Wien (KAP) – Österreichs Bischöfe erweisen sich im Hinblick auf die Wahl des EU-Parlaments als überzeugte Europäer: Die vielfältigen Herausforderungen, vor denen die Welt und mit ihr Europa stünden, gelte es – auch auf Basis des christlichen Wertefundaments und des Beitrags von Christinnen und Christen – solidarisch zu lösen. In ihrer mit Abstand längsten Erklärung im Anschluss an ihre Frühjahrsvollversammlung in St. Georgen am Längsee appellieren die Bischöfe zugleich an alle Bürgerinnen und Bürger der EU, bei der anstehenden Wahl, die in Österreich am 9. Juni 2024 stattfindet, ihr Stimmrecht auszuüben, „um damit Europa konstruktiv mitzugestalten und die Demokratie zu stärken“.
Weitere Erklärungen der Bischofskonferenz befassen sich mit den Kriegen in der Ukraine und im Heiligen Land sowie der Weiterarbeit am Synodalen Prozess in Österreich.
In ihrem Text zur Europawahl erinnern die Bischöfe an den Ursprung der Europäischen Union als Friedensprojekt und an die „zutiefst christlich geprägten Visionäre“, denen der Anstoß zur Gründung zu verdanken gewesen sei. Dem „primären Zweck“, mit der Aussöhnung zwischen einst verfeindeten Nationen nachhaltigen Frieden zu schaffen, sei die EU bisher gerecht geworden. Zugleich zeige „der furchtbare Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine“ deutlich, „wie wichtig und zugleich gefährdet“ der Friede sei.
Sorge äußern die Bischöfe um den christlichen Glauben als Wertefundament, „der immer mehr in Vergessenheit zu geraten droht“. Die Europäische Union fuße auf der uneingeschränkten Achtung vor der Würde jedes einzelnen Menschen. „Wo Europa diese Grundlagen verliert, ist letztlich immer der Mensch in Gefahr“, warnen die Bischöfe.
In ihrer Erklärung nennen die Bischöfe fünf akute Problembereiche, die jenseits nationalstaatlicher Teilinteressen Zusammenhalt erforderten: Achtung vor dem menschlichen Leben, Migration, Ukraine und Außenerweiterung, Klima- und Umweltkrise sowie Künstliche Intelligenz und Digitalisierung. Kritik üben sie an den zahlreichen Aufrufen des Europäischen Parlaments und einiger Regierungen, Abtreibung in die Charta der Grundrechte aufzunehmen, sie pochen auf die Einhaltung des Grundrechts auf Asyl und sprechen sich auch vor dem Status der Ukraine als EU-Bewerberland für „weiterhin unbedingte Solidarität“ mit dem Land aus, „auch wenn es uns viel kosten mag“.
Gegen die Klima- und Umweltkrise müsse alles getan werden, um die bedrohlichen Folgen des Klimawandels so gering wie möglich zu halten, betonen die Bischöfe weiter. Und besondere Wachsamkeit erforderten der Möglichkeiten in den Bereichen Künstliche Intelligenz und Digitalisierung, „die Menschen manipulieren, ihre Freiheit einschränken und das demokratische Zusammenleben fundamental gefährden können“.
Keine Wahlempfehlung, aber Kriterien
Die österreichischen Bischöfe vertrauen bei der Europawahl im kommenden Juni auf die „Mündigkeit und Urteilskraft“ der Wählerinnen und Wähler und geben keine Wahlempfehlung ab; wohl aber gebe es Kriterien, die es beim Urnengang zu berücksichtigen gelte: Der Linzer Bischof Manfred Scheuer nannte am Freitag in seiner Funktion als stellvertretender Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz etwa das Hochhalten von Menschenrechten und Menschenwürde, das Ernstnehmen der Klimakrise und der Interessen nachkommender Generationen, Bereitschaft zur Solidarität mit den Schwachen in der Gesellschaft und die Beachtung rechtsstaatlicher Standards.
Wichtig für die Demokratie sei jedenfalls, das Wahlrecht auszuüben, betonte Bischof Scheuer bei einer Pressekonferenz im Wiener Club Stephansplatz 4, bei der er den verhinderten Bischofskonferenz-Vorsitzenden Erzbischof Franz Lackner vertrat. Gefährdet sieht Scheuer die Demokratie durch „Blasenbildung“ in den sozialen Medien, durch die Polarisierung zunehme und öffentliche Debatten verarmen würden.
Hilfe für die Ukraine „lebensnotwendig“
Weil ein Ende des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine „leider nicht Sicht ist, sind Hilfe und Solidarität lebensnotwendig“. Das betonen die österreichischen Bischöfe in einer Erklärung mit Blick auf den seit mehr als zwei Jahren tobenden Konflikt im Osten Europas. Die Attacke Russlands als Ursache für das Leid der 17,6 Millionen Menschen, die in der Ukraine auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, und der 6,3 Millionen Heimatvertriebenen sei „ein schweres Unrecht, das immer wieder klar benannt werden muss“.
Gewürdigt wird in dem Text das Engagement der österreichischen Caritas, die seit 30 Jahren in der Ukraine im Einsatz sei und aktuell Projekte zu Winterhilfe, Altenpflege und Hilfe für Kinder durchführe. Ein Gutteil der Mittel für diese Hilfe sei Menschen zu verdanken, die dafür spenden, wiesen die Bischöfe hin. Sie sehen aber auch die öffentliche Hand gefordert: Der Auslandskatastrophenfonds solle bis 2030 auf insgesamt 200 Millionen Euro pro Jahr aufgestockt werden; für Vertriebene aus der Ukraine in Österreich forderten die Bischöfe eine langfristige Perspektive und bessere Integrationsangebote.
Heiliges Land braucht endlich Frieden
„Das Leid der Menschen im Heiligen Land schreit zum Himmel“ – es erfordere die unverzügliche Geiselfreilassung durch die Hamas, einen Waffenstillstand und „endlich ausreichend humanitäre Hilfe“ für die Menschen in Gaza. Diesem bereits mehrfach von Papst Franziskus und dem Lateinischen Patriarchen von Jerusalem, Erzbischof Kardinal Pierbattista Pizzaballa, erhobenen Appell schließen sich die österreichischen Bischöfe in einer Erklärung zum aktuellen Nahost-Konflikt „aus tiefster Überzeugung“ an: „Jeder noch so kleine Schritt, der das Leid mildert und die Hoffnung auf Frieden nährt, muss gesetzt werden.“
Seit dem „brutalen Angriff der islamistischen Terrororganisation Hamas am 7. Oktober 2023“ und der militärischen Reaktion Israels darauf „nimmt das Sterben kein Ende“, zeigt sich der heimische Episkopat betroffen. Tausende Zivilisten seien bereits ums Leben gekommen, verletzt oder durch fehlende Lebensgrundlagen bedroht. An die Hamas richten die Bischöfe die eindringliche Forderung, „die palästinensische Bevölkerung in Gaza nicht länger in Geiselhaft zu nehmen“.
Zugleich bekräftigen sie das legitime Existenzrecht Israels und jenes auf Selbstverteidigung, Frieden und Sicherheit. Ein Ende der Gewalt liege nicht nur im Interesse der Menschen in Gaza und in den Palästinensergebieten, sondern auch im Interesse Israels und seiner Bewohner, so die Überzeugung der Bischöfe. „Nicht nur der Papst“ setze sich weiterhin für eine Zwei-Staaten-Lösung im Heiligen Land ein. Eine gerechte politische Ordnung, die Israelis und Palästinensern ein Leben in Würde und mit Zukunftsperspektiven ermögliche, sei „die einzige nachhaltige Sicherheitsgarantie gerade auch für Israel“.
Intensivierte Weiterarbeit an der Weltsynode
Von einer intensivierten und guten Weiterarbeit am weltweiten Synodalen Prozess in Österreich berichte die Bischofskonferenz in einer eigenen Erklärung, in der sie auch den Fahrplan bis zur zweiten Weltbischofssynode im kommenden Oktober skizziert. Es habe sich eine „synodale Gesprächskultur“ etabliert, die sich bereits in der Bischofssynode im vergangenen Herbst in Rom bewährt habe: „Diese Haltung bewahrt vor Rechthaberei, populistischer Spaltung oder der Einebnung von berechtigten Differenzierungen“, erklärten die Bischöfe. Methodisch wie auch inhaltlich wirke sich der Synodale Prozess auch auf die bereits bestehenden diözesanen Kirchenentwicklungsprozesse in Österreich aus.
Der bei der ersten Weltsynode beschlossene „Synthese-Bericht“ werde seit Dezember sowohl auf diözesaner als auch auf nationaler Ebene inhaltlich vertieft. Ergebnisse werden bis zum 25. April festgehalten, aus allen Eingaben erstellt das nationale Synodenteam eine achtseitige Zusammenfassung, die als Österreich-Bericht bis 15. Mai an das Synodensekretariat in Rom ergeht.
Immer wieder im Blick seien Fragen zur Teilhabe von Laienchristen an kirchlichen Ämtern und Vollzügen, speziell auch die Stellung der Frau in der Kirche. Leitend bei allen Themen ist nach den Worten der Bischöfe „das Bemühen um eine synodale Kirche, die missionarisch in die gegenwärtige Gesellschaft hineinwirkt“.
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