WIFO-Studie zur Bildungskarenz: Gezielte Maßnahmen für weniger bildungsaffine Gruppen erforderlich

Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) hat eine neue Studie zur Inan­spruchnahme und Wirkung der Bildungskarenz veröffentlicht, in der erstmals seit langer Zeit die kausalen Effekte auf die Arbeitsmarktintegration der Teilnehmer:innen untersucht wurden.

Die Studie zeigt, dass die Teilnehmer:innen tendenziell jung, weiblich und höher gebildet sind. Etwa die Hälfte verfügt über mindestens einen Maturaabschluss, im Vergleich zu 40% der un­selbständig Beschäftigten im erwerbsfähigen Alter. Auffallend ist, dass vor allem Personen teil­nehmen, die bereits gut in den Arbeitsmarkt integriert sind.

In der Kerngruppe der Personen, die aus einer aktiven Beschäftigung in Bildungskarenz gehen, hat sich die Inanspruchnahme nicht wesentlich verändert. Es gibt zwar mehr Zugänge, jedoch hat sich auch die Zahl der Beschäftigten, also der potenziellen Teilnehmer:innen, stark erhöht. Deutlich zugenommen hat in den letzten Jahren jedoch die Inanspruchnahme der Bildungska­renz nach einer Elternkarenz.

Die Wirkung der Bildungskarenz ist moderat. Bei Teilnehmer:innen aus aktiver Beschäftigung wurde ein leicht negativer Beschäftigungseffekt festgestellt, während Frauen nach einer Eltern­karenz einen moderat positiven Effekt verzeichnen konnten. Untersucht wurden Zugänge von 2010 bis 2019 sowie die Wirkung bis zu 12 Jahre nach Teilnahmebeginn. In konkreten Zahlen:

  • Die Teilnahme aus aktiver Beschäftigung reduzierte den Anteil der Teilnehmer:innen in Beschäftigung zwölf Jahre nach Teilnahmebeginn um 1,9 Prozentpunkte (von 89,7% auf 87,9%).
  • Die Teilnahme nach der Elternkarenz erhöhte die Beschäftigungsquote der teilnehmenden Frauen nach zwölf Jahren um +3,1 Prozentpunkte (von 89,1% auf 92,2%).

Für beide Gruppen führte die Bildungskarenz zu höheren Monatslöhnen. Die aktiv Beschäftigten verzeichneten aufgrund der reduzierten Erwerbstätigkeit einen Rückgang ihrer kumulierten Jahreseinkommen. Im Gegensatz dazu konnten Frauen nach der Elternkarenz von einem hö­heren kumulierten Einkommen profitieren, da sie vermehrt erwerbstätig waren und von höhe­ren Monatslöhnen profitierten. In konkreten Zahlen:

  • Für die aktiv Beschäftigten erhöhte die Teilnahme das Monatseinkommen im 11. Jahr nach Teilnahmebeginn um durchschnittlich 203 € (+6,3%) und reduzierte das kumulierte Jahreseinkommen um 826 € (‑2,6%).
  • Für Frauen mit Bildungskarenz nach Elternkarenz erhöhte die Teilnahme das Monatseinkommen im 11. Jahr um durchschnittlich 182 € (+7,7%) und das kumulierte Jahreseinkommen um 2.381 € (+10,7%).

Eine umfangreiche Befragung der Teilnehmer:innen ergab eine durchwegs positive Beurteilung der Bildungskarenz als Möglichkeit zur Qualifizierung, persönlichen Weiterentwicklung, Verein­barkeit mit Betreuungsaufgaben und gesundheitlichen Stabilisierung. 84% der Befragten ga­ben an, dass die Bildungskarenz für ihr berufliches Fortkommen relevant war.

Das WIFO betont die zunehmende Bedeutung von Weiterbildung, um mit den Veränderungen in der Arbeitswelt Schritt zu halten und sieht in der Bildungskarenz ein wichtiges Instrument zu deren Förderung. Die Studie zeigt aber eindeutig Verbesserungspotenzial auf.

Um die Arbeitsmarktchancen und die Erwerbsbeteiligung effektiver zu erhöhen, schlägt das WIFO vor, die Bildungskarenz stärker mit geeigneten Weiterbildungsmaßnahmen zu verknüp­fen, eine umfassende, proaktive Bildungsberatung anzubieten und gezielt Maßnahmen zu set­zen, um weniger gut integrierte, bildungsfernere und ältere Personen zu erreichen. Für diese Gruppen ist eine gezielte Ansprache durch konkrete Weiterbildungsangebote sowie eine an­gemessene Einkommenssicherung während der Weiterbildung erforderlich.

Eine Intensivierung der Bildungskomponente durch umfassende Bildungsberatung, eine engere Bindung an geeignete Weiterbildungsmaßnahmen und eine Zertifizierung von Bildungsange­boten würde dazu beitragen, dass die Bildungskarenz häufiger im Sinne ihrer eigentlichen Ziel­setzung genutzt wird: Erhöhung der Arbeitsmarktchancen durch Weiterbildung. Dies gilt insbe­sondere auch für die Inanspruchnahme nach der Elternkarenz.

Die Studie zeigt zudem einen Bedarf an ausreichender Betreuungsinfrastruktur und speziellen Bildungsangeboten für Eltern mit Kleinkindern, die in den Beruf zurückkehren wollen. Für eine gezieltere Ausrichtung auf Bildungsziele und eine bessere Evaluation der Bildungskarenz schlägt das WIFO vor, das Ausbildungsniveau aller Teilnehmer:innen sowie die absolvierten Weiterbil­dungen zu erfassen.

Abbildung 1: Effekt der Bildungskarenz auf den Anteil der Teilnehmer:innen in Beschäftigung – auf der WIFO-Website

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte den folgenden WIFO-Publikationen:

Benjamin Bittschi, Rainer Eppel, Ulrike Famira-Mühlberger, Helmut Mahringer, Christine Zulehner, Evaluierung der Bildungskarenz und der Bildungsteilzeit (Oktober 2023, 290 Seiten, kostenloser Download)

Benjamin Bittschi, Rainer Eppel, Ulrike Famira-Mühlberger, Helmut Mahringer, Christine Zulehner, Evaluierung der Bildungskarenz und der Bildungsteilzeit. Kurzfassung (Oktober 2023, 33 Seiten, kostenloser Download)

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