ÖÄK: Rauf mit der Impfquote – mit einfachen Maßnahmen, ohne Patientengefährdung

„Das Thema Impfung hat derzeit aus zumindest zwei Gründen große gesundheitspolitische Bedeutung: Zum einen dürfen die Sicherheitskriterien beim Impfen nicht aufgeweicht werden, indem Berufsgruppen wie Apotheker, die eine völlig andere Ausbildung und Spezialisierung haben als Ärztinnen und Ärzte, plötzlich ohne jede ärztliche Aufsicht impfen dürfen sollen. Zum anderen beobachten wir, – aktuelle Beispiele sind Masern und Keuchhusten – dass bereits überwunden geglaubte Krankheiten wiederkehren“, brachte Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, heute bei einem Pressegespräch die aktuelle Situation auf den Punkt. Die hohe Impfbereitschaft der Bevölkerung in der Vergangenheit habe die Bedeutung solcher Krankheiten weitgehend aus dem öffentlichen Bewusstsein gelöscht. „Deshalb muss verstärkt über den hohen, oft lebensrettenden Stellenwert von Impfungen informiert werden, um Impfbereitschaft und Durchimpfungsrate zu erhöhen“, forderte Steinhart. 

Beim Thema Impfen gelte eine zentrale Erkenntnis, die immer wieder betont werden müsse, weil sie weitreichende praktische Konsequenzen für die Patientensicherheit hat: „Impfen ist weit mehr als nur ein Stich“, hielt Steinhart fest und verwies auf den Österreichischen Impfplan. Dieser schreibt z.B. verpflichtende Information und Aufklärung über die zu verhütende Krankheit und die Impfung vor, eine Anamnese, sowie die Feststellung der Impftauglichkeit. Und schließlich spiele die Nachbeobachtung eine wichtige Rolle, diese bedürfe auch geeigneter baulicher Voraussetzungen. Für Arztpraxen gelten hier die strengen Standards der Qualitätssicherungsverordnung. „Ob die Räumlichkeiten von Apotheken tatsächlich zum Beispiel die Möglichkeit zur vertraulichen Anamneseerhebung und zur Nachbeobachtung bieten, sei dahingestellt“, sagte der ÖÄK-Präsident. 

Zudem gebe es in Österreich bei Impfungen keine Versorgungslücken, die man durch Apotheken schließen müsste. „Das bestehende engmaschige Netz von Einzelordination, Gruppenpraxen und Primärversorgungseinheiten reicht für eine qualitätsvolle Versorgung bei weitem aus. Das unterscheidet uns von anderen Ländern“, so Steinhart. Hierzulande sei bisher noch keine einzige Impfkampagne an zu wenigen Impf-Standorten gescheitert. Zuletzt habe der vergangene Winter gezeigt, dass der einzige Flaschenhals in der Versorgung die durch Versäumnisse des Ministers unzureichende Verfügbarkeit mancher Impfstoffe war. Impfungen in Apotheken hätten an den Versorgungsengpässen gar nichts geändert. „Die Bilanz ist, dass Impfungen durch Apotheker keinen Zusatznutzen bringen. Die sichere und kompetente Versorgung der Patientinnen und Patienten darf nicht den standespolitischen und kommerziellen Apotheker-Interessen geopfert werden“, unterstrich Steinhart. 

Eine Frage des Vertrauens

„Vertrauen ist der entscheidende Hebel, um die Impfquoten zu erhöhen“, betonte Naghme Kamaleyan-Schmied, stellvertretende Obfrau der Bundeskurie niedergelassene Ärzte in der ÖÄK. Daher sei die Impfung bei Ärztinnen und Ärzten bestens aufgehoben. Impfungen sind besonders wirksam und sicher. „Dennoch ist das Impfen ein komplexer Vorgang, von der Feststellung der Impftauglichkeit über das Aufklärungsgespräch und das gekonnte Applizieren der Spritze bis hin zur Nachbeobachtung der geimpften Person samt Ergreifen möglicher notfallmedizinischer Maßnahmen im Falle von Nebenwirkungen“, hielt Kamaleyan-Schmied, die eine Praxis für Allgemeinmedizin in Wien führt, fest. 

„Impfen in den Ordinationen ist eine Erfolgsgeschichte und bietet den Patientinnen und Patienten dank des engen Arzt/Patient-Vertrauensverhältnisses die höchstmögliche Sicherheit und Qualität und ein unkompliziertes One-Stop-System“, sagte die Allgemeinmedizinerin. Im individuellen Gespräch könnten Risiken gemeinsam besprochen und Zweifel ausgeräumt werden. „Wir Ärztinnen und Ärzte sind aufgrund unserer Ausbildung als auch aufgrund der Ordinationsausstattung auf diese, zum Glück seltenen, Notfälle trainiert und bestens eingespielt. Damit garantieren wir Ärztinnen und Ärzte den Goldstandard der Impfleistung“, so Kamaleyan-Schmied. 

Alle Personengruppen inkludieren 

Vorrangiges Ziel müsse derzeit sein, die bestehenden Impflücken zu schließen, unterstrich Rudolf Schmitzberger, Leiter des Impfreferats der Österreichischen Ärztekammer. Gerade bei Masern-Mumps-Röteln gebe es eine viel zu niedrige Impfquote: „Hier benötigen wir Ärzte auch die Zeit für ausführliche Aufklärungsgespräche, das sollte auch entsprechend von den Kassen honoriert werden“, so Schmitzberger.  

Abseits der Impflücken sei das Kinderimpfprogramm in Österreich grundsätzlich sehr gut aufgestellt. Mit Ende der Begleitung der Kinder durch den Mutter-Kind-Pass würden sich dann jedoch Defizite auftun: „Leider werden Erwachsene im Impfprogramm zu wenig berücksichtigt“, betonte Schmitzberger. Grundsätzlich müsse jede Impfung, die im österreichischen Impfplan empfohlen werde, kostenfrei zugänglich sein. Wenn Ärzte die Impfungen in der Ordination lagernd haben, sei das Angebot optimal, fand Schmitzberger: „Dann erlebt die Bevölkerung nicht nur den ‚best point of quality‘, sondern auch den ‚best point of service‘ – und so sollte es sein, um die Impfquote zu steigern: kostenfreie Impfstoffe – ohne Selbstbehalte, direkt in den Ordinationen verfügbar und sofort verimpft.“ 

ÖÄK-Forderungskatalog 

• Impfen ist aus sehr guten Gründen eine ärztliche Leistung und muss es auch in Zukunft bleiben. 

• Die im Finanzausgleichsgesetz zusätzlich für die Impfung freiwerdenden 90 Millionen Euro müssen vor allem für das Schließen von Impflücken verwendet werden. 

• Der Impfpass soll regelmäßig, insbesondere im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen, geprüft werden, damit Impfungen rechtzeitig aufgefrischt werden.

• Die Rahmenbedingungen für Impfungen in den Ordinationen müssen weiter verbessert werden. Die Ärztekammer fordert im Interesse der Patientinnen und Patienten die Bereitstellung von Impfstoffen und die Abgabe von Medikamenten direkt in den Arztpraxen.

• Die im Kinderimpfprogramm etablierte Pneumokokken-Impfung sollte auch für Erwachsene kostenlos bereitgestellt werden.  

• Die alle zehn Jahre notwendige Auffrischung der Vierfach-Impfung gegen Tetanus, Diphtherie, Kinderlähmung und Keuchhusten sollte zukünftig niederschwellig und kostenlos angeboten werden.  

• Neu ins kostenlose Impfprogramm aufgenommen werden sollten die Impfungen gegen das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) sowie gegen Herpes Zoster (Gürtelrose) für Seniorinnen und Senioren.  

• Ein bundesweites Impfprogramm sollte alle Altersgruppen einschließen und die finanziellen Hürden, gerade mit einem Blick auf die Senioren, schließen. 

• Letztlich sollten alle im Österreichischen Impfplan empfohlenen Impfungen kostenfrei angeboten werden.

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