23.124 Beschwerden gelangten im Vorjahr an die Volksanwaltschaft, 16.655 davon betrafen die öffentliche Verwaltung. Das geht aus dem Tätigkeitsbericht des Kontrollorgans für das Jahr 2023 hervor, den der Nationalrat heute einstimmig zur Kenntnis nahm. Die Volksanwält:innen Bernhard Achitz und Gaby Schwarz thematisierten Mängel im Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich sowie in der Justiz.
Vonseiten der Abgeordneten gab es einhelligen Dank für die Arbeit der Volksanwaltschaft sowie Gratulationen zum ersten Platz im APA/OGM-Vertrauensindex für Institutionen.
Keine Mehrheit erhielten zwei von der FPÖ im Zuge der Debatte eingebrachte Anträge. Sie sprachen sich damit für Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien sowie für die Ernennung eines „EU-Kommissars für Remigration“ aus. Auch ein Antrag der Sozialdemokrat:innen für Maßnahmen gegen extremistische Gewalt blieb in der Minderheit.
Volksanwält:innen legen Missstände dar
Insgesamt 11.380 Prüfverfahren leitete das Kontrollorgan des Nationalrats im Vorjahr ein. 7.802 davon betrafen die Bundesverwaltung, der Rest die Landes- und Gemeindeverwaltung. In knapp einem Fünftel – 2.437 – der im Vorjahr abgeschlossenen 12.752 Prüfverfahren stellte die Volksanwaltschaft einen Missstand fest. 90 Verfahren leitete das Kontrollorgan von sich aus aufgrund eines Missstandsverdachts in Bezug auf die Verwaltung ein.
Volksanwalt Bernhard Achitz betonte die grundsätzlich sehr gute Zusammenarbeit mit Verwaltung und Politik. Viele Empfehlungen der Volksanwaltschaft würden aufgegriffen und Missstände verbessert. Dennoch gebe es noch großen Handlungsbedarf etwa bei der Versorgung von Menschen mit postviralen Erkrankungen wie Long-COVID oder ME/CFS.
Achitz kritisierte zudem, dass bei verwitweten Notstandshilfebezieher:innen die Witwenrente auf die Notstandshilfe angerechnet werde. Im Bereich der Familienpolitik sei „untragbar“, dass Familien oft jahrelang auf das beantragte Kinderbetreuungsgeld warten, wenn der erwerbstätige Elternteil im Ausland arbeitet. Was die Kontrolle von Menschenrechten angeht, sprach der Volksanwalt insbesondere Mängel im Schmerzmanagement in Alten- und Pflegeheimen sowie bei Konzepten für die sexuelle Selbstbestimmtheit von Menschen mit Behinderung an.
Volksanwältin Gaby Schwarz versicherte, das in die Volksanwaltschaft gesetzte Vertrauen sei eine Verpflichtung, dem Auftrag nachzukommen. Inhaltlich ist sie unter anderem für den Bereich der Justizanstalten zuständig. Durch den Wahrnehmungsbericht der Volksanwaltschaft zum Thema Jugend in Haft sei es gelungen, mehr Tempo in die Sache zu bringen. Dennoch sei es enttäuschend, dass sich die geplante Übersiedlung von Jugendlichen aus der Justizanstalt Gerasdorf an den Münnichplatz in Wien verzögere. Auch die hohe Zahl der Suizide in Haft verlange dringendes Handeln, so Schwarz. Von den 48 Empfehlungen, die das Kontrollorgan an das Justizministerium übermittelt habe, sei „noch gut wie keine“ umgesetzt.
Abgeordnete thematisieren Pflege, Justizanstalten, Asyl und Menschen mit Behinderung
Rund 94 eingegangene Beschwerden pro Tag seien eine „gewaltige Menge“, sagte Martina Diesner-Wais (ÖVP). Sie legte dar, dass insbesondere Beschwerden in den Bereichen Sicherheit, Klima und Energie gestiegen seien. Eine große Baustelle gebe es angesichts des eklatanten Personalmangels im Straf- und Maßnahmenvollzug, wie auch ihr Fraktionskollege Hermann Gahr betonte. Agnes Totter (ÖVP) hob Beschwerden im Bildungsbereich hervor.
Vonseiten der SPÖ ging Rudolf Silvan auf Beschwerden in den Bereichen Gesundheit und Soziales ein. Zahlreiche ME/CFS-Erkrankte würden etwa über eine fehlende medizinische Versorgung klagen. Sabine Schatz strich wie Christian Drobits (beide SPÖ) den Reformbedarf heraus, den die Volksanwaltschaft bei Besuchen in Alten- und Pflegeheimen festgestellt habe. Schatz forderte dringend Verbesserungen der Arbeitsbedingungen von Pflegekräften ein. Reinhold Einwallner (SPÖ) wiederum betonte Probleme bei Polizei und Justiz. Er brachte einen Entschließungsantrag ein, mit dem die SPÖ die Regierung unter anderem auffordern wollte, auf die prekäre Personalsituation in der Polizei zu reagieren. Außerdem sprachen sich die Sozialdemokrat:innen damit für harte Konsequenzen für Terrorist:innen, Abschiebungen ausländischer Straftäter:innen nach Verbüßung ihrer Haftstrafe sowie Rückführungsabkommen aus. Der Antrag fand keine Mehrheit.
Auf das Asyl- und Fremdenrecht, in dem die Volksanwaltschaft ebenfalls tätig ist, ging auch Christian Lausch (FPÖ) ein. Er wollte sich mit einem Entschließungsantrag für Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien einsetzen. Der Antrag blieb aber ebenso in der Minderheit wie jener seines Fraktionskollegen Werner Herbert. Um „Flüchtlingsströme“ in der gesamten EU zu minimieren, forderte er die Ernennung eines „EU-Kommissars für Remigration“.
Bedrana Ribo (Grüne) ging auf das Schmerzmanagement in Alten- und Pflegeheimen ein, bei dem die Volksanwaltschaft Mängel festgestellt habe. Aus ihrer Sicht wären eigene „Pain Nurses“ die Antwort für das Problem. Außerdem gebe es Aufholbedarf bei der sexuellen Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung. Georg Bürstmayr (Grüne) dankte der Volksanwaltschaft insbesondere für ihre Tätigkeit als nationaler Präventionsmechanismus gegen Folter. Eva Blimlinger (Grüne) hob Formate wie Vorlesungen oder Diskussionsveranstaltungen zur Vernetzung mit Stakeholdern positiv hervor.
Für Fiona Fiedler (NEOS) behandle der Bericht mehrere ihrer „Herzensthemen“. Die Prüfung der Alten- und Pflegeheime zeige deutlich auf, dass es eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege brauche. Im Bereich der sexuellen Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung müsse man endlich erkennen, dass diese Menschen soziale Wesen mit Bedürfnissen nach Zärtlichkeiten seien, über die niemand bestimmen dürfe außer sie selbst. Fiedler wünschte sich, dass die Arbeit der Volksanwaltschaft gewürdigt werde, indem die Empfehlungen rasch umgesetzt werden. (Fortsetzung Nationalrat) kar
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