Plattform Personenbetreuung stellt sich und ihre Forderungen an die Politik vor

Die ins Stocken geratenen Verbesserungen bei der 24-Stunden-Betreuung haben dazu geführt, dass sich jene Personen und Organisationen, die sich um die Zukunft der 24-Stunden-Betreuung bemühen, zur Plattform Personenbetreuung zusammengeschlossen haben. Als interdisziplinäre und parteiunabhängige Interessengemeinschaft will die Plattform einen Beitrag dazu leisten, die Personenbetreuung abzusichern und zukunftsfit zu machen. 

Um die Informations- und Aufklärungsarbeit in Richtung der politisch Verantwortlichen – auch in Hinblick auf die neue politische Situation nach der Nationalratswahl im Herbst – voranzutreiben, wurden und werden von den ProponentInnen der Plattform laufend Gespräche mit Sozial- und GesundheitspolitikerInnen geführt. Ergänzend zu diesen Gesprächen mit der Politik informierten Mitglieder der Plattform heute bei einer Pressekonferenz über ihre Anliegen. 

Rödler: „Pflege & Betreuung daheim“ – finanzielle Diskriminierung durch ein unfaires 2-Klassensystem  

Als Angehörige von betreuungs- und pflegebedürftigen Eltern sprach Dr. Sabine Rödler beim Pressegespräch der Plattform Personenbetreuung über ihre Erfahrungen. Rödler beklagt: „Es ist leider traurige Realität vieler Familien, dass die Mutti, der Vati ins Heim müssen, weil die „Betreuung/Pflege daheim“ ein teures, für viele nicht leistbares Zweiklassensystem geworden ist.“  

Rödler rechnet vor: 3.000 € an Honorar für die Betreuerin pro Monat und Strom, Heizung, Essen, Kleidung – die ganz normalen Lebenshaltungskosten – kommen dann noch dazu. „Wie soll sich das ein Durchschnittspensionist in Österreich mit ca. 1.500 € Pension leisten? Wer nicht zu den „reichen“ Senioren zählt oder finanzkräftige Kinder hat, hat dann keine Wahl: entweder unbetreut bleiben oder ins Pflegeheim gehen müssen. Denn dort bleiben den Heimbewohnern seit dem Wegfall des Pflegeregresses 20 Prozent der Pension und alle Sonderzahlungen“, erläutert Rödler. 

„Und was macht die Politik?“, fragt Rödler nach Jahren Erfahrung als pflegende Angehörige. „Die letzten ‚Pflegepakete‘ sind kosmetische Schmerzpflaster für Intensivpatienten – sie zahlen in Wahrheit keinem Betroffenen die Rechnungen für das Nötigste“, beschreibt Rödler. Es braucht EIN taugliches Pflegegeldgesetz, fordert Rödler und verlangt auch schnelle und ausreichende finanzielle Unterstützung mit Rechtsanspruch statt betroffene zu Bittstellern um Förderungen zu machen.  

„Der private Betreuungsbereich ist ein Stiefkind der Politik! Vielleicht weil Betreuung für Showpolitik zu leise, zu wenig chic ist? Denn es sind halt „nur“ tägliche Alltagssorgen wie: ist die Betreuung für die demenzkranke Mutter rechtzeitig da, ist Geld für Opas neue Zahnprothese da, hilft uns das Sozialgericht endlich zur benötigten Pflegestufe? Genau darum müssen wir uns täglich neben dem eigenen Haushalt, dem eigenen Job kümmern! Weil die Politik wichtige Hausaufgaben nicht erledigt hat. Dafür gibt’s für den Sozialstaat Österreich ein „Nicht Genügend“ samt einem überfälligen Nachsitzen“, eröffnet Rödler einen Einblick in den Alltag und in die Sorgen einer Angehörigen. 

Wallner: Qualitätsbonus ist ein Gebot der Stunde zur weiteren Einbindung der Fachpflege im Rahmen der 24-Stunden-Betreuung 

„Zertifizierte Vermittlungsagenturen haben deutlich mehr als die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten und sind mit dem ÖQZ-24-Zertifikat den Weg in eine entsprechende Qualitätsoffensive und Professionalisierung gegangen“, erklärt Mag. Johannes Wallner, Geschäftsführer für den Bereich ÖQZ im Verein zur Förderung der Qualität in der Betreuung älterer Mensch. Mit dem ÖQZ-24-Qualitätszertifakt gibt es eine Orientierungshilfe für zu betreuende KlientInnen und deren Angehörigen bei der Suche nach einer Organisation von Personenbetreuung (Vermittlungsagentur). 

Wallner listet dazu neben vielen anderen folgende Leistungen auf, die zertifizierte Agenturen erbringen: 

  • Einbindung der Fachpflege von Beginn an und regelmäßige Qualitätskontrollen
  • Einführung eines Qualitätsmanagementsystems
  • Ersatzstellung von PersonenbetreuerInnen
  • Transparenz und Qualität bei den Verträgen und Rahmenbedingungen

„Gerade die Einbindung der Fachpflege hat zu einer deutlichen Qualitätsentwicklung und damit zu mehr Sicherheit für alle Beteiligten geführt. Diese positive Entwicklung ist jetzt in Gefahr, wenn die Politik diese wichtige Säule der Betreuung und Pflege in Österreich nicht ausreichend finanziert“, sagt Wallner. Deshalb wird ein Fördermodell vorgeschlagen, das in zwei Richtungen geht: Fairnessbonus und Qualitätsbonus.  

Wallner erläutert: „Der Fairnessbonus ermöglicht den Familien faire Honorare für die PersonenbetreuerInnen zu bezahlen, auch damit sie weiterhin in Österreich bleiben und nicht abwandern.  Der Qualitätsbonus dient der finanziellen Abgeltung der Qualitätssicherung durch die Agentur bzw. durch die Fachpflege. Qualitätsbonus und Fairnessbonus sind finanziell nach der Pflegegeldeinstufung gestaffelt und werden, wie unsere Erfahrung zeigt, von den Familien dringend benötigt! Unsere Forderung – in Summe € 1450.-, das sind zusätzlich € 650.- pro Monat, sichert die Qualität und ein entsprechendes Honorar für die PersonenbetreuerInnen.“ 

Die Ausrollung und Weiterentwicklung des ÖQZ-24 steht zwar im aktuellen Regierungsprogramm, aber wurde leider nicht umgesetzt. Den Familien bzw. Agenturen selbst fehlen die finanziellen Mittel.

Kudziova verlangt Erhöhung der Förderung, der Einkommensgrenze und Einführung eines Qualitätsbonus

„Das Gewerbe Personenbetreuung wurde Jahr 2007 eingeführt. Bisher hat es für die staatliche Förderung erst einmal, und zwar vergangenes Jahr, eine Anpassung von 550 auf 800 Euro gegeben“, zeigt Bibiana Kudziova auf. Sie ist seit dem Jahr 2007 Personenbetreuerin und seit 2015 Vertreterin der BetreuerInnen in der Fachgruppe Wien Personenberatung und Personenbetreuung.

„Das, was vergangenes Jahr passiert ist, war ja eigentlich nur eine Inflationsabgeltung, die erste seit dem Jahr 2007. Von einer wirklichen Erhöhung kann nicht gesprochen werden. Daher muss der nächste Schritt“, so Kudziova, „eine tatsächliche Erhöhung dieser Förderung und ein Qualitätsbonus sein.“ Dieser Bonus dient der Finanzierung von Qualitätsvisiten durch diplomierte Pflegefachkräfte für Qualitätssicherung, fachliche Anleitung und – rechtlich notwendige – Delegationen.

Kudziova spricht auch eine deutliche Warnung aus: „In der jüngeren Vergangenheit haben immer mehr BetreuerInnen Österreich in Richtung Deutschland, Schweiz etc. verlassen, da sie dort weit mehr verdienen. Wenn wir diesen Exodus stoppen und damit die Betreuung von österreichweit 40.000 KlientInnen sicherstellen wollen, wird es ohne höhere Honorare nicht gehen.“

Damit die 24-Stunden-Betreuung für die betreuten KlientInnen auch in Zukunft leistbar ist, verlangt Kudziova als nächsten Schritt, die Einkommensgrenze endlich auf 3500 Euro anzuheben. Bis zu dieser Grenze wird den KlientInnen die Förderung zur Gänze gewährt. „Auch dieser Betrag wurde bis dato noch nicht valorisiert und liegt unverändert bei 2500 Euro. Durch die laufenden, inflationsbedingten Erhöhungen der Einkommen und Pensionen seit 2007 müsste diese Einkommensgrenze, um sie real auf demselben Niveau wie damals zu halten, auf mittlerweile über 3.500 Euro erhöht worden sein“, begründet Kudziova ihre Forderung nach Erhöhung dieser Einkommensgrenze zum Bezug der staatlichen Förderung zur 24-Stunden-Betreuung.

Potzmann: Bei komplexen Pflegesituationen dürfen BetreuerInnen und Familien nicht allein gelassen werden 

„Die qualitäts- und würdevolle Versorgung betreuungs- und pflegebedürftiger Menschen ist ein zentrales Element eines Sozialstaates. Sofern Menschen eine Versorgung durch professionell Pflegende bedürfen, muss sichergestellt sein, dass sie diese auch bekommen. Dazu bedarf es massiver Anstrengungen seitens aller Verantwortlichen.“ Daran erinnerte die Präsidentin im Gesundheits- und Krankenpflegeverband (ÖGKV), Mag. Elisabeth Potzmann, beim Pressegespräch der Plattform Personenbetreuung. 

Aber nicht nur in der professionellen Pflege, so Potzmann, sondern auch in der Betreuung durch PersonenbetreuerInnen ist Qualität ein zentrales Element. Der Österreichische Gesundheits- und Krankenpflegeverband unterstützt jegliche Maßnahmen für gute Arbeitsbedingungen für PersonenbetreuerInnen im Interesse der zu betreuten KlientInnen und deren Familien.  

„Auf keinen Fall dürfen BetreuerInnen und Familien mit komplexen Pflegesituation allein gelassen werden. Um ein würdevolles Alter im Leben zu garantieren, muss das Team aus Gesundheitsberufen und Personenbetreuung rund um betreuungsbedürftige Menschen im Sinne einer integrierten Versorgung zusammenarbeiten. Für diese Zusammenarbeit braucht es den nötigen Rahmen, für welchen seitens der Politik zu sorgen ist“, verlangte Potzmann Anstrengungen um die Qualitätssicherung in der 24-Stunden-Betreuung. 

Anselm: Pflege und Betreuung zu Hause sollen gestärkt werden 

Die österreichische Bundesregierung und Österreichs Bundesländer haben sich zuletzt im Finanzausgleich wieder explizit dazu bekannt, dass im Bereich der Pflege und Betreuung ein Grundsatz gelten soll: Digital vor Mobil vor Stationär. Das heißt insbesondere, dass die Pflege und Betreuung zu Hause gestärkt werden soll. Daran erinnerte heute die Geschäftsführerin des Hilfswerk Österreich, Elisabeth Anselm, beim Pressgespräch der Plattform Personenbetreuung. 

Zu Hause alt zu werden, das wünschen sich die meisten Betroffenen und es macht auch volkswirtschaftlich Sinn, betonte Anselm: „Wenn wir diesen Grundsatz ernst nehmen, dann heißt das aber keinesfalls, dass wir pflegende Angehörige und pflegebedürftige Menschen zu Hause alleine lassen dürfen.“ Dazu braucht es bedarfsgerechte und leistbare Unterstützungsangebote für die Pflege und Betreuung zu Hause. So ist eine bessere Finanzierung der mobilen Dienste wie Hauskrankenpflege und Heimhilfe ebenso notwendig, wie eine bessere Förderung der 24-Stunden-Betreuung.  

Eine zusätzliche Landesförderung aus dem Topf der Sozialhilfe, wie sie das Land Vorarlberg ergänzend zur Bundesförderung gewährt, bedeutet eine enorme Verbesserung für Betroffene. „Solche Modelle helfen, qualitätsgesicherte 24-Stunden-Betreuung für mehr Betroffene zu öffnen, Spielraum für faire Honorare zu schaffen und die 24-Stunden-Betreuung als Versorgungssetting in einer strapazierten Versorgungslandschaft stabil zu halten“, verlangt Anselm die 24-Stunden-Beteuung finanziell abzusichern.  

„Es kann und darf nicht sein, dass es vom Wohnort abhängt, ob man mehr oder weniger Unterstützung im Pflegefall bekommt. Es braucht endlich eine systematische Weiterentwicklung der 24-Stunden-Betreuung in Österreich“, betonte Anselm. Das gilt, so erläuterte die Expertin, für die Finanzierung ebenso wie für die Qualität. „Wir schulden das nicht nur den Betroffenen und Angehörigen, das schulden wir auch den vornehmlich aus Ost- und Südosteuropa kommenden Frauen und Männern, die Interesse daran haben, der Tätigkeit der 24-Stunden-Betreuung in Österreich nachzukommen und hier überaus wertvolle Arbeit leisten. Es ist höchste Zeit, die nächsten Schritt zu machen, als entscheidenden Beitrag zur Stärkung der Pflege und Betreuung zu Hause“, so die Geschäftsführerin des Hilfswerk Österreich abschliessend. 

Pozdena: Bedarf an PersonenbetreuerInnen künftig aus europäischen Drittstaaten decken 

Mag. Angelika Pozdena nahm als stellvertretende Vorsitzende der Bundesinteressensgemeinschaft für Agenturen der Personenbetreuung (ÖBAP) am Pressegespräch teil. Ihr ist es ein Anliegen auf die Leistungsfähigkeit der Organisationen von Personenbetreuung (Agenturen) hinzuweisen, die sich beispielhaft in der Coronapandemie gezeigt hat. In dieser Zeit haben die Agenturen für die Vermittlung von PersonenbetreuerInnen wertvolle Arbeit geleistet, indem sie das System der Betreuung zu Hause am Laufen gehalten haben. So wurde vielen Menschen die Möglichkeit gegeben, im vertrauten Umfeld betreut zu werden und nicht in ein Pflegeheim übersiedeln zu müssen. 

Gerade die Pflegeheime hatten, wie Pozdena ausführte, in dieser Zeit sehr viele Todesfälle zu verzeichnen. Das konnte in der Betreuung zu Hause größtenteils vermieden werden konnte.  

Pozdena wies auch auf einen alarmierenden Umstand bei der Betreuung hin: „Leider müssen wir Agenturen nun nach der Pandemie feststellen, dass die Zahl an PersonenbetreuerInnen von 2019 auf 2023 massiv gesunken ist. Österreichweit hat sich die Anzahl von 66.000 aktiven BetreuerInnen noch 2019 auf knapp 58.000 im Jahr 2023 reduziert. Die entspricht einem Rückgang von 10 Prozent bei gleichzeitig höherer Nachfrage nach dieser Betreuungsform. Das bedeutet, dass auch im Segment der 24-Stunden-Betreuung die Knappheit an Personal angekommen ist.“ 

Wie Pozdena berichtete, fordert die ÖBAP die Öffnung des Marktes auch für Angehörige aus europäischen Drittstaaten wie z.B. Republik Serbien, Bosnien-Herzegowina oder Republik Albanien. „Wir suchen keine BetreuerInnen aus dem asiatischen Raum, wie es in der stationären Pflege angedacht ist. Im System der 24-Stunden-Betreuung benötigen wir Frauen und Männer, die in der Personenbetreuung in Österreich tätig sind, aber nach wie vor ihren Lebensmittelpunkt in ihren Heimatländern haben“. 

Plattform ist ein Zusammenschluss von Personen und Organisationen, die sich um die Zukunft der 24-Stunden-Betreuung sorgen

Zur Plattform Personenbetreuung haben sich aus Sorge um die Zukunft der 24-Stunden-Betreuung u.a. zusammengeschlossen:
Angehörigen- und SeniorenvertreterInnen, BetreuerInnen, Malteser Care, Samariterbund, Hilfswerk, die Fachgruppen Personenberatung und Personenbetreuung aus Wien und Niederösterreich, ÖBAP-Bundesinteressensgemeinschaft für Agenturen der Personenbetreuung, ÖGKV-Österreichischer Gesundheits- und Krankenpflegeverband, ÖQZ 24 im Verein zur Förderung der Qualität in der Betreuung älterer Menschen.

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