Um Ländern die Einhebung von Leerstands- und Zweitwohnsitzabgaben zu erleichtern, hat der Nationalrat vor kurzem eine Verfassungsnovelle beschlossen. Nun wollen ÖVP und Grüne auch in Bezug auf die Raumordnung an einer verfassungsrechtlichen Schraube drehen, um mehr Rechtssicherheit vor allem für die Gemeinden zu schaffen. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde heute auf Initiative von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS vom Verfassungsausschuss des Nationalrats einstimmig in Begutachtung geschickt. Sechs Wochen, also bis zum 5. Juni 2024, haben die 64 eingeladenen Stellen demnach Zeit, sich zur vorgeschlagenen Verfassungsnovelle zu äußern, wobei sich unter anderem auch die Mietervereinigung (MVÖ), der Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen (GBV), die Österreichische Raumordnungskonferenz und rechtswissenschaftliche Fakultäten auf der Liste befinden.
Weiters hat sich der Verfassungsausschuss heute mit einem Antrag der SPÖ zum Nationalen Klima- und Energieplan (NKEP) und dem ORF-Jahresbericht 2023 – einschließlich des ersten vom ORF vorgelegten Transparenzberichts – befasst.
FPÖ kritisiert Gesetzesvorhaben
Konkret wollen ÖVP und Grüne die Länder mit der von ihnen vorgelegten Verfassungsnovelle (4013/A) ausdrücklich dazu ermächtigen, in Angelegenheiten der Raumplanung landesgesetzliche Bestimmungen zu beschließen, die eine Koppelung hoheitlicher Handlungen wie Flächenwidmungen mit privatrechtlichen Vereinbarungen vorsehen. Dabei geht es beispielsweise darum, eine Umwidmung in Bauland mit bestimmten Auflagen wie der Errichtung eines Radwegs zu verknüpfen. Grundsätzliches Ziel ist es, die Rechtssicherheit im Bereich der Vertragsraumordnung zu erhöhen, wie die Antragsteller:innen Johann Singer und Nina Tomaselli das Vorhaben mit Verweis auf ein VfGH-Urteil aus dem Jahr 1999 begründen. Ihnen zufolge wurde die Gesetzesänderung von den Ländern im Begutachtungsverfahren zur jüngst beschlossenen Verfassungsnovelle zur Leerstandsabgabe angeregt.
„Schockiert“ über den Gesetzentwurf zeigte sich FPÖ-Abgeordneter Philipp Schrangl. Der Antrag sei „total unausgegoren und unseriös“ und werde nicht dazu führen, dass mehr leistbare Wohnungen auf den Markt kommen, ist er überzeugt. Letztendlich würden die Mieter:innen die Infrastruktur bezahlen müssen. Überdies ortet er „ein Einfallstor für politische Willkür“ und einen „Freibrief für Widmungsgeber“, zumal keine Ausnahmen für kleine Grundstücke und keine vertraglichen Höchstgrenzen vorgesehen seien. Damit werde „der parteipolitische Bazar“ eröffnet. Offenbar hätten die Grünen aus der „Causa Heumarkt“ nichts gelernt, so Schrangl. Seiner Ansicht nach bräuchte es im Bereich der Vertragsraumordnung zumindest ein bundesgesetzliches Grundsatzgesetz mit klaren Vorgaben.
Von den anderen Fraktionen wurden keine inhaltlichen Stellungnahmen zum Gesetzesvorschlag abgegeben. Es gebe einige Punkte, die man sich gut anschauen müsse, sagte Grün-Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer. Sie plädierte jedoch dafür, zunächst einmal das Begutachtungsverfahren abzuwarten. Dass dafür sechs Wochen eingeplant sind, wurde sowohl von Ausschussobmann Jörg Leichtfried (SPÖ) als auch von NEOS-Abgeordnetem Nikolaus Scherak ausdrücklich begrüßt.
SPÖ fordert rasche Übermittlung eines NEKP-Entwurfs an die EU-Kommission
Mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt hat der Ausschuss einen Entschließungsantrag der SPÖ (4010/A(E)), mit dem Abgeordnete Julia Herr die Regierung zu einer raschen Einigung auf den Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) bewegen wollte. Um Strafzahlungen aufgrund eines Vertragsverletzungsverfahrens zu vermeiden, müsse dringend ein Entwurf des NEKP an die Europäische Kommission übermittelt werden, heißt es in der Initiative. Im Energie- und Klimaplan ist festzulegen, wie Österreich die vereinbarte Reduktion von Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 (minus 48 Prozent gegenüber 2005) einhalten will.
Laut SPÖ-Abgeordneter Petra Bayr ist Österreich mittlerweile das einzige EU-Land, das bei der Kommission noch keinen offiziellen Entwurf eingereicht hat, nachdem der von Umweltministerin Leonore Gewessler vorgelegte Plan von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler wieder zurückgezogen wurde. Das sei nicht nur „peinlich“, weil sich Österreich immer als Umweltmusterland gesehen habe, sondern könne aufgrund drohender Strafzahlungen auch teuer kommen, sagte sie. Zudem hält sie ein Feedback der EU-Kommission zum Entwurf für wichtig, da es immer noch eine erhebliche Lücke zwischen den vereinbarten Klimazielen und den geplanten Emissionsreduktionen gebe.
Nikolaus Berlakovich (ÖVP) glaubt hingegen nicht, dass „Feuer am Dach“ ist. Schließlich wisse die EU-Kommission, dass Österreich intensiv am Plan arbeite. Insofern erwartet er auch kein Vertragsverletzungsverfahren. Ziel sei die baldige Übermittlung des Plans an die EU-Kommission.
FPÖ macht weiter gegen ORF-Haushaltsabgabe mobil
Auf Wunsch der FPÖ war der ORF-Jahresbericht 2023 (III-1145 d.B.) auf die Tagesordnung des kurzfristig einberufenen Verfassungsausschusses gesetzt worden, wobei die Debatte im Ausschuss ohne die zuständige Ministerin Susanne Raab stattfand und auch recht kurz ausfiel. Der FPÖ sei es offensichtlich nur darum gegangen, den Bericht ins Plenum zu bringen, äußerte sich NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak zur Vorgangsweise kritisch. Seiner Ansicht nach wäre eine ausführliche Diskussion mit Ministerin Raab im Ausschuss sinnvoller gewesen.
FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst nutzte die Debatte jedenfalls dazu, um einmal mehr scharfe Kritik an der ORF-Haushaltsabgabe zu üben. Der ORF sei „kein ORF für alle“, da ihn viele nicht sehen wollten und daher auf ein Empfangsgerät verzichten würden. Trotzdem müssten sie „die ORF-Steuer“ zahlen. Das sei „komplett ungerecht“, monierte Fürst. Bis zu 700.000 Haushalte mehr als bisher würden zur Kasse gebeten. Nach Ansicht von Fürst erfüllt der ORF außerdem seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag nicht, überdies vermisst sie Einsparungen, etwa bei Managergehältern und den Landesstudios.
Dem hielt Muna Duzdar (SPÖ) entgegen, dass es eine gute finanzielle Absicherung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks brauche. Der ORF sei ein Kulturgut, das man bewahren müsse. Zudem wies sie darauf hin, dass der ORF verpflichtet sei, jährlich 300 Mio. € einzusparen. Bei der Haushaltsabgabe hält aber auch Duzdar Änderungen für notwendig, diese sei in der bestehenden Form sozial ungerecht.
Seitens der ÖVP warf Kurt Egger der FPÖ vor, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zerschlagen zu wollen. „Da werden wir nicht mitspielen“, bekräftigte er. FPÖ-TV als Alternative zum ORF sei nicht die Lösung.
Der Jahresbericht und der angeschlossene Transparenzbericht wurden schließlich gegen die Stimmen der Freiheitlichen zur Kenntnis genommen und werden auf Verlangen der FPÖ auch im Plenum zur Verhandlung stehen.
ORF legte erstmals einen Transparenzbericht vor
Unter anderem geht aus dem Jahresbericht hervor, dass der ORF im Jahr 2023 weiter Marktanteile verloren hat. Zwar nutzten immer noch 6,1 Millionen Menschen täglich eines der multimedialen Angebote des ORF, sowohl der Marktanteil der ORF-Fernsehflotte als auch jener der Radioflotte gingen im vergangenen Jahr jedoch leicht zurück. So kamen ORF 1, ORF 2, ORF III und ORF Sport+ im Jahr 2023 auf einen gemeinsamen Marktanteil von 33,8 % in der Bevölkerungsgruppe 12+ – nach 34,6 % im Jahr 2022 -, die ORF-Radios erzielten zusammen 65 % (2022: 68 %). Auch die Zahl der Visits pro Monat im ORF.at-Network waren mit durchschnittlich 123,8 Millionen etwas rückläufig. Alle inhaltlichen Vorgaben des ORF-Gesetzes – etwa eine ausgewogene Programmmischung aus Information, Kultur, Unterhaltung und Sport sowie ein besonderer Fokus auf Sendungen mit Österreich-Bezug – wurden laut Bericht erfüllt, auch auf den massiven Ausbau des barrierefreien Angebots wird hingewiesen. Die Einnahmen aus kommerzieller Tätigkeit betrugen 335 Mio. €.
Vorrangig Beachtung in der Öffentlichkeit hat dieses Mal allerdings der erste Transparenzbericht gefunden, den der ORF ab nun jährlich vorlegen muss. Er informiert unter anderem über die Gehälter im öffentlich-rechtlichen Sender sowie über die Kosten von Eigen- und Auftragsproduktionen und bietet eine Übersicht über Beraterverträge und Werbeeinnahmen, wobei insbesondere die Spitzengehälter mancher ORF-Mitarbeiter:innen sowie Zusatzeinkünfte aus Nebenbeschäftigungen für Aufregung sorgten. Insgesamt bezogen 95 Personen ein Jahresbruttogehalt von mehr 150.000 €, wobei Ö3-Moderator Robert Kratky (443.894,39 €), Hauptabteilungsleiter und Projektleiter Pius Strobl (425.677,43 €) sowie ORF-Generaldirektor Roland Weißmann (425.500,04 €) an der Spitze stehen. (Schluss) gs
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