klima, sondern ruinieren nachhaltig die Wirtschaft. Wenn wir Russland das Gas nicht abkaufen, wird es woanders hin exportiert oder ohne Wertschöpfung abgefackelt.“ Die gesetzliche Mitgliedschaft – oder „Zwangsmitgliedschaft“, wie sie Kritikern nennen – sei für kleine und mittlere Betriebe wichtiger als für die Industrie. Die Wirtschaftskammer habe „viel eingespart“, bei der Finanzierung via Kammerumlage 2 hätte Neudeck Änderungswünsche. Einmal mehr bekräftigte er die Forderung, das Wahlrecht „zeitgemäß“ zu reformieren.
Sabine Jungwirth von der Grünen Wirtschaft freute sich, dass der Ausbildungsberuf ‚vegetarische Kulinarik‘ einen weiteren Schritt zur Umsetzung nehmen konnte. Eine diesbezügliche Verordnung sei heute vorgelegt worden. Zudem sprach sich Jungwirth für „einen Standort Österreich mit einer Wirtschaft aus, die dem Menschen in einem intakten Lebensraum dient“. Um das zu erreichen, plädierte sie für mehr Engagement für Umwelt- und Klimaschutz. Handlungsbedarf ortete sie diesbezüglich bei der WKÖ. So kritisierte sie die Diskrepanz zwischen Selbstbild und Fremdbild der WKÖ im Bereich Klima- und Umweltschutz. Studien und Medienberichte attestierten hier ein zu großes Interesse an der Erhaltung des Status quo. „Fakt ist, dass die WKÖ hier als in der ersten Reihe stehend beim Verwässern und Verhindern wahrgenommen wird. Das schmerzt“, so Jungwirth. Wenn das positive Selbstbild ernst genommen werden sollte, brauche es eine 180-Grad-Wende. Dafür wünschte sie dem Nachhaltigkeitsbeauftragen der WKÖ viel Erfolg.
Matthias Krenn von der Freiheitlichen Wirtschaft lieferte bezüglich der Klimapolitik einen anderen Befund ab. „Die Klimaziele und der Green Deal tragen in wesentlichen Bereichen zu diesem Bauchfleck bei, den wir derzeit erleben“, so Krenn. Die Deindustrialisierung Europas sei mittlerweile Faktum. „Und Österreich ist durch seine Zulieferindustrie mittendrin“, so Krenn. Er ortet aber auch viele innerösterreichische Probleme: „Die Regierung hat dazu beigetragen, dass mit einer überwiegend hausgemachten Inflation die Lohn-Preis-Spirale in Schwung gebracht wird. Die Zeche zahlen die Unternehmen: Wir haben die höchsten Lohnabschlüsse und sind in vielen Bereichen nicht mehr wettbewerbsfähig.“ Die Folge seien Abbau von Arbeitsplätzen sowie Betriebsschließungen und Produktionsverlagerungen. Krenn forderte eine Generalsanierung: „Man darf gespannt sein, wohin die Reise der nächsten Regierung geht.“ Er plädiert für den „Mut, die Steuer- und Abgabenquote auf unter 40 Prozent zu senken, Leistung wieder zu honorieren, die Lohnnebenkosten zu senken und Bürokratie zu reduzieren“.
Christoph Matznetter vom Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband (SWV) betonte, dass Österreich bei der „Zeugnisvergabe“ für Wachstum und Inflation unter den Schlusslichtern Europas sei. Die Regierung müsste in dieser Situation durch öffentliche Nachfrage ausgleichend wirken, zugleich habe die EU-Kommission Österreich aber aufgetragen, das Budget erheblich zu sanieren. Die dringend nötige Entlastung der Betriebe bei den Lohnnebenkosten sei ohne Gegenfinanzierung nicht möglich; Matznetter sprach sich für eine breitere Steuerbasis und eine Adaptierung der Kammerumlage 2 aus. Angriffe auf die Wirtschaftskammer und ihre wichtige Funktion des Interessenausgleichs sieht Matznetter als „populistisch und demokratiefeindlich“. Abseits ideologischer Positionen brauche es geeignete Lösungen, um die Energiewende zu schaffen und aus der Abhängigkeit in Sachen Primärenergie zu finden. Österreich als exportorientierte Volkswirtschaft habe größtes Interesse an offenen Weltmärkten und müsse sich besonders gegen Protektionismus und Zollschranken stark machen.
Laut Sigi Menz von der Liste Industrie steht Österreichs Wohlfahrtstaat das Wasser zwar nicht bis zum Hals, allerdings werde Wachstum benötigt. Obwohl die Bevölkerung wächst, stagniert das Arbeitsvolumen. Handlungsbedarf ortet Menz beim Steuersystem. „Wir müssen eine offene und ehrliche Diskussion über die derzeitige Begünstigung von Teilzeitarbeit im Steuer- und Abgabensystem führen.“ Damit sich Leistung wieder mehr lohnt, braucht es eine Abflachung der Progression bei der Einkommensteuer, eine Reform der Negativsteuer, Steuerbefreiung für Überstunden zur Gänze, Bonus bei Umstieg von Teilzeit auf Vollzeit sowie eine Senkung der Lohnnebenkosten. Nach der Rezession im Vorjahr wird Österreichs Wirtschaft 2024 abermals stagnieren. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, seien die Senkung der Arbeitskosten, Abbau der Bürokratie, Maßnahmen zur Linderung des Fachkräftemangels und vor allem eine stabile, sichere und leistbare Energieversorgung nötig. Das BMK sei aufgefordert, „umgehend und rasch Lösungsvorschläge zu unterbreiten“, sollte ab nächstem Jahr kein russisches Gas mehr nach Österreich kommen.
Die UNOS waren krankheitsbedingt nicht im Wirtschaftsparlament vertreten, der Österreichische Wirtschaftsbund verzichtete auf eine eigene Fraktionserklärung. Stattdessen ging WKÖ-Präsident Harald Mahrer auf die vorangegangenen Wortmeldungen ein und wies dabei vor allem Vorwürfe in Sachen Klimapolitik der WKÖ scharf zurück. (PWK255/HSP/DFS/ST)
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