Wien startet Projekt-Call für zeitgemäße Formen des Erinnerns im Gedenken an Heidemarie Uhl

Gedenk- und Erinnerungskultur nimmt einen großen Stellenwert im Selbstverständnis der Stadt Wien ein, denn in der Art, wie Vergangenheit reflektiert wird, spiegelt und formt sich das Selbst- und Weltbild einer Gesellschaft. Eine Stadtgesellschaft, die zunehmend diverser wird, muss sich immer wieder ihrer Identität und ihrer Herkunft vergewissern, dazu ist eine aktive Erinnerungskultur notwendig. Gegenwärtig steht diese vor Herausforderungen, zu denen etwa der Verlust von Zeitzeug*innenschaft und damit von moralischen Instanzen in der Erinnerung des Nationalsozialismus zählt.

Da die Verankerung eines kritischen Geschichtsbewusstseins in allen Teilen der Bevölkerung und Generationen so immens wichtig ist, wurden in der Wiener Kulturstrategie 2030 dahingehend verschiedene Zielsetzungen formuliert. Etwa benötigt es neue Ansätze in der Geschichtsvermittlung sowie in der Herstellung eines Verständnisses für die Relevanz des Vergangenen. Um zu einem breiteren Angebot gedenkkultureller Vermittlung und zu neuen Anstößen in der zeitgemäßen Erinnerungsarbeit zur Wiener Stadtgeschichte im 20. Jahrhundert, mit ihrem tief verwurzelten und in die Shoah mündenden Antisemitismus, zu kommen, wird vom Wissenschaftsreferat der Kulturabteilung der Stadt Wien (MA 7) ein Projekt-Call ausgeschrieben: “Geschichte(n) Wiens: Projekt-Call für zeitgemäße Formen des Erinnerns. Eine Initiative der Stadt Wien zum Republikjubiläumsjahr 2025 (1945/55/95). In Erinnerung an Heidemarie Uhl”. Denn gerade einer jungen Generation von Wiener*innen mit unterschiedlichsten Migrationsbiografien gilt es, dieses Thema anschaulich zu vermitteln.

Ludwig: Neue Impulse für die Gedenkkultur

“Wien ist eine moderne und wachsende Metropole, aber um ihre Gegenwart zu verstehen und ihre Zukunft zu denken, braucht es die Reflexion des Vergangenen, insbesondere der Entwicklungen Wiens im 20. Jahrhunderts und jener Momente, die Frieden und Demokratie ins Wanken brachten”, so Wiens Bürgermeister Michael Ludwig. “Ich freue mich, dass mit diesem Projekt-Call neue Impulse in die Gedenkkultur gelangen, denn es ist unsere Verpflichtung als Gesellschaft, auch für die kommenden Generationen die Erinnerung an begangenes Unrecht, an dunkle Momente unserer Geschichte zu bewahren.”

Kaup-Hasler: Transfer ins Heute macht Relevanz von Geschichte sichtbar

“Erinnerung steht niemals still und jede Generation stellt neue Fragen an die Geschichte”, ergänzt Wiens Stadträtin für Kultur und Wissenschaft, Veronica Kaup-Hasler. “Um eine diverse Stadtgesellschaft und junge Generationen anzusprechen, gilt es neue, zeitgemäße Formen des kollektiven Gedächtnisses zu entwickeln und zu erproben, sowie Gemeinsamkeiten in den vielschichtigen Erinnerungen der Wiener Bevölkerung zu finden. Gelingt der Transfer von Geschichte ins Heute, so wird die Relevanz von Errungenschaften der Demokratie oder des Kampfes gegen Antisemitismus und den NS-Totalitarismus nicht nur sichtbar, sondern zum gemeinschaftlichen Wert”, unterstreicht Kaup-Hasler die Wichtigkeit des Projekt-Calls.

Kranebitter: In zeitgemäßen Formaten gemeinsam erinnern

Kriegsende, Gründung der Zweiten Republik und EU-Beitritt sind nicht nur historische Eckdaten, sie sind auch heute noch prägend für das Selbstverständnis Österreichs. Gedenken dient also nicht nur dazu, an Daten und Taten zu erinnern, sondern auch an gemeinsame Ziele und Träume, betont Andreas Kranebitter, wissenschaftlicher Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW) und Mitglied des Beirats für Projekteinreichungen. “Angesichts des erstarkenden Autoritarismus wird das umso wichtiger. Gleichzeitig müssen sich in einer wandelnden Gesellschaft auch die Formen des Gedenkens erneuern und um bislang ungehörte Stimmen bereichert werden. Initiativen wie “Geschichte(n) Wiens” sollen daher einen partizipativen Prozess ermöglichen, um in zeitgemäßen Formaten gemeinsam zu gedenken”, so Kranebitter weiter.

Ziele des Projekt-Calls

Der Projekt-Call “Geschichte(n) Wiens” soll das Gemeinsame und Verbindende in den vielschichtigen kollektiven Erinnerungen zu prägenden Momenten und gesellschaftlichen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts herausarbeiten. Im Jubiläumsjahr bieten beispielsweise die wichtigen Zäsuren der Demokratie- und Republikgeschichte wie Kriegsende, Staatsvertrag und EU-Beitritt entsprechende Referenzpunkte. Gemeinsame
Bezüge, die über ethnische Zugehörigkeit hinausgehen, sollen eine Lücke in der Erinnerungskultur Wiens schließen. Gefragt sind auch Projekte, die womöglich bisher verborgen gebliebene Erzählungen einer seit jeher durch Migration geprägten Stadtgesellschaft sichtbar machen.

Gesucht sind wissenschaftsbasierte Projekte sowie Dialog- und Vermittlungsformate für eine breite Öffentlichkeit, insbesondere in jenen Wiener Stadtteilen, die stark wachsen und von Zuzug geprägt sind. Damit soll ein wesentlicher Beitrag zur langfristigen Festigung eines faktenbasierten und kritischen Geschichtsbewusstseins in allen Teilen der Wiener Bevölkerung geleistet werden.

Der Gesamtumfang des Calls beträgt 800.000 Euro (Dimension der Einzelvorhaben: max. 150.000 Euro), ausgeschlossen sind bauliche Maßnahmen, Gedenktafeln, Mahnmäler und dergleichen sowie Projekte, die eine Anschlussfinanzierung bedingen. Ab Ende Juni kann bis zum 31. Oktober über ein Online-Formular eingereicht werden, die Begutachtung folgt über einen unabhängigen Beirat. Der Projektbeginn soll zwischen April und Mai 2025 liegen, die Laufzeit beträgt sechs bis achtzehn Monate.  

Mehr Informationen:
https://www.wien.gv.at/amtshelfer/kultur/projekte/subventionen/projektausschreibung-2024-formen-des-erinnerns.html 

Bildmaterial:
https://presse.wien.gv.at/bilder

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