Sonntagsfrage ist nur Spitze des Eisbergs – Politik am Gängelband von Wahlumfragen?

Sie feiert mittlerweile ihr 75jähriges Jubiläum im deutschsprachigen Raum und steht auch im Superwahljahr 2024 im Zentrum des Interesses: die meistdiskutierte, aber auch umstrittenste Frage der Wahlforschung, die Sonntagsfrage. Ihre Sinnhaftigkeit, aber auch Grenzen standen im Fokus eines Experten-Talks der beiden Branchenverbände VMÖ (Verband der Marktforschung Österreichs) und VdMI (Verband der Markt- und Meinungsforschungsinstitute Österreichs) am 22.Mai in Wien.

Das Resummée: die Sonntagsfrage ist als Informationsquelle zum Stand der öffentlichen Meinung vor allem deshalb von Nutzen, da sie reflektiertere Entscheidungen von Wähler:innen ermöglicht. Aus Sicht von Wahlforscher:innen und Politolog:innen ist sie nur die Spitze des Eisbergs. Für seriöse Prognosen von Wahlergebnissen wären vielmehr eine Vielzahl von Faktoren wie der politische Kontext, die Dynamik von Wahlkämpfen als auch unvorhersehbare Ereignisse und Krisen entscheidend, die bei der Interpretation der Sonntagsfrage zu berücksichtigen sind. Für die nächsten Umfragen anlässlich der bevorstehenden Wahlen plädieren die Branchenexpert:innen für höhere Transparenz hinsichtlich der Befragungsmethodik und der Datenanalyse sowie für eine ausgewogene Interpretation der Ergebnisse, die statistisch gegebene Schwankungsbreiten und andere methodisch bedingte Einschränkungen der Aussagekraft mit einbezieht. Auch die Medien wären in ihrer Rolle als Kommunikator:innen gefordert, die Sonntagsfrage in den richtigen Zusammenhang zu stellen.

Für Kathrin Stainer-Hämmerle, Professorin für Politikwissenschaft an der FH Kärnten, sind die Effekte der Sonntagsfrage für das Wahlverhalten kaum messbar: „In der medialen Berichterstattung wird sie weder in ihrer Rolle als reine Momentaufnahme dargestellt, noch den Wähler:innen ausreichend im politischen Kontext erklärt. Ohne die größeren Zusammenhänge wäre die Sonntagsfrage genauso wenig für eine valide Vorhersage geeignet wie das Zeitungshoroskop, so Stainer-Hämmerle. 

Für den Politikberater Robert Luschnik ist die Sonntagsfrage ein einzelner Puzzlestein einer ganzheitlichen Strategie im Kampagnenmanagement, die in der heutigen Kommunikationslandschaft immer kurzfristigere Anpassungen verlangt. „Als Orientierungshilfe für die Politik ist die Sonntagsfrage besonders in den nächsten Wochen und Monaten wertvoll, weil sie auch zeigt, ob die `Segel richtig gesetzt sind`Die Formulierung politischer Botschaften, Slogans und Kampagnen-Sujets abzutesten würde durchaus Sinn machen, aber die eigenen Kernthemen und politische Grundinhalte nach Umfragen auszurichten, hielte Luschnik für fragwürdig.

Meinungsforschern ist ihre Verantwortung im Zusammenhang mit politischen Umfragedaten durchaus bewusst – dennoch gibt es gerade bei der Interpretation der Sonntagsfrage und ihrer Rolle im demokratiepolitischen Prozess noch Luft nach oben„, so Markt- und Meinungsforscherin Christina Matzka von Triple M abschließend.

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