Lipstadt: Kampf gegen Antisemitismus ist Kampf für Demokratie, Rechtsstaat und nationale Sicherheit

Anlässlich des Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen am 5. Mai 1945 erinnert das Hohe Haus heute an die Opfer des Nationalsozialismus. An der feierlichen Gedenkveranstaltung teilgenommen hat auch die US-Sonderbeauftragte zur Überwachung und Bekämpfung des Antisemitismus Deborah Lipstadt, die im Vorfeld mit Vertreter:innen von vier Parlamentsfraktionen zu einem Meinungsaustausch zusammengetroffen ist. Dem deutlichen Anstieg an antisemitischen Vorfällen könne man nur begegnen, wenn die politischen Führungspersönlichkeiten ihre Stimmen erheben, meinte Lipstadt. Sie warnte  davor, das Thema Antisemitismus als politische Waffe einzusetzen und plädierte für umfassende Bildungsmaßnahmen sowie eine Förderung der jüdischen Gemeinschaften in den jeweiligen Ländern. Keine Gesellschaft sei immun gegen Antisemitismus, so Lipstadt.

Die Anstrengungen Österreichs im Kampf gegen Antisemitismus und aktuelle Herausforderungen

Der Kampf gegen Antisemitismus sei ein zentrales Anliegen der österreichischen Bundesregierung, was unter anderem durch die Einrichtung einer eigenen Abteilung im Bundeskanzleramt oder die im Jahr 2021 präsentierte Nationale Strategie gegen Antisemitismus (NAS) unterstrichen werde, erklärte Abgeordneter Martin Engelberg (ÖVP). Als weitere Schwerpunkte in diesem Bereich führte er unter anderem das Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Antisemitismus im digitalen Raum, die Zusammenarbeit mit Yad Vashem im Bereich der Lehrerfortbildung, das sehr erfolgreiche Projekt „Likrat“ (Besuch von jüdischen Kindern in Schulen), den Simon-Wiesenthal-Preis oder Studentenaustauschprogramme im Rahmen des Nationalfonds an. Sehr erfreulich sei, dass seit der Verabschiedung eines in Wahrnehmung der historischen Verantwortung gegenüber den Verfolgten des Nationalsozialismus und ihren Nachkommen einstimmig beschlossenen Gesetzes bereits 30.000 Personen die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten haben. Dennoch brauche es weitere Anstrengungen, zumal die antisemitischen Vorfälle seit dem 7. Oktober 2023 stark angestiegen seien, urteilte Engelberg. Dies würden auf internationaler Ebene auch die besorgniserregenden Aktionen an amerikanischen Elite-Universitäten zeigen, die seiner Meinung den Eindruck von systematischer und organisierter Agitation erwecken würden. Auch Eva Blimlinger (Grüne) thematisierte die aktuelle Situation an verschiedenen US-Hochschulen.

SPÖ-Mandatarin Sabine Schatz stellte ergänzend fest, dass der Nationalrat 2021 das Österreichisch-Jüdische Kulturerbegesetz (ÖJKG) verabschiedet habe, durch das der Israelitischen Religionsgemeinschaft eine jährliche finanzielle Unterstützung von mittlerweile 7 Mio. € im Jahr zugesichert wurde.

Um dem seit langer Zeit tief verwurzeltem Antisemitismus in der Gesellschaft entgegen zu wirken, brauche es vor allem Bildungsmaßnahmen, zeigte sich die freiheitliche Abgeordnete Dagmar Belakowitsch überzeugt. Viel zu tun gebe es diesbezüglich vor allem bei einer gewissen Gruppe an Zuwanderern, die oft aus muslimischen Ländern komme und über wenig Schulbildung verfüge. Es sei schockierend, dass mittlerweile der Hass gegenüber Juden bei Demonstrationen ganz offen zur Schau gestellt werde.

Lipstadt: Keine Gesellschaft ist immun gegen Antisemitismus

Das amerikanische Außenministerium und insbesondere das Büro für die Überwachung und Bekämpfung von Antisemitismus engagiere sich im Kampf gegen Antisemitismus auf der ganzen Welt, bekräftigte Lipstadt. Vor allem der aktuelle Präsident Joe Biden anerkenne die Ernsthaftigkeit dieses Themas in einem hohen Maße, weshalb im Mai 2023 erstmals eine umfassende Strategie verabschiedet wurde. Im Fokus stehe dabei ein Zugang, der sich nicht nur auf den Schutz der jüdischen Gemeinschaft beziehe, sondern viel weiter reiche. Der Kampf gegen Antisemitismus sei nicht nur ein Akt der Erinnerung oder ein Einsatz für Restitution, sondern ein Kampf für Demokratie, für den Rechtsstaat und für die nationale Sicherheit, unterstrich die US-Botschafterin. Diese Prinzipien würden auch im Hinblick auf die aktuellen Vorkommnisse an den amerikanischen Universitäten gelten. Wenn ein Staat nicht gegen Verschwörungsmythen – wie z.B. „die Juden kontrollieren alles“ – vorgehe, dann gebe er „grünes Licht“ für andere Gruppierungen, die Hass verbreiten. „It starts with the jews, but it never ends with the jews“, zeigte sich Lipstadt überzeugt. In dem von ihrem Büro im September 2023 erstellten „Report on Policies, Programs and Actions across the Globe to Combat Antisemitism“, werden neben der klaren Benennung des Problems Antisemitismus, die Quantifizierung der Vorfälle und das Erarbeiten von effektiven, vielfältigen und dynamischen Lösungen als wichtigste Eckpfeiler im Kampf gegen Antisemitismus in den Vordergrund gerückt.

US-Sonderbeauftragte Deborah Lipstadt

Die renommierte Historikerin und Holocaust-Forscherin Deborah Lipstadt, die auf eine jahrzehntelange akademische Karriere zurückblicken kann, wurde von Präsident Joe Biden zur Sonderbeauftragten zur Überwachung und Bekämpfung von Antisemitismus (SEAS) bestellt und am 30. März 2022 vom Senat in diesem Amt bestätigt. Ihr Büro ist ein Teil des US-Außenministeriums und untersteht dem „Under Secretary for Civilian Security, Democracy and Human Rights“. Im Mai 2023 hat die Biden-Administration erstmalig eine nationale Strategie zur Bekämpfung des Antisemitismus vorgestellt, die über 100 konkrete Aktionen umfasst. Vor einem Jahr hat das SEAS einen umfassenden Bericht publiziert, in dem mehr als 40 Programme, Richtlinien und Maßnahmen aus der ganzen Welt, die auf den Kampf gegen Antisemitismus abzielen, aufgezeigt werden. (Schluss) sue


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