Rechnungshofausschuss: Personalengpässe bei hoher Auslastung der Gefängnisse

Die Justizanstalten bewegen sich seit Jahren an der Auslastungsgrenze und sind überbelegt, hielt Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker zu den Prüfberichten „Steuerung und Koordinierung des Straf- und Maßnahmenvollzugs“ (Follow-up-Überprüfung) und „Resozialisierungsmaßnahmen der Justiz“ fest (III-1131 d.B. sowie III-1130 d.B.). Zudem hätten die Justizanstalten mit Personalmangel zu kämpfen, betonte Kraker im Rechnungshofausschuss. Die Rechnungshofpräsidentin befürchtet eine weitere Verschärfung der Personalsituation. Justizministerin Alma Zadić räumte ein: „Durch den steigenden Belag stoßen wir an unsere Grenzen.“

Hingegen stellte der Rechnungshof bei seiner Überprüfung eine grundsätzlich positive Entwicklung des Gewalt- und Opferschutzes von Frauen fest (III-1004 d. B.), dennoch zeigte er zahlreiche Verbesserungsmöglichkeiten zum effektiveren Schutz für von Gewalt betroffene Frauen auf. Die Berichte wurden einstimmig zur Kenntnis genommen.

Kraker erneuert Kritik an Haftbedingungen

Bei den Justizanstalten und dem Maßnahmenvollzug erkannte Kraker weiterhin Herausforderungen. Im Vordergrund stehen dabei die Überbelegung der Justizanstalten, eine teilweise offene Reform des Maßnahmenvollzugs, die Personalsituation und das Recruiting. Zudem kritisierte sie die geringe Beschäftigung der Häftlinge. Schwierigkeiten ortete das Prüforgan bei den Qualifizierungsmaßnahmen der Häftlinge.

Die personellen Herausforderungen hätten sich unmittelbar auf die Resozialisierungsbemühungen ausgewirkt, betonte die Rechnungshofpräsidentin. Das Beschäftigungsausmaß der Häftlinge konnte daher nicht nachhaltig gesteigert werden. Der Rechnungshof berichtete über regelmäßige Schließungen der anstaltseigenen Betriebe. An Nachmittagen und an Wochenenden standen Aktivitäten für Häftlinge für eine zweckmäßige Tagesgestaltung nur begrenzt zur Verfügung. Um dem gesetzlichen Auftrag der Resozialisierung von Häftlingen gerecht zu werden, müsse bei den Justizanstalten verstärkt in die Personalentwicklung investiert werden, empfahl Kraker. Ebenso in verbesserte Betriebsstrukturen, in angepasste Beschäftigungs- und Bildungsangebote sowie in bauliche Maßnahmen. Der überprüfte Zeitraum umfasste die Jahre 2019 bis 2022 beziehungsweise 2018 bis 2022.

Ohne entlastende Maßnahmen werde das Problem der Überbelegung nur mit einem Ausbau der Haftplatzkapazitäten bewältigt werden können, betonte Kraker. Die ausreichende Beschäftigung der Häftlinge in Form von Arbeit oder Ausbildung stelle einen wesentlichen Faktor zur Strukturierung des Tages, für ein positives Anstaltsklima sowie zur Resozialisierung der Häftlinge dar, so Kraker. Die durchschnittliche Beschäftigungsdauer betrug 3,16 Stunden pro Werktag pro Häftling. Der Rechnungshof empfahl daher auf eine Steigerung der Beschäftigung von Häftlingen hinzuarbeiten.

Ein Teil der geplanten Reform des Maßnahmenvollzugs wurde mit dem Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz 2022 umgesetzt. Dabei blieben jedoch Punkte offen, die eine adäquate und zeitgemäße Behandlung und Betreuung der strafrechtlich untergebrachten Personen sicherstellen sollten. Positiv anerkannte Kraker, dass der elektronisch überwachte Hausarrest und die Überstellungen zum Strafvollzug im Herkunftsstaat leicht gesteigert werden konnten.

Kostensenkung, Personalrekrutierung und Suizide

Christian Lausch (FPÖ) interessierte sich für Strategien zur Kostensenkung beim Maßnahmenvollzug. Der Zubau der Justizanstalt Asten sei bereit, einige Bereiche könnten aber nicht in Betrieb genommen werden, weil das Personal fehlt, pochte Lausch auf Personalrekrutierung und Kooperationen im Sinne einer Öffnung. Das Ministerium hielt dazu fest: Zwei Abteilungen seien in Betrieb, man wolle „Richtung Sommer einen Vollbetrieb erreichen“. Anstelle von teuren Werbekampagnen sollte aktiv auf Kasernen und berufsbildende Schulen zugegangen werden, um dort Personal zu rekrutieren, warf Lausch auf.

Johannes Margreiter (NEOS) hielt den Ausbau des elektronisch überwachten Hausarrests für einen „effizienten Hebel, um die Häftlingszahlen zu senken“. Zudem machte Margreiter auf die Verdoppelung der Suizide in österreichischen Haftanstalten aufmerksam und setzte sich für Sofortmaßnahmen ein. Das Justizministerium führte dies auf „einen Ausreißer nach unten“ im Jahr 2022 zurück, wo weniger Suizide begangen wurden als in den vorangegangenen Jahren.

Der zweite Teil des Maßnahmenvollzugsgesetzes, der die Betreuung und die Behandlung im Maßnahmenvollzug gewährleisten soll, werde finalisiert, sagte Justizministerin Zadić zu Margreiter. Ob er diese Legislaturperiode noch umgesetzt werden könne, ließ Zadić offen. Jedenfalls in der nächsten Legislaturperiode sei er zur Umsetzung bereit.

Zu wenig Personal bei hoher Auslastung

Zu wenig Personal bei hoher Auslastung der Justizanstalten beschäftigten Ulrike Böker (Grüne). In diesem Sinne trat sie dafür ein, die Beschäftigungsquote zu erhöhen. Franz Hörl (ÖVP) äußerte Kritik an der Führung der Justizanstalten und verwies dabei auf Personalmangel durch Urlaube, Krankenstände und Freizeitausgleiche. Die krankheitsbedingten Abwesenheiten der Exekutivbediensteten in den Justizanstalten lagen mit durchschnittlich mehr als 28 Tagen pro Jahr und Exekutivbediensteter bzw. -bedienstetem sehr hoch, betonte Michael Seemayer (SPÖ). Er sprach sich für Maßnahmen zur Unterstützung des Personals, beispielsweise psychologische Begleitung, Supervision oder Coaching aus. Hermann Gahr (ÖVP) setzte sich für präventive Maßnahmen für die Mitarbeiter:innen ein. Er interessierte sich zudem für die Haft im Ausland und den Ausbau der Haftanstalten.

Meri Disoski (Grüne) ging auf den Jugendvollzug ein. Der Justizanstalt Wien-Simmering soll die Sonderanstalt für Jugendliche Wien Münnichplatz zugeordnet werden. Die Unterbringung in Wien habe zahlreiche Vorteile aufgrund der guten Anbindung, erklärte Zadić die Entscheidung. Die Anstalt soll an Wien Simmering angebunden, aber unter eigenem Namen und mit eigenem Personal geführt werden.

Zadić: „Durch den steigenden Belag stoßen wir an unsere Grenzen“

Der Straf- und Maßnahmenvollzug sei für die Mitarbeiter:innen sehr herausfordernd und durch den steigenden Belag würde man an die Grenzen stoßen, betonte die Justizministerin. Ziel sei daher die Resozialisierung der Häftlinge. Die Personalsituation sei „sehr angespannt“, so Zadić. Fachdienste wie Pflege und Medizin würden fehlen. Um weiter zu rekrutieren würden viele Maßnahmen gesetzt. Die Justiz müsse als Arbeitgeberin attraktiv werden. In diesem Sinne habe sie sich dafür eingesetzt, die Justizwache in die Schwerarbeiterregelung aufzunehmen. Zudem berichtete sie über finanzielle Verbesserungen und flexible Gestaltung der Arbeitszeiten für neue Mitarbeiter:innen. Zadić war sich der Krankenstände bewusst. Zur Aufrechterhaltung der Gesundheit gebe es die Supervision, die verstärkt forciert werde.

Der „elektronisch überwachte Hausarrest“ sei ein Erfolgsprojekt, betonte Zadić und unterstrich, dass dieser auf bis zu 24 Monate ausgeweitet werden soll. Angesprochen auf die Kosten bei Maßnahmenvollzug verwies Zadić auf die „Insourcing-Strategie“, also die Personen in eigenen Einrichtungen selbst zu betreuen. Der Zubau in Asten werde zusätzliche Plätze für den Maßnahmenvollzug bringen, sagte sie zu Christian Lausch (FPÖ).

Gewalt- und Opferschutz: Kein verlässlicher Gesamtüberblick über eingesetzte Mittel gegeben

In seinem im August 2023 vorgelegten Bericht zum Gewalt- und Opferschutz von Frauen stellte der Rechnungshof grundsätzlich eine positive Entwicklung fest, sah aber weiteren Verbesserungsbedarf, insbesondere da es sich beim Gewaltschutz um eine Querschnittsmaterie handelt und wesentliche Zuständigkeiten auf unterschiedliche Bundesministerien und die Länder verteilt sind. Überprüft wurden die Jahre 2018 bis einschließlich September 2022. Der rechtliche Rahmen, Einsatz der Ressourcen sowie die Aufteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern waren unter anderem Gegenstand der Prüfung.

Potenzial für Qualitätssteigerung und mehr Handlungssicherheit sah der Rechnungshof im Bundesministerium für Inneres und im Bundesministerium für Justiz bei der Fortbildung und der operativen Fallbearbeitung, etwa bei Gefährdungseinschätzungen, der Identifikation von Hochrisikofällen, der Abwicklung sicherheitspolizeilicher Fallkonferenzen sowie bei der Dokumentation von Verletzungen. Zu den im Zuständigkeitsbereich der Länder liegenden Frauenhäusern fehlten bundesweit einheitliche Qualitätsstandards, valide Daten zum Platzangebot und Indikatoren für den tatsächlichen Bedarf, heißt es im Bericht. Es mangelte zudem auch an relevanten Daten zum Kriminalitätsgeschehen und aus dem Gesundheitsbereich. Insgesamt sei österreichweit kein verlässlicher Gesamtüberblick über die für den Gewalt- und Opferschutz eingesetzten Mittel gegeben, stellte der Rechnungshof fest.

Gewalt- und Opferschutz für Frauen erfordere Bewusstseinsbildung in der gesamten Gesellschaft sowie nachhaltig wirksame und koordinierte Maßnahmen aller Akteur:innen in diesem Bereich, sagte Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker. Eine „gesamthafte Strategie“ sowie die tiefgreifende Abstimmung zwischen den zuständigen Ressorts sei daher von zentraler Bedeutung.

Es müsse an vielen verschiedenen Schrauben gedreht werden, um der Gewalt entgegenzuwirken und das Leben für Frauen und Mädchen sicherer zu machen, sagte Justizministerin Alma Zadić.

Gewaltschutz: Empfehlungen des Rechnungshof an das Justizministerium

Als wesentliche Empfehlungen für das Justizministerium nannte der Rechnungshof die Entwicklung einer ressortweiten Strategie spezifisch zu Gewalt gegen Frauen, die Umsetzung der Ergebnisse der Arbeitsgruppe „häusliche Gewalt/Gewalt im sozialen Nahraum“, Maßnahmen zur Erhöhung der Teilnahme von Richter:innen und Staatsanwält:innen an Fortbildungsangeboten zu den Themen Gewalt- und Opferschutz, die baldige Umsetzung der Studienergebnisse zur flächendeckenden Einrichtung von Gewaltambulanzen sowie die Verbesserung der Datenlage für die Erstellung aussagekräftiger Statistiken hinsichtlich des Beziehungsverhältnisses zwischen Täter und Opfer.

Christian Lausch (FPÖ) wollte von Justizministerin Zadić wissen, ob eine Erhöhung der Kapazitäten in den Frauenhäusern geplant sei und wie sichergestellt werde, dass die Finanzierung der Gewaltambulanzen nicht zulasten des Budgets für die Gerichtsmedizin gehe. Justizministerin Alma Zadić erklärte, dass die Frauenhäuser nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, es Frauenministerin Susanne Raab jedoch gelungen sei, das Frauenbudget massiv aufzustocken. Zudem betonte sie, dass die Etablierung von Gewaltambulanzen eines der zentralsten Themen für mehr Gewaltschutz von Frauen sei. Denn um der niedrigen Verurteilungsquote der Täter entgegenzuwirken, brauche es Beweise für die Gerichte. Dies bedeute auch, dass mehr Gerichtsmediziner:innen benötigt werden. Langfristig sei daher das Ziel, durch die Entstehung von Gewaltambulanzen auch mehr Ausbildungsplätze für Gerichtsmediziner:innen zu forcieren. Denn nur mit gut gesicherten Beweisen, könnten mehr Straftäter verurteilt werden, so Zadić.

Meri Disoski (Grüne) fragte wie weit die Errichtung der Gewaltambulanzen bereits fortgeschritten sei. Zudem erkundigte sie sich nach den zentralen Ergebnissen der „Frauenmord“-Studie und wollte wissen, was gemacht werde, um das Thema Gewaltschutz in den Aus- und Weiterbildung von Richter:innen und Staatsanwält:innen weiter zu verankern. Zadić berichtete, dass in Graz bereits eine Gewaltambulanz in Betrieb sei, in Wien solle eine weitere im Sommer fertiggestellt sein. Weiters würden diesbezüglich Gespräche mit Innsbruck und Salzburg laufen. Die Studie zu Frauenmorden habe gezeigt, dass Partnerschaftsgewalt im Vorfeld selten amtsbekannt sei und psychische Probleme dabei oft hervorstechen. Daher sei es zentral, Frauen auf bestehende Schutzangebote aufmerksam zu machen. Dazu habe man eine Kampagne für Frauen und Kinder ins Leben gerufen, betonte Zadić. Weiters wies sie darauf hin, dass man das Aus- und Weiterbildungsangebot zum Thema Gewaltschutz für Richter:innen und Staatsanwält:innen bereits intensiviert habe, manches davon aber nicht angenommen werde. Daher denke man über eine „weitere Konkretisierung“ des Ausbildungsangebots nach, so die Justizministerin.

Von Johannes Margreiter (NEOS) auf die fehlende Datenerfassung in Bezug auf den Beziehungsstatus von Opfer und Täter angesprochen, verwies die Justizministerin auf Verbesserungen durch die Weiterentwicklung der IT sowie die „FAM-Kennung“ (Gewalt im sozialen Nahraum bzw. Strafsachen im Familienkreis), welche entsprechende Delikte kennzeichne. Derzeit sei die Erfassung der Täter-Opfer-Beziehung jedoch noch nicht umfassend möglich, es werde jedoch dran gearbeitet, sagte Zadić.

Martina Kaufmann (ÖVP) erkundigte sich, ob neue Standards für Prozessbegleitungen geplant seien, da diese aus den Jahren 2008 bzw. 2010 stammen. Die Evaluierung sei wichtig. Es sei bereits eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden, um die Standards zu überarbeiten, antwortete die Justizministerin.

Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) sprach die Justizministerin auf die fehlende Gesamtstrategie im Gewaltschutz an. Zudem erinnerte sie an eine Forderung ihrer Fraktionskollegin Eva Maria Holzleitner hinsichtlich des Einsatzes von elektronischen Fußfesseln für mehr Gewaltschutz. Eine bundesweite Strategie für mehr Gewaltschutz – gemeinsam mit allen Akteur:innen – halte auch sie für wichtig, antwortete die Justizministerin. Für die Koordination werde es dazu ein unabhängiges Gremium an der Spitze brauchen, meinte Zadić, weil so viele verschiedene Akteur:innen involviert seien. Die Forderung nach der elektronischen Fußfessel für Verurteilte im familiären Bereich sei ihr bekannt, so Zadić. Es gebe dazu Gespräche – auch mit Spanien – da es dort ein ähnliches Modell bereits gebe. Man müsse sich aber genau ansehen, ob und wie man es im österreichischen System umsetzen könne, so die Justizministerin. (Schluss Rechnungshofausschuss) gla/bea


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