Berichte von Alleinerzieher*innen über eine misogyne und sexistische Praxis.
Wenn ein Kind den Kontakt zum getrenntlebenden Vater ablehnt, so ist in der Rechtsprechung die Schuldige oft schnell gefunden: die angeblich manipulierende Mutter. Dies auch dann, wenn das Kind Gewalt durch den Vater erfahren hat. Um die Theorie der manipulativen Mutter zu stützen, verwenden Sachverständige in Gerichtsgutachten sehr oft Begriffe, die den Anschein von Wissenschaftlichkeit oder Diagnosen erwecken, jedoch aus dem Reich der Fantasie entstammen: „Bindungsintoleranz“, „fehlende Bindungstoleranz“, „Entfremdungssyndrom“, „PAS“ oder sogar „Scheinerinnerungen“ werden als Schlagworte verwendet, obwohl diese weder wissenschaftlich anerkannt sind, noch in den Diagnoserichtlinien vorkommen.
Aufgrund dieser Scheindiagnosen, die vor allem von rechtsgerichteten Väterrechtsorganisationen verbreitet werden, gibt es zahlreiche Fälle, in denen Müttern ihre Erziehungsfähigkeit abgesprochen wurde. Denn es wird weiterhin behauptet, der Kontakt zu beiden Elternteilen entspreche immer dem Kindeswohl, selbst dann, wenn sich das Kind vor dem Kontakt fürchtet, und selbst wenn ein Verdacht auf sexuellen Missbrauch nicht ausgeschlossen werden konnte. Der Wille des Kindes wird so komplett missachtet. Die Missachtung des Kindeswillens widerspricht dem Kindeswohl und dem Artikel 12 der UN-Kinderrechte-Konvention! Selbst der OGH hat festgestellt, dass das Kindeswohl über dem Kontaktrecht der Eltern steht.
In weiterer Folge wird behauptet, die manipulierende Mutter wäre „bindungsintolerant“, ein weiterer Fantasiebegriff, und sie würde durch ihr Verhalten, das in Wahrheit dem Schutz des Kindes dient, das Kindeswohl gefährden. Letztlich wird der Vater als geeigneter Elternteil für die Obsorge eingestuft. Sogar in OGH-Urteilen finden sich Referenzen auf „PAS“, „Bindungsintoleranz“ und ihre Synonyme!
Besonders dramatisch ist die Verwendung von pseudo-wissenschaftlichen Begriffen dann, wenn der Verdacht auf sexuellen Missbrauch des Kindes vorliegt oder nicht eindeutig ausgeräumt werden kann. Sowohl die Istanbul-Konvention als auch die Lanzarote-Konvention, die in Österreich gültiges Recht sind, schützen Kinder vor dem erzwungenen Kontakt mit dem mutmaßlichen Täter. In der Praxis sehen wir immer wieder Gerichtsbeschlüsse, in denen sich Richter*innen auf psychologische Gutachten stützen, die „Scheinerinnerungen“ oder „False Memory Syndrome“ beim missbrauchten Kind attestieren. Es wird behauptet, die Aussagen des Kindes über die Gewalterfahrung wären nicht wahr, es handle sich um eine Lüge, die die manipulierende Mutter oder die behandelnde Therapeut*in dem Kind manipulativ „eingeredet“ habe. Die Begriffe werden vor allem dazu eingesetzt, Opfer von häuslicher oder sexualisierter Gewalt zu diskreditieren. In einigen Fällen wurde als Folge der Missachtung des Kindeswillens, trotz medizinischer Hinweise auf einen sexuellen Missbrauch durch den Vater, ein unbegleitetes Besuchsrecht eingeräumt, in manchen Fällen sogar die Obsorge auf den mutmaßlichen Straftäter übertragen oder das Kind zu ihm umplatziert.
Wichtig zu wissen ist, dass die Entstehung der Scheinkonzepte meist im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch von Kindern durch die eigenen Väter entstand. Trotz vieler Bemühungen konnte das Konzept der Scheinerinnerung nie wissenschaftlich erwiesen werden. Es hat sich hingegen gezeigt, dass diese Konzepte fast ausschließlich gegen Mütter eingesetzt werden und somit eine Form der geschlechterbasierten Diskriminierung und institutionellen Gewalt darstellen.
FEM.A fordert deshalb:
- Ein explizites Verbot der Verwendung von Scheindiagnosen und pseudowissenschaftlicher Konzepte vor Gericht
- Die Verbindlichkeit der Handreich gegen Gewalt in Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren und der Richtlinien für familienpsychologische Gutachten
- Eine unabhängige Ombudsstelle zur Überprüfung von familiengerichtlichen Gutachten
- Eine Weiterbildungspflicht aller Familienrichter*innen über Traumafolgeschäden, Erinnerungen von traumatisierten Personen, die Istanbul- und Lanzarote-Konvention und die Feststellung der Qualität familienpsychologischer Gutachten
- Das Kind muss vor Gericht angehört und sein Wille muss beachtet werden
Zur Organisation:
Der Verein Feministische Alleinerzieherinnen – FEM.A ist in Österreich einzigartig mit seinem Beratungs- und Serviceangebot rund um die Themen Unterhalt, Obsorge und Kontaktrecht. Es reicht von kostenlosen Webinaren mit Rechtsanwältinnen und Psychologinnen, Entlastungsgesprächen am kostenlosen FEM.A Telefon, bis zu Informationen auf der Website, in einem regelmäßigen Newsletter, sowie auf diversen Social-Media-Kanälen, Vernetzung, Erfahrungsaustausch und Lobbying.
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