Sicherheitspolitik, Migration und EU-Erweiterung bestimmen Debatte im EU-Hauptausschuss

Sicherheitspolitische Themen insbesondere hinsichtlich des Kriegs in der Ukraine, die Bekämpfung illegaler Migration und die Erweiterungspläne der EU am Westbalkan waren die dominierenden Themen der Sitzung des EU-Hauptausschusses, der heute im Vorfeld des Treffens des Europäischen Rats am 21. und 22. März zusammentrat. Bundeskanzler Karl Nehammer und EU-Ministerin Karoline Edtstadler standen den Abgeordneten Rede und Antwort.

Bezüglich der Ukraine betonte Nehammer die Bedeutung der Einbeziehung außereuropäischer Länder wie der BRICS-Staaten in den Prozess der Friedensvermittlung. Aufgrund von Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, wandten sich die Abgeordneten insbesondere gegen eine etwaige Entsendung von Truppen von EU-Mitgliedstaaten in das Kriegsgebiet. SPÖ und FPÖ brachten dazu zwei Anträge auf Stellungnahme ein, in denen sie die Bundesregierung auffordern, sich auf EU-Ebene "vehement" gegen eine solche Entsendung auszusprechen – auch nicht in den Sanitäts- oder Entminungsdienst, wie es in beiden Anträgen heißt. Die SPÖ fordert in ihrer Initiative zudem von der Bundesregierung, den Angriffskrieg Russlands weiterhin klar zu verurteilen und sich im Rahmen der EU für ein "Offenhalten der Gesprächskanäle" und die Suche nach einer Friedenslösung einzusetzen. Beide Anträge blieben in der Minderheit. Nehammer stellte klar, dass eine Entsendung von Truppen der Mitgliedstaaten ohnehin keine mehrheitsfähige Position innerhalb der EU darstelle.

Zum Thema Migration berichtete Nehammervom gestern fixierten Partnerschaftsabkommen der EU mit Ägypten. Abkommen wie dieses sowie stärkere Investitionen in den Außengrenzschutz sollen das "kaputte EU-Asylsystem" reparieren.

Sowohl Nehammer als auch Edtstadler begrüßten die auf EU-Ebene avisierten Beitrittsverhandlungen mit Bosnien und Herzegowina – trotz Bedenken insbesondere bezüglich der Rechtsstaatlichkeit im Land. Beide zeigten sich überzeugt, dass der Beitrittsprozess als "Reformmotor" wirken könne.

Ukraine: Nehammer will Länder des globalen Südens stärker in Friedensprozess einbinden

In seinem einleitenden Statement pochte Bundeskanzler Nehammer angesichts einer sich weiter drehenden "Eskalationsspirale" im Ukraine-Krieg auf die Einbeziehung von "großen Playern des globalen Südens" – insbesondere der BRICS-Staaten –  in die Friedensbemühungen. In der EU befände man sich in einer "westlichen Echokammer" in der man sich rasch einigen könne, während die Perspektiven außerhalb Europas oftmals andere seien. Daher sei es wichtig, auch außereuropäische Perspektiven und Verbündete in der Friedenschaffung zu berücksichtigen. Speziell bei Indien und China – um deren Unterstützung auch die USA werben würden – sah Nehammer dahingehend wertvolles Potenzial. Zudem müsse sichergestellt werden, dass die BRICS-Staaten die Sanktion gegen Russland nicht umgehen und der "Aggressor isoliert" werde, wie Wolfgang Gerstl (ÖVP) ergänzte.

Die Erwägungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, auch europäische Bodentruppen in die Ukraine zu entsenden, sorgten im Ausschuss für Diskussionsbedarf. FPÖ-Mandatar Axel Kassegger sprach von einem gefährlichen "Anfall von Napoleonismus", der in Richtung einer militärischen Eskalation deute. Auch Philip Kucher und Mario Lindner (beide SPÖ) wandten sich gegen dahingehende Überlegungen. Lindner fragte Nehammer, ob er auch auf EU-Ebene dagegen Stellung bezogen habe. Laut Nehammer fielen die gegenständlichen Aussagen Macrons erst nach einer Konferenz zum Ukraine-Krieg in Paris. Es sei von Beginn an klar gewesen, dass es sich dabei um keine mehrheitsfähige Position innerhalb der EU handle. Österreich setze klar auf Deeskalation, was Nehammer auch mit seinen Reisen sowohl nach Kiew als auch nach Moskau demonstriert habe. Wolfgang Gerstl betonte, dass es auch keine gesetzliche Grundlage dafür gebe, österreichische Soldat:innen in die Ukraine zu entsenden, weshalb er sich über den Antrag der FPÖ verwundert zeigte. Auch Martin Engelberg sah den Antrag als "politisches Manöver", das eher die Position des Bundeskanzlers bestätige.

Für die Frage der Sicherheit der Gasversorgung interessierten sich Mario Lindner (SPÖ), Axel Kassegger (FPÖ) und David Stögmüller Grüne). Während Stögmüller im Bezug russischen Gases eine Unterstützung von Putins "Kriegsmaschinerie" sah, bezweifelte Kassegger die Realisierbarkeit der Energieunabhängigkeit von Russland vor dem Hintergrund einer Ankündigung des ukrainischen Energieministers, schon ab 2025 kein russisches Gas mehr die Ukraine passieren zu lassen. Bundeskanzler Nehammer sprach von mehreren Maßnahmen, die gesetzt worden seien, um die "strategische Reserve der Republik" sicherzustellen und Versorgungsunabhängigkeit von russischem Gas zu erreichen. So sei der derzeitige Gasspeicherstand ein "mehr als guter" und über den Sommer werde dieser weiter verbessert. Hinsichtlich der Energie-Unabhängigkeit von Russland nannte Nehammer etwa den Ausbau der WAG Loop (neuer Abschnitt der West-Austria-Gasleitung), um die Gasversorgung aus dem Westen Europas sicherzustellen und die Anmietung von Pipeline-Kapazitäten für die Versorgung mit Flüssiggas (LNG).

Weiters thematisierten Wolfgang Gerstl (ÖVP), Mario Lindner (SPÖ) Georg Bürstmayr (Grüne) und Helmut Brandstätter (NEOS) die Menschenrechtslage in Russland. Nehammer erklärte, dass Österreich sämtliche der mittlerweile 13 Sanktionspakete mitgetragen habe und nicht zögern werde, weitere zu beschließen, wenn dies notwendig werden sollte.

Migration: "Kaputtes" EU-Asylsystem soll laut Nehammer repariert werden

Sowohl Bundeskanzler Nehammer als auch EU-Minister Edtstadler unterstrichen, dass Österreich federführend  beteiligt gewesen sei, einen Paradigmenwechsel bei Migration und Asyl auf  EU-Ebene herbeizuführen. Es sei notwendig, das "kaputte EU-Asylsystem" zu reparieren, da der Migrationsdruck auf Europa nach wie vor zunehme, so Nehammer. Er nannte Investitionen in den Grenzschutz und Abkommen mit Drittstaaten "auf Augenhöhe" als die wichtigsten Mittel zur Bekämpfung illegaler Einwanderung. Als Beispiel für letztere berichtete Nehammer vom am Vortag in Kairo fixierten Partnerschaftsabkommen der EU mit Ägypten, nach dem sich Wolfgang Gerstl (ÖVP), David Stögmüller (Grüne) Helmut Brandstätter (NEOS) erkundigten. Dieses bringe nicht nur eine Verbesserung der Migrationssituation für Europa, sondern durch eine nachhaltige Kooperation auch wirtschaftliche Vorteile für Ägypten, das aufgrund der Krise im Suez-Kanal und der Angriffe der Huthi im Roten Meer Einkommensverluste zu verzeichnen habe. Durch die Zusammenarbeit mit der EU würden gleichzeitig Perspektiven vor Ort geschaffen und damit der Druck auf die Außengrenzen reduziert, erklärte Nehammer.

Es gelte nun noch mehr EU-Mitgliedstaaten von dem Paradigmenwechsel und einer verstärkten Zusammenarbeit mit Drittstaaten zu überzeugen, auch um das Geschäftsmodell der Schlepper zu durchbrechen und das Sterben im Mittelmeer zu beenden. Die ebenfalls angestrebte Abwicklung von Asylverfahren in sicheren Drittstaaten bedeute für die Asylwerber:innen keine Verschlechterung ihrer Situation, da die dafür vorgesehenen Einrichtungen sich nach den Standards der UNHCR richten würden, wie Nehammer ausführte. Auch die Lage der Menschenrechte in Ägypten und die Situation im Gaza-Streifen seien in Kairo besprochen worden.

EU-Erweiterung: Beitrittsverhandlungen mit Bosnien und Herzegowina als "Reformmotor"

Einen weiteren Schwerpunkt der Ausschussdebatte bildeten die auf EU-Ebene avisierten Beitrittsverhandlungen mit Bosnien und Herzegowina. Dafür interessierten sich Andreas Minnich (ÖVP), Axel Kassegger (FPÖ) Jakob Schwarz (Grüne), Helmut Brandstätter (NEOS). Besonders kritisch zeigte sich Kassegger, der den Westbalkan-Staat als "failed state" bezeichnete und gravierende Nachteile für Österreich befürchtete, wenn dieser der EU beitrete. Auch Brandstätter sah eine funktionierende Rechtsstaatlichkeit in Bosnien und Herzegowina "im Moment nicht gegeben".

Bundeskanzler Nehammer stimmte der Kritik zu, betonte jedoch, dass der Beitrittsprozess als "Reformmotor" für das Land wirken könne, auch wenn es große Bedenken gebe, insbesondere was die Rolle der Republika Srpska betreffe. Dies zeige sich schon jetzt, da "deutlich mehr Bemühungen" seitens Bosnien und Herzegowinas zu verzeichnen seien, den  EU-Kriterien zu entsprechen. Auch drohten "alte Bruchlinien" wieder aufzubrechen, wenn der Einfluss der EU schwinde, so Nehammer.

Eine weitere Krise im Umfeld Europas könne sich die EU "nicht leisten", zeigte sich auch EU-Ministerin Edtstadler überzeugt. Sie sah ebenfalls die Rechtsstaatlichkeit in Bosnien und Herzegowina noch nicht auf dem notwendigen Niveau entwickelt. Doch genau diese Entwicklung solle durch die Beitrittsverhandlungen und eine "graduelle Integration" gefördert werden. Es gehe darum, "Stabilität zu exportieren, anstatt Instabilität zu importieren", so Edtsstadler.

Weiters interessierten sich die Abgeordneten für die Situation in Israel bzw. im Gaza-Streifen, Maßnahmen gegen den Antisemitismus, die europäische Verteidigungsindustrie, die Rolle Ungarns innerhalb der EU, Freihandelsabkommen und die ökonomische Wettbewerbsfähigkeit der EU. (Schluss) wit


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