Eine aktuelle Studie aus Griechenland belegt, was Studien aus Österreich, Spanien, und den USA schon länger vermuten lassen: Menschen, die an Migräne leiden, werden häufig zusätzlich von Depressionen, Angsterkrankungen und Schlafstörungen geplagt. Mit zunehmender Häufigkeit der Migräneattacken steigt das Risiko für diese psychiatrischen Begleiterkrankungen deutlich an. Umso wichtiger ist daher, Migräne möglichst rasch zu diagnostizieren und umgehend einer wirksamen Behandlung zuzuführen, betont die Präsidentin der Österreichischen Kopfschmerzgesellschaft, Dr.in Sonja-Maria Tesar. Eine rezente Studie legt nahe, dass moderne Migräneprophylaxe mittels spezieller Antikörper nicht nur gegen die Migräne selbst, sondern auch gegen ihre „Begleiterkrankungen“ wirkt.
Weltweit leiden rund 13% der Bevölkerung an Migräne, in Österreich sind dies mehr als eine Million Menschen, wobei Frauen bis zu dreimal so häufig davon betroffen sind.
„Migräne ist eine komplexe neurologische Erkrankung, die das Leben der Betroffenen enorm einschränkt und die Lebensqualität massiv beeinträchtigt“, macht die Präsidentin der Österreichischen Kopfschmerzgesellschaft, Dr.in Sonja-Maria Tesar, klar. Als medizinische Direktorin des LKH Wolfsberg und Leiterin der Kopfschmerzambulanz am Klinikum Klagenfurt kennt sie die Schicksale und Lebensumstände vieler Betroffener aus erster Hand. „Oftmals hat Migräne weitreichende Auswirkungen auf das berufliche und private Leben. Und ganz offensichtlich kann Migräne auch psychiatrische Begleiterkrankungen wie Depressionen, Angst- und Schlafstörungen triggern.“ Eine Reihe von Studien belege dies, so Tesar.
Studien zeigen: Migräne forciert psychiatrische Begleiterkrankungen
So ergab eine österreichische Studie*, dass fast 65% der Patient:innen zusätzlich zur Migräne an Angststörungen und Depressionen litten. Weitere Studien aus Spanien*, den USA* und eine erst heuer publizierte Studie aus Griechenland* untersuchten ebenfalls den Zusammenhang zwischen Migräne und psychiatrischen Symptomen und kamen zu ähnlichen Ergebnissen: Es zeigte sich bei allen eine signifikante Häufung dieser Komorbiditäten. Und: Mit zunehmender Frequenz der Migräneattacken kam es auch zu einer Verstärkung der psychiatrischen Symptome.*
Tesar fasst zusammen: „Gerade bei chronischer Migräne werden Depression, Angst- und Schlafstörungen als Begleiterkrankungen beobachtet. Um die Gefahr einer solchen Chronifizierung zu reduzieren und somit auch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens dieser psychiatrischen Begleiterkrankungen zu senken, ist es enorm wichtig, Migräne-Patient:innen möglichst frühzeitig und ausreichend, also wirksam, zu behandeln.“*
Migräneprophylaxe – wichtiger Baustein einer wirksamen Therapie
„Heute haben wir therapeutische Möglichkeiten zur Hand, von denen wir vor Jahren nicht zu träumen gewagt haben. Dank eines besseren Verständnisses der Krankheitsmechanismen der Migräne stehen uns heute Medikamente zur Verfügung, mit denen wir direkt und aktiv in das Entstehen der Attacken eingreifen können.“
Es handelt sich dabei um Medikamente, die zur Prophylaxe von Migräne zugelassen sind. „Neben der Akuttherapie, also der medikamentösen Behandlung der akuten Attacken, stellt die Prophylaxe einen zentralen Baustein einer wirklich effektiven Migränetherapie dar. Durch eine gute Migräneprophylaxe wird die Anzahl der Migräneattacken reduziert. Somit kann eine Chronifizierung verhindert bzw. eine bereits chronische Migräne in eine episodische rückgeführt werden“, erläutert die Neurologin.
Moderne Prophylaxe – hoch wirksam und gut verträglich
Die bisher zur Migräneprophylaxe verwendeten Medikamente, wie Betablocker, Antidepressiva oder Antiepileptika, wirken ungerichtet und haben teils massive Nebenwirkungen. Die modernen Migräneprophylaktika sind biotechnologisch hergestellte monoklonale Antikörper, sogenannte CGRP-Antikörper*, die ganz gezielt ins Krankheitsgeschehen eingreifen. Tesar: „Sie hemmen Eiweißmoleküle, die bei einer Migräneattacke freigesetzt werden. Sie setzen ganz gezielt an, sind hoch wirksam und auch sehr nebenwirkungsarm und sehr gut verträglich.“
Doppelter Nutzen: CGRP-Antikörper reduzieren auch depressive Symptome
Dass diese Medikamentengruppe doppelten Nutzen bringen kann, zeigt eine jüngst publizierte Studie. Tesar führt aus: „Eine ganz aktuelle spanische Studie* mit 577 Teilnehmer:innen zeigte, dass sich bei jenen Patient:innen, die über 12 Monate eine Migräneprophylaxe mit CGRP-Antikörpern erhielten, auch die psychiatrischen Symptome verringerten – und zwar unabhängig von der Reduktion der Kopfschmerztage.“
Migräneverdacht: möglichst schnelle Abklärung wichtig
Tesar fasst zusammen: „Bei Verdacht auf das Vorliegen einer Migräne sollte man diesen möglichst schnell bei einer/m niedergelassenen Neurologen/Neurologin oder in einem Kopfschmerzzentrum abklären lassen. Hier werden dann die weiteren notwendigen Schritte veranlasst, wie die Verordnung einer wirksamen Migräneprophylaxe, damit die Krankheit und ihre psychiatrischen Begleiterkrankungen bestmöglich eingestellt werden.“
Die Erstverschreibung der modernen Migräneprophylaktika muss durch den oder die Fachärzt:in erfolgen. Die weitere Verschreibung und Verabreichung kann von Allgemeinmediziner:innen durchgeführt werden.
Prophylaxe muss zum Leben passen
CGRP-Antikörper werden entweder als Pen* oder, so der neueste Wirkstoff in dieser Gruppe, mittels halbstündiger Infusion einmal im Quartal verabreicht. Tesar: „Ob Pen oder Quartalsinfusion sollte individuell entschieden werden, je nach Präferenz und Lebensumständen. Wer möglichst selten an „seine“ bzw. „ihre“ Migräne denken möchte oder wer viel auf Reisen ist oder wer während der Verabreichung dieses Biologikums lieber unter medizinischer Aufsicht ist, wird sich vielleicht eher für die Quartalsinfusion entscheiden. Diese bietet auch den Vorteil, dass sie aufgrund der intravenösen Gabe sofort wirkt und als einzige Prophylaxe auch nachweislich direkt während eines Migräneanfalls gegeben werden kann.“
*Die Langversion dieses Textes samt Quellenangaben finden Sie hier.
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