Kontroverse um EU-Renaturierungsgesetz prägt aktuelle Aussprache im Landwirtschaftsausschuss

Der Landwirtschaftsausschuss begann seine heutige Sitzung, die voraussichtlich letzte der Legislaturperiode, mit einer Aussprache mit Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig über aktuelle Fragen. Das am Montag in Brüssel beschlossene EU-Renaturierungsgesetz zog sich dabei als roter Faden durch die Diskussion. Landwirtschaftsminister Totschnig bekräftigte seine Position, dass die EU-Vorgaben eine weitere Ebene der Bürokratisierung erwarten lassen. Seiner Auffassung nach würden neue, starre EU-Vorgaben die österreichischen Bemühungen zu einer naturnahen Land- und Forstwirtschaft eher hemmen als fördern.

FPÖ scheitert mit Antrag auf Herbeischaffung von Bundesministerin Gewessler

Zu Beginn der Sitzung forderten die Freiheitlichen eine Debatte zur Geschäftsordnung. FPÖ-Abgeordneter Peter Schmiedlechner sagte, seine Fraktion erwarte, dass neben Landwirtschaftsminister Totschnig auch Klimaschutzministerin Leonore Gewessler den Abgeordneten im Ausschuss Rede und Antwort stehe. Ihr Abstimmungsverhalten zum EU-Renaturierungsgesetz habe nicht nur einen klaren Verfassungsbruch dargestellt, die Bundesministerin habe sich damit auch gegen die Interessen der Land- und Forstwirtschaft in Österreich gestellt. Da sie nicht freiwillig in den Landwirtschaftsausschuss gekommen sei, um ihre Position zu rechtfertigen, stelle er den Antrag auf Herbeischaffung der Ministerin.

In der anschließenden Diskussion unterstützte FPÖ-Abgeordneter Gerald Hauser den Antrag. ÖVP-Abgeordneter Klaus Lindinger sagte, seine Fraktion sei zwar auch der Ansicht, dass die Ministerin widerrechtlich ihre persönliche Meinung über den Beschluss der Bundesländer gestellt habe. Den Herbeischaffungsantrag werde seine Fraktion aber nicht unterstützen. Astrid Rössler (Grüne) sagte, sie sehe keinen Anlass für einen Herbeischaffungsantrag, die Positionen seien bereits ausreichend dargelegt worden. Aus Sicht ihrer Fraktion habe Bundesministerin Gewessler im Rahmen ihrer Befugnisse gehandelt. 

Der Herbeischaffungsantrag wurde nur von den FPÖ-Abgeordneten unterstützt und fand damit keine Mehrheit.

Totschnig: Landwirtschaft ent-, nicht belasten

In einem Eingangsstatement bekräftige der Landwirtschaftsminister seine ablehnende Haltung zum EU-Renaturierungsgesetz und seine Kritik an Bundesministerin Gewessler. Die Klimaschutzministerin sei formal nicht berechtigt gewesen, sich über die zuvor festgelegte österreichische Position hinwegzusetzen und hätte das Einvernehmen mit seinem Ressort suchen müssen, sagte er. Das EU-Gesetz zeige eine rückwärtsgewandte Sicht auf Naturräume und Landschaft und lasse befürchten, dass eine Fülle neuer Vorschriften die Boden- und Waldbewirtschaftung einschränken und die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern erschweren werde. Zudem gebe es auch keine ausreichende Datengrundlage, um überhaupt beurteilen zu können, welche Wirkung für den Klimaschutz tatsächlich zu erwarten sei. Auch die Finanzierung der Maßnahmen sei noch völlig offen, weshalb zu befürchten sei, dass die Kosten letztlich von den Gebietskörperschaften getragen werden müssten.

Der Grundsatz der österreichischen Landwirtschaftspolitik sei „Entlasten statt belasten“, führte Totschnig aus. So sei mit der Zustimmung der EU-Kommission zur Änderung des österreichischen GAP-Strategieplans eine vereinfachte Förderabwicklung gelungen, die vor allem kleinen Betrieben zugutekommen werde, berichtete der Minister. Mit der „Vision 2028+“ habe sein Ressorts weiters einen Strategieprozess angestoßen, um die österreichische Landwirtschaft zukunftsfit zu machen. An dem breit angelegten Stakeholderprozess hätten sich rund 3.000 Personen beteiligt. Er habe sieben wichtige Handlungsfelder mit zahlreichen Maßnahmen definiert. Dazu gehöre etwa die Stärkung des agrarischen Unternehmertums durch neue Einkommensmöglichkeiten, die Weiterentwicklung der Qualitätsproduktion sowie Umweltmaßnahmen und Anstrengungen zur Digitalisierung der Betriebe.

Auf dem letzten EU-Agrarminister:innenrat habe er die Position vertreten, dass der Schutzstatus des Wolfs nach der Berner Konvention herabgesetzt werden könnte, da man unterdessen nicht mehr von einer gefährdeten Tierart sprechen könne.

Fragen der Abgeordneten zu aktuellen Problemen in der Landwirtschaft

Olga Voglauer (Grüne) sagte, die Vision 2028+ enthalte grundsätzlich gute Maßnahmen, darunter auch im Bereich der Umweltpolitik und zur Biodiversität. Gerade deshalb sei die ablehnende Haltung des Ministers zum Renaturierungsgesetz aus ihrer Sicht nicht schlüssig. Auch ihre Fraktionskollegin Astrid Rössler schlug mit ihrer Wortmeldung in dieselbe Kerbe. Die vom Landwirtschaftsministerium gutgeheißenen Maßnahmen zum Schutz von Gewässern, Wäldern und Mooren würden sich ja mit den EU-Zielen decken, argumentierte sie. Die Teilnahme an Renaturierungsmaßnahmen werde auch entgegen dem, was verbreitet werde, weiterhin auf freiwilliger Basis erfolgen.

Ähnlich argumentierte Elisabeth Feichtinger (SPÖ). Mit dem Waldfonds verfolge Österreich bereits das Ziel der Herstellung naturnaher Wälder, meinte sie.

Landwirtschaftsminister Totschnig argumentierte, dass der österreichische Zugang zur Herausforderung des Klimawandels nicht rückwärtsgewandt sei, sondern davon ausgehe, dass flexible Lösungen gefunden werden müssten. Der Waldfonds sei ein gutes Beispiel für diesen Zugang. So könne man noch nicht sagen, welche Baumarten in Zukunft an welchen Standorten gedeihen werden. Daher werde auch viel in die Forschung investiert.

Zur Vision 2028+ erfuhr Johann Weber (ÖVP) vom Minister, dass im Rahmen des Strategieprozesses über 170 Maßnahmen erarbeitet worden seien und noch vor Juli die Arbeit in den Umsetzungsgruppen beginnen werde.

Weitere Themen: Schweinehaltung, Tierwohl, Futtermittel

Die Abgeordneten Dietmar Keck (SPÖ) und Katharina Werner (NEOS) sprachen die Frage der Schweinehaltung auf Vollspaltböden an. Nikolaus Prinz (ÖVP) fragte nach Impulsprogrammen für das Tierwohl und Peter Schmiedlechner (FPÖ) forderte vom Minister mehr Sicherheit für Schweinezüchter:innen.

Dazu führte der Minister aus, dass sein Ressort dem Tierwohl hohe Bedeutung beimesse. Daher stelle man zusätzlich 50 Mio. € für besonders tierfreundliche Stallbauten in der Schweinehaltung zur Verfügung. Wichtig sei aber auch, dass es ausreichende Übergangsfristen gebe. Wichtig sei aus seiner Sicht, dass keine Betriebe schließen müssen und es ein ausreichendes Angebot an konventionell produziertem Schweinefleisch aus heimischer Produktion gebe.

Franz Eßl (ÖVP) wies darauf hin, dass durch Importe von Getreide und Zucker aus der Ukraine ein Preisverfall eingetreten sei. Zudem würden dem Vernehmen nach die importierten Futtermittel oft nicht den Qualitätsstandards entsprechen und seien mit Schadstoffen belastet.

Der Landwirtschaftsminister verwies auf Maßnahmen der EU, um gegen Marktverwerfungen bei Futtermitteln vorgehen zu können. Die Preise für Getreide würden auch wieder steigen. Die Importe aus der Ukraine würden stichprobenartigen Kontrollen unterzogen. Dabei hätten sich bisher keine Überschreitungen von Grenzwerten bei Schadstoffen gezeigt.

Gerald Hauser (FPÖ) fragte, warum es noch keine Fortschritte bei der verpflichtenden Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln gebe.

Totschnig verwies dazu auf die bereits auf nationaler Ebene umgesetzten Maßnahmen. Allerdings sei noch keine Lösung für die Gastronomie gefunden worden. Nachteilig sei dabei, dass eine von der EU-Kommission angekündigte Richtlinie zur verpflichtenden Herkunftskennzeichnung, an der man sich ausrichten könnte, noch immer nicht vorliege. Nationale Alleingänge sind für Totschnig nicht sinnvoll.

Katharina Werner (NEOS) kritisierte, dass viele Gemeinden mit der Beseitigung von Schwemm- und Treibholz in Gewässern überfordert seien und dabei vom Landwirtschaftsministerium im Stich gelassen würden.

Totschnig versicherte der Abgeordneten, dass ihm das Problem bekannt sei. Dieses könne aber nicht nur punktuell gelöst werden, sondern es müsse „an der Wurzel gepackt werden“, indem alle Gemeinde die bestehenden Vorgaben für den Umgang mit Treib- und Schwemmholz erfüllen. Dafür stehe auch die Unterstützung des Bundes zur Verfügung.

Dietmar Keck (SPÖ) wollte wissen, ob tatsächlich seitens der EU mit einer Anhebung des Nitratgrenzwertes für Böden zu rechnen sei. Totschnig sagte, dass die Niederlande die treibende Kraft hinter diesem Anliegen seien. Die österreichische Position sei, dass es zu keiner Anhebung des Grenzwertes kommen solle.

Zu den Auswirkungen der Unwetter in den letzten Wochen teilte Totschnig ÖVP-Abgeordnetem Ernst Gödl mit, dass das Ressort von einem Schaden von 5,3 Mio. € für die Landwirtschaft ausgehe. Daran zeige sich die Wichtigkeit einer ausreichenden Risikovorsorge der Landwirt:innen. (Fortsetzung Landwirtschaftsausschuss) sox


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