Wien (PK) -"Batej Almin – Häuser der Ewigkeit" lautet der Titel des vom Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus herausgegebenen Sammelbands, der auf Einladung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka am Donnerstagabend im österreichischen Parlament vorgestellt wurde. Der Bildband beleuchtet die Instandsetzung und Pflege der jüdischen Friedhöfe in Österreich durch den Friedhofsfonds, der beim Nationalfonds zum Zweck der Bewahrung der jüdischen Friedhöfe eingerichtet ist.
Im Rahmen der Buchpräsentation wurde neben dem Sammelband auch die Edition 2024 des "Wegweisers für den Besuch der jüdischen Friedhöfe in Österreich" vorgestellt. Judith Pfeffer, interimistische Generalsekretärin-Stellvertreterin des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, führte durch den Abend und stellte die beiden Publikationen vor. Pfeffer hob hervor, dass jüdische Friedhöfe neben ihrer ursprünglichen Bestimmung als Grabstätten auch bedeutende Kulturstätten und Zeugnisse der Geschichte und der Traditionen jüdischer Gemeinschaften sind. Das nationalsozialistische Vernichtungsprogramm habe sich daher auch auf diese Friedhöfe erstreckt, um mit ihnen die Erinnerung an das jüdische Lebens in Europa auszulöschen. Der Band gebe nicht nur Einblicke in die Geschichte der Friedhöfe und in die Erfahrungen mit ihrer Instandhaltung, er verdeutlich auch die gesellschaftliche Relevanz des Engagements für die Erhaltung dieser besonderen Denkmäler von Österreichs Vergangenheit.
Sobotka: Erhaltung der jüdischen Friedhöfe ist Bewahrung der Erinnerung
Die Eröffnungsworte zum Abend sprach Nationalpräsident Wolfgang Sobotka in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Kuratoriums des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus und des Fonds für die Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich. Er würdigte die erfolgreiche Arbeit der vielen Organisationen und Einzelpersonen, deren unermüdlichen Einsatz. Nach 1945 hätten diese Friedhöfe lange Zeit nicht die ihnen gebührende Beachtung erhalten. Damit sei auch ein wichtiger Teil der österreichischen Geschichte ausgeblendet worden. Welche kulturhistorischen Schätze es hier zu bewahren gelte, zeige insbesondere der Währinger jüdische Friedhof, der ihm besonders am Herzen liege, sagte der Nationalratspräsident. An diesem Ort seien viele Persönlichkeiten des jüdischen Wien begraben, die eng mit dem Aufstieg Wiens zur Weltstadt im 19. Jahrhundert verbunden waren. Mit der Wiederherstellung der jüdischen Friedhöfe würden jedoch nicht nur kulturgeschichtlich bedeutsame Denkmäler wieder ins Bewusstsein der österreichischen Zivilgesellschaft gerückt. Österreich erfülle damit auch seinen Auftrag, der Opfer des NS-Regimes zu gedenken und die Erinnerung an sie zu bewahren. Er hoffe, dass auch der vorgestellte Sammelband zur Bewusstseinsbildung beiträgt.
IKG-Vizepräsidentin Prutscher erinnert an große Vergangenheit der jüdischen Gemeinde
In ihren Gruß- und Dankesworten dankte Claudia Prutscher, Vizepräsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, den Freiwilligen, die viele Arbeitsstunden für die Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe aufgewendet haben. Der Sammelband "Häuser der Ewigkeit" zeige, wie vielfältig das jüdische Leben einmal in Österreich war. Sie seien nun Zeugen dieser großen Vergangenheit des österreichischen Judentums, an die die jüdische Gemeinde nach 1945 nur teilweise wieder anschließen konnte. Der antisemitische Brandanschlag auf die jüdische Zeremonienhalle am Wiener Zentralfriedhof im November 2023 zeige leider in beunruhigender Weise auf, dass die Gefahren für das jüdische Leben auch in Österreich wieder gestiegen seien. Insbesondere nach dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober hätten auch Jüdinnen und Juden wieder Angst. Daher müssten alle Anstrengungen unternommen werden, damit "das Undenkbare nicht wieder denkbar wird", mahnte Prutscher. Neben der Erinnerung an die große jüdische Vergangenheit gelte es, jüdisches Leben in Österreich auch in Zukunft zu sichern.
Jüdische Friedhöfe als kulturelles Erbe
Nähere Einblicke in die komplexen Aufgaben, welche die Instandhaltung und Restaurierung jüdischer Friedhöfe mit sich bringt, bot eine Podiumsdiskussion. Moderiert wurde diese von Sylvia Preinsperger, die als Mitarbeiterin des Bundesdenkmalamts auch Vorsitzende des Beirats des Friedhofs-Fonds ist. Neben den praktischen Herausforderungen der Arbeit wurde in der Diskussion auch die Frage des weiteren Umgangs mit den Friedhöfen als besondere Erinnerungsorte angesprochen.
Ariel Muzicant, Ehrenpräsident der Israelitischen Kultusgemeinde und Präsident des European Jewish Congress, erinnerte daran, dass die Instandhaltung der jüdischen Friedhöfe die verbliebenen jüdischen Gemeinden nach 1945 vor nahezu unlösbare Aufgaben stellte und auch nicht oberste Priorität hatte. Erst allmählich sei ein Bewusstseinswandel in den Kultusgemeinden und in der österreichischen Öffentlichkeit erfolgt und habe 2001 zum Washingtoner Abkommen geführt, in dem Österreichs sich völkerrechtlich zur Restaurierung und Erhaltung jüdischer Friedhöfe in Österreich verpflichtet habe. Was mit dem Fonds unterdessen erreicht worden sei, gehe über das ursprüngliche Anliegen der Kultusgemeinden, die Friedhöfe so zu sichern, dass man sie gefahrlos betreten könne, bereits weit hinaus. Erfreulicherweise gebe es nun auch in der österreichischen Öffentlichkeit Interesse an diesen nicht nur historisch und kulturgeschichtlich, sondern auch emotional so wichtigen Orten.
Für Brigitte Mang, Professorin für Gartendenkmalpflege an der Hochschule Anhalt, sind die vergangenen 14 erfolgreichen Jahre des Friedhofs-Fonds der Tatsache zu verdanken, dass sich ein gemeinsames Verständnis aller Beteiligten für die gestellte Aufgabe entwickelt hat. Dazu gehöre auch, dass immer ein den jeweiligen Örtlichkeiten angepasster Zugang gefunden wird. Anfänglich habe man bei auftauchenden Problemen ins Ausland geblickt, wie dort mit den Herausforderungen umgegangen werde. Unterdessen werde das österreichische Knowhow aus anderen Ländern nachgefragt.
Gerhard Rennhofer berichtete von den besonderen Herausforderungen, die sich für ihn als Landschaftsarchitekten im Umgang mit jüdischen Friedhöfen stellt. Die Sicherung des Geländes erfordere auch umfangreiche Rodungen. Bei der Ersatzbepflanzung sei nicht nur auf praktische gärtnerische Aspekte zu achten. Im Auge behalten müsse man auch, dass ein würdiger Rahmen für die Grabdenkmäler gestaltet werde und für kommende Generationen erhalten bleibe.
Architekt und Dombaumeister Wolfgang Zehetner ging auf die besonderen Herausforderungen ein, welche die Restaurierung des jüdischen Friedhofs Währing darstellt, die er als Generalplaner betreut. Die Lokalisierung der Grabstätten sei letztlich erst mit dem Einsatz neuer technischer Möglichkeiten, wie einem 3D-Scan, möglich geworden. Nicht alles könne auf Dauer erhalten werden, denn Sandstein verwittere und Inschriften würden unleserlich. Besonderer Wert werde daher auch auf die Dokumentation der Arbeitsschritte und kulturgeschichtlich wichtiger Details gelegt.
Heinz G. Schratt berichtet als Obmann des Komitees zur Erhaltung des jüdischen Friedhofs Klosterneuburg von einer erfolgreichen zivilgesellschaftlichen Initiative. Durch die Zusammenarbeit mit Pädagog:innen sei es gelungen, den Friedhof als würdigen Gedächtnisort für die Opfer der Shoah im kollektiven Bewusstsein zu verankern. (Schluss) sox
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