Genetischer Test zur Früherkennung von kardiovaskulärem Hochrisiko

Die klonale Hämatopoese bezeichnet ein Phänomen, das durch Mutationen in blutbildenden Stammzellen verursacht wird und zu Blutkrebs führen kann. Man weiß heute, dass es auch bei Menschen mit normalen Blutwerten auftritt und mit einem erhöhten Risiko für lebensbedrohliche atherosklerotische Herz-Kreislauf-Erkrankungen einhergeht. Ein Forschungsteam der Meduni Wien entwickelte nun ein genetisches Testverfahren zum Nachweis klonaler Hämatopoese, dessen Einsatz in Kombination mit einer Ultraschalluntersuchung der Halsschlagader die Identifizierung von Hochrisikopatient:innen ermöglicht. Die Studie wurde im Journal of the American College of Cardiology publiziert.

Eines der aktuellsten Themen in der kardiovaskulären Forschung ist die Rolle der klonalen Hämatopoese bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wesentliche Arbeiten der letzten Jahre haben gezeigt, dass klonale Hämatopoese weit verbreitet ist und als mit dem Altern einhergehender Prozess bei bis zu 15 Prozent der Bevölkerung über 70 Jahre vorkommt. Sie führt nicht zwangsläufig zu bösartigen Bluterkrankungen, erhöht jedoch das Risiko für atherosklerotische Herz-Kreislauf-Erkrankungen stark und senkt dadurch die Lebenserwartung. Atherosklerose in einem fortgeschrittenen Stadium kann zum Verschluss arterieller Blutgefäße führen und somit Herzinfarkte und Schlaganfälle verursachen.

Ein interdisziplinäres Team der MedUni Wien um Christoph Binder, Robert Kralovics und Roland Jäger vom Klinischen Institut für Labormedizin sowie Matthias Hoke von der Universitätsklinik für Innere Medizin II hat nun die potentiellen Auswirkungen klonaler Hämatopoese auf Patient:innen mit nachgewiesener, jedoch asymptomatischer atherosklerotischer Verengung der Halsschlagader (Carotis-Stenose) untersucht. Dafür wurde ein spezielles, auf High-Throughput-DNA-Sequenzierung basierendes Verfahren zur zielgerichteten Testung von Teilen des Erbgutes entwickelt, um ursächliche Mutationen zu identifizieren. Angewendet wurde diese neue Methode an rund 1000 Blutproben der prospektiven ICARAS Studie (Inflammation and Carotid Artery-Risk for Atherosclerosis Study), eine seit 2002 an der Abteilung für Angiologie der Universitätsklinik für Innere Medizin II laufende, prospektive Kohortenstudie, mit dem Ziel Risikofaktoren für Atherosklerose bzw. kardiovaskuläre Endpunkte wie z. B. Myokardinfarkt oder Schlaganfall, aber auch kardiovaskulären Tod zu identifizieren.

Erkennen eines erhöhten Risikos schon vor dem Auftreten von Symptomen

Die aktuelle Studie beschreibt eine erhöhte Sterberate bei Patient:innen mit signifikanter Carotis-Stenose und gleichzeitiger klonaler Hämatopoese. „Das treffsichere Design des genetischen Testverfahrens ermöglichte uns eine verlässliche Identifizierung der von klonaler Hämatopoese betroffenen Patient:innen“, so Erstautor Roland Jäger. Mit der gemeinsamen Feststellung von klonaler Hämatopese und Carotis-Atherosklerose gelang es, einen kombinierten Biomarker zur Erstellung eines individuellen kardiovaskulären Riskoprofils zu entdecken. So ist nun die Früherkennung von Hochrisiko-Patient:innen möglich, wodurch die Therapie angepasst und die Progression der Atherosklerose verhindert und daraus resultierende Schlaganfälle und Herzinfarkte vermieden werden könnten. „Mithilfe der Ultraschall-basierten Duplexsonographie in Kombination mit dem neuen genetischen Testverfahren kann ein stark erhöhtes kardiovaskuläres Risiko festgestellt werden, lange bevor Krankheitssymptome auftreten“, verdeutlicht Co-Erstautor Matthias Hoke. Die Studienleiter Christoph Binder und Robert Kralovics betonen, das Resultat der Studie stelle die Grundlage „für viele zukünftige Arbeiten dar, in denen die Rolle der klonalen Hämatopoese bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen untersucht werden soll.“ Dadurch soll eine Implementierung dieser Form der genetischen Diagnostik in der Labormedizin vorangetrieben werden.

Publikation: Journal of the American College of Cardiology

Combined effects of clonal hematopoiesis and degree of carotid stenosis on cardiovascular mortality;
Roland Jäger, Matthias Hoke, Florian J. Mayer, Stefanie Boden, Cornelia Englisch, Cihan Ay, Robert Kralovics, Christoph J. Binder;
doi: 10.1016/j.jacc.2024.02.043

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