Anfang März hat Bundeskanzler Karl Nehammer angekündigt, die Digitalisierungsagenden nach dem Ausscheiden von Staatssekretär Florian Tursky aus der Regierung an Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm zu übertragen. Für die dafür nötige Änderung des Bundesministeriengesetzes hat der Verfassungsausschuss des Nationalrats heute grünes Licht gegeben. Gleichzeitig werden die jeweils zuständigen Regierungsmitglieder künftig dazu verpflichtet, via Bundesgesetzblatt bekanntzugeben, ab welchem Zeitpunkt ein ihnen zugeordneter Staatssekretär bzw. eine ihnen zugeordnete Staatssekretärin mit welchem Aufgabenbereich betraut wurde. Der Beschluss erfolgte zum Teil einstimmig, zum Teil mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und NEOS.
Im Ausschuss zur Diskussion standen darüber hinaus mehrere Oppositionsanträge, die jedoch vertagt wurden. Dabei ging es um die ORF-Gebühren, Pur-Abos für Social-Media-Accounts und die Unabhängigkeit von Stadtrechnungshöfen.
Zuständigkeit für Bundesrechenzentrum bleibt beim Finanzministerium
Konkret sieht der Koalitionsantrag zur Änderung des Bundesministeriengesetzes (3984/A) vor, die Kompetenzen für den Digitalisierungsbereich „einschließlich der staatlichen Verwaltung für das Service und die Interaktion mit Bürgern und Unternehmen“ mit Wirksamkeit vom 1. Mai 2024 vom Finanzministerium in das Bundeskanzleramt zu verschieben. Dazu gehören etwa die allgemeine Digitalisierungsstrategie, Angelegenheiten des E-Governments, die Planung des Einsatzes automationsunterstützter Datenverarbeitung, das elektronische Bürgerinformationssystem und das Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS). Lediglich die Zuständigkeit für das Bundesrechenzentrum soll beim Finanzministerium verbleiben. Begleitend dazu werden Regelungen in Bezug auf die Personalvertretung der betroffenen Bediensteten vorgenommen.
Mit einem gemeinsamen Abänderungsantrag der fünf Parlamentsfraktionen wurde außerdem kurzfristig eine Bestimmung in die Gesetzesnovelle eingebaut, die den jeweiligen Minister bzw. die jeweilige Ministerin künftig dazu verpflichtet, Zeitpunkt und Umfang von Aufgabenübertragungen an einen Staatssekretär bzw. eine Staatssekretärin unverzüglich im Bundesgesetzblatt zu verlautbaren. Begründet wird das damit, dass die Betrauung eines Staatssekretärs bzw. einer Staatssekretärin mit der Besorgung bestimmter Aufgaben nicht nur Auswirkungen auf die Weisungsbefugnis hat, sondern auch bezügerechtliche Folgen auslöst.
Wie Grünen-Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer ausführte, wurde damit das Anliegen eines gemeinsamen Gesetzesantrags von SPÖ-, FPÖ- und NEOS-Bundesräten aufgegriffen. Anlass für deren Vorstoß war eine Anfragebeantwortung von Bundeskanzler Karl Nehammer an NEOS-Bundesrat Karl-Arthur Arlamovsky, der zufolge Staatssekretär:innen in der Vergangenheit auch dann ein höheres Gehalt ausgezahlt bekommen haben, wenn sie erst verzögert mit einem bestimmten Aufgabenbereich betraut werden konnten. Die neue Verlautbarungspflicht soll nun für mehr Transparenz sorgen.
Während der Abänderungsantrag vom Verfassungsausschuss einhellig angenommen wurde, wurde die von den Regierungsparteien beantragte Kompetenzverschiebung lediglich von den NEOS mitunterstützt. Die NEOS seien der Meinung, dass die Regierung grundsätzlich selbst entscheiden dürfen solle, wie sie die Aufgaben innerhalb der Regierung verteile, argumentierte NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak.
SPÖ-Abgeordnete Sabine Schatz äußerte demgegenüber die Befürchtung, dass die Digitalisierung an Stellenwert verliert, weil anders als bisher kein eigener Staatssekretär dafür zuständig sein wird. Zudem hinterfragte sie die künftige Splittung der Agenden. Auffällig ist für Schatz außerdem, dass das Bundesministeriengesetz in der laufenden Legislaturperiode bereits zum fünften Mal geändert werde.
Von einer „guten Lösung“, die nach dem Abgang von Staatssekretär Florian Tursky gefunden worden sei, sprach hingegen Michaela Steinacker (ÖVP). Jugendstaatssekretärin Plakolm sei der Digitalisierungsbereich immer schon „am Herzen gelegen“, sagte sie. Großes Lob gab es von Steinacker auch für Tursky, dieser habe Richtungsweisendes geleistet.
FPÖ pocht auf Abschaffung der ORF-Gebühr
Mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt hat der Ausschuss die Beratungen über eine von der FPÖ beantragte Aufhebung des ORF-Beitrags-Gesetzes (3663/A), auf dessen Grundlage seit Anfang des Jahres die Haushaltsabgabe eingehoben wird. Es gehe nicht an, dass die Österreicher:innen „einen in relevanten Teilen verfassungswidrigen ORF“ mit einer „Zwangssteuer“ finanzieren, machen Parteichef Herbert Kickl und seine Fraktionskolleg:innen mit Verweis auf ein VfGH-Urteil zur Zusammensetzung des Stiftungs- und Publikumsrats geltend. Auch sieht sich die FPÖ durch den kürzlich vorgelegten Transparenzbericht des ORF in ihrer Vermutung bestätigt, dass ein guter Teil der ORF-Einnahmen „in Manager-Millionen, satte Luxus-Pensionen, teure 'Golden-Handshakes' und kostspielige Landesstudios“ fließt.
Wenn es um hohe Einkommen in der Privatwirtschaft gehe, sei sie eine Gegnerin von Neiddebatten, jedoch handle es sich beim ORF eben nicht um ein privates Unternehmen, sagte Susanne Fürst (FPÖ). Es sei nicht angebracht oder zulässig, schon gar nicht in Zeiten der hohen Teuerung, dass derart hohe ORF-Gehälter durch die neue Haushaltsabgabe finanziert würden und daneben auch noch vielfältige Möglichkeiten von Zusatzeinkommen für die Bezieher:innen bestünden. Die FPÖ setze sich daher für eine Reform und die Abschaffung der Haushaltsabgabe ein, so Fürst.
Muna Duzdar (SPÖ) hielt der FPÖ entgegen, dass das von ihr angesprochene VfGH-Urteil nichts mit der eingeführten Haushaltsabgabe zu tun habe, sondern mit Regierungseinfluss auf ORF-Gremien. Daher seien die bekanntgewordenen Chat-Nachrichten von Philipp Jelinek mit der FPÖ sehr entlarvend. Der ORF sei nicht dafür da, eine Jobbörse für die FPÖ zu sein, so Duzdar.
Sie könne sich der Ausführungen von Muna Duzdar vollinhaltlich anschließen, meinte Agnes Sirkka Prammer (Grüne). Wenn man die bekanntgewordenen Chats lese, werde deutlich, dass die FPÖ nicht für einen unabhängigen ORF eintrete. Der ORF müsse gebührenfinanziert bleiben und die eben erst eingeführte Haushaltsabgabe beibehalten werden, so Prammer. Denn der ORF sei eine Quelle recherchierter und faktengecheckter Berichterstattung im Gegensatz zu den Medienkanälen, „an welchen die FPÖ bastle“.
Die Transparenz der ORF-Gehälter diene der Glaubwürdigkeit. Zudem sei ein Verhaltenskodex für ORF-Mitarbeiter:innen erstellt worden, betonte Kurt Egger (ÖVP) und verwies darauf, dass jener ORF-Generaldirektor, der für den Abschluss der meisten Verträge mit „exorbitant hohen“ Gehältern verantwortlich sei, im Jahr 2006 im Stiftungsrat mit Unterstützung von FPÖ, SPÖ und Grünen in das Amt „gehievt“ worden sei.
SPÖ fordert Verbot von „Pur-Abos“ für Social-Media-Accounts
Die SPÖ hat das von Meta im vergangenen November eingeführte „Pay or Okay“-System zum Anlass genommen, um ein EU-weites Verbot von „Pur-Abos“ zu fordern. Das betreffende Modell zwinge Nutzer:innen dazu, einem umfassenden Tracking ihrer Daten – etwa für personalisierte Werbung – zuzustimmen, wenn sie Social-Media-Accounts wie Facebook weiter kostenlos nutzen wollten, kritisiert Abgeordnete Katherina Kucharowits. Sie appelliert daher mittels Entschließungsantrag (3917/A(E))an die Regierung, sich auf EU-Ebene für ein Verbot derartiger Modelle stark zu machen. Datenschutz sei ein Recht, das nicht veräußert werden könne und umfassend sichergestellt sein müsse, macht sie geltend.
Auch dieser Antrag wurde mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt. Sie verstehe zwar die Intention des Antrags, sagte Eva-Maria Himmelbauer (ÖVP), ihrer Meinung nach ist dieser aber zu kurz gedacht. Schließlich gebe es auch in anderen Bereichen „Pur-Abos“. So hätten auch Qualitätsmedien diesen Weg gewählt, um Qualitätsjournalismus finanzieren zu können. Laut Datenschutzbehörde erlaube es die DSGVO außerdem, Leistungen gegen personenbezogene Daten zu tauschen. Allerdings sind Himmelbauer zufolge dennoch einige Punkte zu prüfen – etwa die Höhe des Beitrags oder die Frage des Bestehens eines Universaldienstes -, damit würde sich aber ohnehin der Europäische Datenschutzausschuss auseinandersetzen.
Auch FPÖ-Abgeordneter Werner Herbert kann keinen Verstoß durch Meta gegen die Datenschutzgrundverordnung erkennen. Es werde ja niemand gezwungen, einen Social-Media-Account zu haben, sagte er. Vielmehr gehe es um eine Wirtschaftsfrage.
Dem widersprach Agnes Sirkka Prammer (Grüne). Es gehe nicht darum, dass man für einen werbefreien Account zahlen müsse, der eigentliche Knackpunkt sei das Tracking. Wenn man die Gebühr nicht zahle, erhalte man nicht nur Werbung, sondern müsse auch Daten-Tracking zustimmen. Ihr zufolge läuft dazu bereits ein gerichtliches Verfahren.
Verfassungsministerin Karoline Edtstadler wies darauf hin, dass das Thema bereits mehrfach auf europäischer Ebene diskutiert werde. So werde das Bezahlmodell etwa vom Europäischen Verbraucherverband bekämpft. Für Plattformen brauche es gewisse Schranken, machte Edtstadler geltend. Aufgrund von politischem Druck ist ihr zufolge auch bereits „extrem viel“ passiert, wobei sie unter anderem auf den Digital Service Act verwies.
Organstellung für Stadtrechnungshöfe
Auf eine Stärkung der Unabhängigkeit von städtischen Kontrollämtern bzw. Stadtrechnungshöfen zielt ein Entschließungsantrag der NEOS (3836/A(E)) ab. Demnach soll die Regierung dem Nationalrat eine Verfassungsnovelle zuleiten, der die Möglichkeit der Organstellung von Stadtrechnungshöfen in Städten mit eigenem Statut sicherstellt. Anlass für den Vorstoß von Nikolaus Scherak und Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ist das gescheiterte Vorhaben der Stadt Graz, den Stadtrechnungshof im Zuge eines Transparenzpakets aus dem Magistrat herauszulösen. Ihnen zufolge hat das Land Steiermark diese Initiative wegen „verfassungsrechtlicher Bedenken“ abgewiesen.
Es sei absurd, wenn ein Kontrollorgan der Stadt in der Weisungskette des Bürgermeisters sei, kritisierte Nikolaus Scherak (NEOS). Gabriel Obernosterer (ÖVP) entgegnete, dass sich jeder Bürgermeister davor hüten würde, bei Kontrollen einzugreifen. Daher sehe er keinen Bedarf für eine Neuregelung und stellte einen Vertagungsantrag. Nicht immer, wenn ein Land sage, dass etwas verfassungsrechtlich nicht möglich sei, solle gleich eine Verfassungsänderung angestrebt werden, meinte Agnes Sirkka Prammer (Grüne). Sie denke nicht, dass das Land Steiermark hier mit seiner Auslegung richtig liege. Die Details müsse man sich nochmals genau ansehen, so Prammer. (Schluss Verfassungsausschuss) gs/bea
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