Kräfte vereinen: Gegen Mehrfachdiskriminierung von Frauen

Am 8. März ist internationaler Frauentag – weltweit Anlass, um auf den Kampf von Frauen um Gleichberechtigung aufmerksam zu machen. Frauen mit Behinderungen erleben diesen Kampf in mehrfacher Hinsicht. Die Behindertenanwältin und der Verein Ninlil rufen auf: Wir müssen Frauen mit Behinderungen dabei unterstützen, sich für ihre Rechte und ihre Sichtbarkeit in der Gesellschaft einzusetzen.

Frauen sind in unserer Gesellschaft nach wie vor benachteiligt. Althergebrachte patriarchale Gesellschaftsstrukturen sorgen dafür, dass sie oft zurückhaltender sind als Männer und sich weniger zutrauen. Unbezahlte Arbeit, wie zum Beispiel Hausarbeit, Kinderbetreuung oder die Organisation des Familienlebens, erledigen in vielen Fällen Frauen. Schlechtere Chancen am Arbeitsmarkt führen zu geringerem Einkommen. Die Armutsgefährdung ist groß. Außerdem sind Frauen öfter Opfer von Belästigung und Gewalt. Die Liste der Arten, auf die Frauen diskriminiert werden, ist lang. Bei Frauen mit Behinderungen kommen sie noch viel stärker zum Tragen. 

Mehr und mehrfach benachteiligt

Der Grund dafür: Frauen mit Behinderungen sind neben der Diskriminierung als Frau auch jener als Mensch mit Behinderung ausgesetzt. „Dieses Zusammenwirken mehrerer Formen von Diskriminierung nennt man Intersektionalität“, weiß Christine Steger, Behindertenanwältin des Bundes. Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen beschreibt dieses Phänomen der mehrfachen Diskriminierung in Artikel 6. „Als Vertragsstaat muss Österreich diesen Aspekt besonders berücksichtigen und Frauen mit Behinderungen gezielt stärken und unterstützen, um für sie Gleichberechtigung zu erreichen“, so Steger. Bei der Umsetzung dieser Vorgabe gibt es allerdings noch reichlich Luft nach oben.

Kritik am schleppenden Fortschritt

Im Herbst vergangenen Jahres hat der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen seine Handlungsempfehlungen für Österreich veröffentlicht. Was Frauen mit Behinderungen betrifft, zeigte sich der Fachausschuss in vielerlei Hinsicht besorgt über die aktuelle Situation. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Behinderungen. Hier gibt es die dringende Empfehlung, vorbeugende und schützende Maßnahmen zu treffen.

Gewalt als zentrales Problem

Eine breit angelegte Studie im Auftrag des Sozialministeriums mit dem Titel „Erfahrungen und Prävention von Gewalt an Menschen mit Behinderungen“ aus dem Jahr 2019 zeigt auf, wie schwerwiegend diese Problematik tatsächlich ist. Der Gewalt-Begriff umfasst ein breites Spektrum. Dazu zählt körperlichen Gewalt, wie zum Beispiel Schlagen oder Verprügeln, genauso wie psychische Gewalt, zum Beispiel Beschimpfen, Abwerten oder Vernachlässigung, sowie sexuelle Gewalt und strukturelle Gewalt, die oft zu einer massiven Einschränkung der Selbstbestimmung führt. Vielfach wird deutlich, dass innerhalb der Gruppe von Menschen mit Behinderungen Frauen ganz besonders gefährdet sind, Gewalt zu erfahren.

Füreinander stark machen

Hier setzt der Verein Ninlil mit seinen Angeboten an. Unter dem Titel „Kraftwerk“ arbeitet der Verein aktiv gegen sexuelle Gewalt an Frauen mit Lernschwierigkeiten oder Mehrfachbehinderungen. Beratung und Unterstützung zu vielen anderen Themen, die für Frauen und Mädchen mit Behinderungen wichtig sind, gibt es im Bereich „Zeitlupe“. Zentral in der Arbeit von „Zeitlupe“ ist das Prinzip der Peer-Beratung. Das heißt, die Mitarbeiterinnen leben selbst mit einer Behinderung. Gleichzeitig haben sie fundierte fachliche Ausbildungen. Beides zusammen gewährleistet kompetente Unterstützung auf Augenhöhe.
Die Mitarbeiterinnen beider Arbeitsbereiche von Ninlil wissen: „Der wichtigste Grundbaustein für Gewaltprävention ist Selbstbestimmung in allen Bereichen des Alltags. Solange die Unterstützung, die Frauen mit Behinderung im Alltag brauchen, nicht selbstverständlich in ausreichendem Maß gewährleistet ist, bleibt ein besonders hohes Risiko für Abhängigkeit in Beziehungen. Damit steigt leider wiederum das Risiko, von Gewalt betroffen zu sein.“ erläutert Elisabeth Udl, Geschäftsführerin des Vereins.

Frauenrechte für alle Frauen

Dass Frauen innerhalb der Gruppe von Menschen mit Behinderungen eine eigene Zielgruppe sind, auf deren Bedürfnisse man gezielt eingehen muss, ist in der öffentlichen Wahrnehmung noch viel zu wenig angekommen. „Frauen mit Behinderungen sind quasi unsichtbar“, kritisiert Christine Steger. „Innerhalb der Gruppe von Menschen mit Behinderungen genauso wie insgesamt als Teil der Gesellschaft. Das muss sich ändern!“ Vor allem im Bereich der Beratungsstellen sieht die Behindertenanwältin großes Potenzial: Frauenberatungsstellen müssen sich der Zielgruppe von Frauen mit Behinderungen bewusst werden und entsprechende Angebote in ihr Programm aufnehmen. Dazu meint Elisabeth Udl: „Ideal wäre, wenn überall in Österreich in den Frauen- und Mädchenberatungsstellen auch Peer-Beraterinnen tätig wären.“ Parallel sollte die öffentliche Hand den Ausbau eines Netzwerks an eigenen Peer-Beratungsstellen für Frauen mit Behinderungen gezielt fördern.

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