OÖ plant eine der längsten Rasselisten der Welt: Neue Probleme statt Ursachenbekämpfung

Heute endet die Begutachtungsfrist des neuen OÖ Hundehaltegesetzes, einer Anlassgesetzgebung als Folge des tödlichen Hundebeißvorfalls in Naarn am 2. Oktober des Vorjahres. Dabei hat der Verein Pfotenhilfe nur zwei Tage nach der Tragödie nachgewiesen, dass die Hunde sogar gezielt darauf trainiert wurden, Menschen zu beißen. Dies ist jedoch im bestehenden Hundehaltegesetz bereits verboten, sollte allerdings für die Vollzugsbehörden noch deutlicher ausformuliert werden, da dieses brandgefährliche Beiß- und Angriffstraining in einigen oö. Hundeschulen immer noch illegal praktiziert wird. Dass diese teilweise auch noch in einer Liste von Anbietern der vorgeschriebenen Sachkundekurse stehen, ist unvereinbar und muss jedenfalls als Ausschlussgrund formuliert werden.

Eine der längsten Rasselisten der Welt

Doch statt der relativ einfachen Ursachenbekämpfung solcher lebensgefährlichen Beißvorfälle, soll gemäß dem vorliegenden Entwurf eine der längsten Rasselisten der Welt kommen, die jedoch mit der offiziellen oö. Bissstatistik nichts zu tun hat. Denn neben sechs „speziellen Rassen“, die auf ÖVP/FPÖ-Wunsch extrem diskriminiert werden sollen, will man auch alle Rassen, die 40 cm Höhe oder 20 kg erreichen, mit strengen Auflagen belegen. Die Auswirkungen dieses hierzulande beispiellosen und hilflos wirkenden Experiments sind noch nicht abschätzbar, aber schon am Beginn der 40-seitigen Erläuterungen rechnet das Land damit, dass „auf Grund der neuen, teilweise strengeren Regelungen mit einer erhöhten Abgabe und mehr behördlichen Abnahmen von Hunden gerechnet werden muss.“ Die am meisten davon betroffenen Praktiker, wie der Tierschutzhof Pfotenhilfe, einer der größten Hunde-Vertragsverwahrer des Landes, wurden jedoch nicht einbezogen und auch auf Nachfrage schlicht und einfach ignoriert.

Trotzdem keine Aufstockung der Hundeplätze geplant?

„Wir haben Tierschutz-Landesrat Michael Lindner im Jänner auf die ohnehin längst überfälligen massiven Tierheimerweiterungen und -neubauten hingewiesen, die dadurch noch dringender werden. Und ihm schien das auch bewusst zu sein. Jetzt stellt sich aber heraus, dass es offenbar gar keine konkreten Pläne gibt! Im Gegenteil werden beschlagnahmte Hunde spätestens seit der monatelang verschleppten Razzia im Folterkeller von Ansfelden am 1. September 2023 regelmäßig sogar bis nach Wien gebracht, weil die oö. Tierheime schon seit Jahren bei Hunden am Limit sind, ja sogar in Tierkliniken in winzige Käfige gesteckt werden müssen“, ärgert sich Pfotenhilfe-Sprecher Jürgen Stadler. „Wir können jedenfalls nicht noch mehr Belastungen verkraften. Zudem werden solche gesetzlich stigmatisierten Hunde auch viel schwerer zu vermitteln und daher oft Langsitzer sein. Wir sehen uns auch nicht in der Lage, solche Auflagen zu kontrollieren. Man will uns ja nicht einmal Auskunft geben, ob Adoptionsinteressenten mit einem Tierhaltungsverbot belegt sind!“

Mehr Befugnisse der Gemeinden, aber weiterhin keine Kontrollen?

Zudem sollen die Gemeinden „umfangreiche Durchgriffsmöglichkeiten“ bekommen und schneller Untersagungen von Hundehaltungen aussprechen können. Doch schon jetzt schaffen es die Kommunen und Bezirksverwaltungsbehörden nicht, das dafür eigentlich ausreichende bestehende Hundehaltegesetz zu vollziehen. „Auch seit Jahren von uns immer wieder angezeigte Fälle von herrenlos auf den Straßen umherirrenden Hunden, die wiederholt beinahe Verkehrsunfälle verursachen, werden uns wieder und wieder von Anrainern gemeldet, die denken, dass wir diesbezüglich Befugnisse hätten“, berichtet Stadler. „Ohne Kontrollen existieren Gesetze halt nur am Papier – und das ist bekanntlich geduldig. Man erhofft sich offenbar, dass die abschreckende Wirkung durch Verlautbarungen reicht, doch hierdurch befürchten wir eher vermehrtes Aussetzen von Hunden.“

Bestehende Halter von vor Inkrafttreten angemeldeten Hunden sollen die neuen Regelungen nicht treffen, außer bei den sechs „speziellen Rassen“. Da hilft es auch nicht, wenn diese Hunde schon seit vielen Jahren völlig unauffällig sind – eine untragbare Regelung. Tierheime sind zwar gänzlich ausgenommen, doch die alleine werden das erhöhte Aufkommen nicht bewältigen können, weshalb auch Tierschutzvereine, Pflegestellen und Privatpersonen, die beschlagnahmte, abgeschobene oder ausgesetzte Hunde vorübergehend aufnehmen, ausgenommen werden sollten.

Fazit der Experten aus der Praxis: 

Strengere Regelungen für Hundehaltung sind zwar grundsätzlich zu begrüßen, da es mit der seit Jahren stark steigenden Zahl der Halter automatisch auch immer mehr völlig ungeeignete oder sogar gefährliche Halter gibt. Aber ohne entsprechende Begleitmaßnahmen kann so eine Anlassgesetzgebung schnell zu einem Bumerang werden. Und ohne Einführung von Routinekontrollen war womöglich alles umsonst. Verhindern wird dieses Gesetz wahrscheinlich keinen Hundebiss und schon gar kein weiteres Drama, wie in Naarn, denn das hatte ganz andere Gründe als Rasse, Größe oder Gewicht, die aber weder Staatsanwalt noch Gericht und offenbar auch die Politik nicht wirklich interessieren.

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