Der Sozialausschuss hat heute eine Reihe von Änderungen in Arbeitsgesetzen auf den Weg gebracht, die die Koalition zur Umsetzung einer EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen vorgeschlagen hat. So sollen unter anderem die Bestimmungen über den Dienstzettel geändert und ein Recht auf Mehrfachbeschäftigung geschaffen werden.
Zahlreiche Initiativen der Opposition, etwa zu Kinder-Influencer:innen, dem Zugang zum Arbeitsmarkt für Migrant:innen oder der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit von Menschen mit Behinderung, wurden vertagt. Von den Oppositionsparteien kam dazu Kritik. Dagmar Belakowitsch (FPÖ) sprach von einer "Vertagungsorgie", Ausschussvorsitzender Josef Muchitsch (SPÖ) von einem "Vertagungsmarathon". Für Gerald Loacker (NEOS) ist es "keine Art", dass auch neue Anträge in einem Atemzug "vom Tisch gewischt" werden.
Dienstzettel sollen künftig mehr Angaben enthalten müssen
Mit den Stimmen von ÖVP und Grünen schickte der Sozialausschuss Änderungen der Regeln für Dienstzettel, Mehrfachbeschäftigungen und Fortbildungen ins Plenum (3871/A). So sollen künftig am Dienstzettel auch der Sitz des Unternehmens, eine kurze Beschreibung der Tätigkeit, die Vergütung von Überstunden, die Art der Auszahlung des Lohns, die Dauer und Bedingungen der Probezeit sowie ein Hinweis auf das Kündigungsverfahren angegeben werden. Entsprechend der EU-Richtlinie wird ferner normiert, dass der Dienstzettel unverzüglich nach Beginn des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen ist und die Arbeitnehmer:innen dabei auch eine elektronische Form wählen können. Die Regelungen sollen auch für freie Dienstverhältnisse, für den Bereich der Arbeitskräfteüberlassung, für Hausgehilfen- und Hausangestellte sowie für Heimarbeiter:innen gelten.
In Umsetzung der EU-Richtlinie soll ferner ein Recht auf Mehrfachbeschäftigung verankert werden. Aus-, Fort- und Weiterbildungen sollen zudem als Arbeitszeit zu werten und von dem:der Arbeitgeber:in zu bezahlen sein, wenn sie aufgrund gesetzlicher Vorschriften Voraussetzung für die Ausübung der vereinbarten Tätigkeit eines:r Mitarbeiter:in sind. Normiert werden sollen auch Strafen für die Nichtaushändigung eines Dienstzettels, ein Diskriminierungsverbot und ein Motivkündigungsschutz.
Mittels Abänderungsantrag wurde im Ausschuss noch eine Nummerierung korrigiert. ÖVP und Grüne nutzten die Debatte außerdem, um mit einem Ausschussantrag eine Bestimmung im Familienlastenausgleichsgesetz zur Begleitung eines schwersterkrankten Kindes an die geltende Rechtslage anzugleichen. Dem Ausschussantrag stimmten alle Fraktionen außer die NEOS zu.
Die neuen Regelungen sollen für alle Arbeitsverträge gelten, die ab Inkrafttreten der Bestimmungen abgeschlossen werden. Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP) begründete das im Ausschuss damit, dass kein bürokratischer Mehraufwand durch eine Neuausstellung sämtlicher Dienstzettel verursacht werden soll. Graf legte außerdem dar, dass viele Bereiche der Richtlinie in Österreich bereits umgesetzt gewesen seien. Die EU habe deshalb auch kein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, obwohl die Umsetzung länger gedauert habe. Markus Koza (Grüne) zeigte sich froh darüber, dass die Richtlinie endlich umgesetzt werde. Schließlich würden die Arbeitnehmer:innen dadurch mehr Rechte erhalten.
Christian Drobits (SPÖ) hingegen kritisierte nicht nur Österreichs Säumigkeit, sondern auch, dass die Sozialpartner nicht eingebunden sind. Die Umsetzung der Richtlinie wäre aus seiner Sicht ein Chance gewesen, Einiges zu verändern. Diese sei aber vertan worden. Ihm fehlen effektive Sanktionen und eine Anwendung auf bestehende Arbeitsverhältnisse. Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) sah Richtlinieninhalte zur Teilzeitbeschäftigung nicht umgesetzt. Gerald Loacker (NEOS) bemängelte insbesondere, dass die Umsetzung per Initiativantrag erfolgt und damit kein Begutachtungsverfahren stattgefunden habe. Außerdem ortete er eine Form des "Gold Plating". Der neu eingeführte Anspruch auf Begründung einer Kündigung durch den:die Arbeitgeber:in werde "ohne Not" eingeführt und verbürokratisiere das Arbeitsverhältnis. Dagmar Belakowitsch (FPÖ) pflichtete Loacker bei und bezeichnete die Gesetzesänderungen insgesamt als "Pfusch".
Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler, die Arbeitsminister Martin Kocher vertrat, zeigte sich erfreut über die Behandlung der Novelle im Ausschuss. Sie wies darauf hin, dass es Verhandlungsrunden mit den Sozialpartnern gegeben habe, in denen die Inhalte teilweise besprochen worden seien.
Oppositionsanträge zu Kinder-Influencer:innen, Tourismuskasse und Menschen mit Behinderung
Die SPÖ zeigte sich besorgt über sogenannte Kinder-Influencer:innen, also Minderjährige, die auf Plattformen wie Instagram, Snapchat oder YouTube als Influencer:innen tätig sind (3506/A(E)). Katharina Kucharowits (SPÖ) forderte ein Maßnahmenpaket zum Schutz von Kindern auch in der digitalen Welt ein. Norbert Sieber (ÖVP) wies auf bestehende Beratungsangebote von Saferinternet.at hin und sprach sich für eine Vertagung des Antrags aus. Vonseiten der Grünen versicherte Süleyman Zorba dennoch, an der Problematik dranbleiben zu wollen. Auch Staatssekretärin Kraus-Winkler sagte zu, die Thematik an Minister Kocher heranzutragen. Der Antrag wurde mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.
Auch ein Antrag der Freiheitlichen, mit dem sie sich für eine Machbarkeitsstudie zur Schaffung einer Tourismuskasse nach dem Vorbild der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse einsetzen, wurde vertagt (3818/A(E)). Rebecca Kirchbaumer (ÖVP) begründete ihren Vertagungsantrag damit, dass ihr keine konkreten Fälle bekannt seien, wo Urlaubsansprüche von Beschäftigten im Tourismus nicht ausbezahlt werden. Auch Laurenz Pöttinger (ÖVP) wollte die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse nicht auf alle Bereiche ausweiten. Peter Wurm (FPÖ) hingegen sprach von einem pragmatischem Vorschlag, von dem Unternehmen und Angestellte gleichermaßen profitieren würden. Josef Muchitsch (SPÖ) bekräftigte dies. Es gehe darum, dass Urlaubsansprüche von Menschen, die saisonbedingt ihr Dienstverhältnis wechseln, nicht verloren gehen.
Für die NEOS geht die kürzlich beschlossene Änderung der Arbeitsunfähigkeitsprüfung, wonach die Arbeitsfähigkeit bei jungen Menschen mit Behinderung künftig erst ab 25 Jahren festgestellt wird, in die richtige Richtung. Sie stoßen sich aber an der im Gesetz vorgesehenen Stichtagsregelung. Der Arbeitsminister soll daher aufgefordert werden, ein Konzept vorzulegen, das auch junge Menschen unter 25, die vor dem 1. Jänner 2023 einen Bescheid zur Arbeitsunfähigkeit erhalten haben, von der Gesetzesänderung profitieren lässt (3841/A(E)). Kira Grünberg (ÖVP) legte dar, dass auch ihr eine Lösung für alle Betroffenen am liebsten gewesen wäre. Es wäre damit aber zu einer unzumutbaren Belastung für das AMS gekommen, sagte sie und stellte einen Vertagungsantrag, der von ÖVP und Grünen angenommen wurde. Fiona Fiedler (NEOS) forderte konkrete Zahlen zu den Betroffenen und dem "immensen Verwaltungsaufwand" ein. Sie glaube nämlich nicht, dass es sich um besonders viele Personen handle.
Vertagung von Oppositionsanliegen zum Arbeitsmarktzugang für Migrant:innen
Zahlreiche Initiativen der Opposition zu Migrationsthemen wurden vertagt. Die FPÖ etwa erneuerte ihre Forderung nach einem "Zuwanderungsstopp in den österreichischen Sozialstaat" (3713/A(E)). Die Freiheitlichen plädieren dafür, die Grundversorgung für alle Flüchtlinge auf Sachleistungen zu beschränken, selbst wenn ihnen Asyl zuerkannt wurde. Zudem sollen sie zu gemeinnütziger Arbeit ohne Entgelt verpflichtet werden können und – sofern sie in den Arbeitsmarkt integriert sind – eine temporäre Sondersteuer in Höhe von 10 % des Einkommens abliefern müssen.
Mit einem weiteren Entschließungsantrag sprach sich die FPÖ dafür aus, den Zugang zum Arbeitsmarkt für Nicht-Österreicher:innen zu beschränken (3670/A(E)).Gefordert werden sowohl sektorale Zuzugsbeschränkungen für Nicht-EU-Bürger:innen und EU-Bürger:innen nach gewissen Kriterien als auch ein degressives Arbeitslosengeld für Langzeitarbeitslose mit nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft.
In eine andere Richtung gehen Initiativen der NEOS, die ebenfalls vertagt wurden. Sie sprechen sich daher dafür aus, in Mangelberufen die Voraussetzung einer Beschäftigungsbewilligung für Asylwerber:innen abzuschaffen (3781/A(E)). Außerdem fordern sie ein "modernes Einwanderungsgesetz", das die Komplexität und Bürokratie reduziert, um für qualifizierte Arbeitskräfte attraktiv zu sein (3839/A(E)). Konkret soll ein nur eine einzelne Behörde für die Rot-Weiß-Rot-Karte zuständig sein und somit Verfahren nur noch maximal eine Woche dauern. Außerdem soll der Kriterienkatalog überarbeitet werden und sich an den Bedürfnissen der heimischen Wirtschaft sowie an internationalen Vorzeigebeispielen orientieren. Auch eine Rot-Weiß-Rot-Karte für Lehrlinge ist Teil des von den NEOS geforderten Pakets.
Weitere Initiativen der Opposition vertagt
Vertagt wurden auch weitere Anträge der Oppositionsparteien. So traten die Sozialdemokrat:innen etwa erneut dafür ein, die kürzlich beschlossene Beitragssenkung zur Arbeitslosenversicherung zurückzunehmen, das Arbeitslosengeld auf 70 % des letzten Einkommens zu erhöhen, Arbeitslosengeld und Notstandshilfe jährlich zu valorisieren, den Berechnungszeitraum des Arbeitslosengeldes näher an die Inanspruchnahme zu rücken und den Familienzuschlag zu verdreifachen (3726/A(E)).
Die Freiheitlichen pochten angesichts der Teuerung abermals auf Entlastungsmaßnahmen. Die Forderungen reichen von einer Halbierung bzw. Streichung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel und Treibstoffe über eine automatische Valorisierung des Arbeitslosengeldes bis hin zu einer deutlichen Senkung der Lohnnebenkosten und einer Abschaffung der CO2-Steuer (3550/A(E)).
Auch eine Initiative der FPÖ zur gesetzlichen Verankerung des 13. und 14. Monatsgehalts wurde vertagt (3859/A(E)). Gefordert wird eine Regierungsvorlage, die darüber hinaus die steuerliche Begünstigung des Jahressechstels sowie den Entfall der Entrichtung des Wohnbauförderungsbeitrags und der Arbeiterkammerumlage bei diesen Sonderzahlungen absichern soll.
Berichte aus dem Arbeitsministerium über Ausgaben für Corona-Sonderbetreuungszeit
Ebenfalls auf der Tagesordnung standen Monatsberichte von November (III-1077 d.B.) und Dezember 2023 (III-1095 d.B.) über die Ausgaben für die coronabedingt geschaffene Sonderbetreuungszeit für Eltern. Bis Ende 2023 wurden demnach rund 37,63 Mio. € aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds aufgewendet.Über alle acht Phasen hinweg wurden insgesamt 38.746 Anträge gestellt. Ein Großteil der Anträge (35.882) wurde genehmigt und ausbezahlt, 2.864 wurden abgelehnt. Mit Ende 2023 waren demnach keine Anträge mehr offen.Für die pandemiebedingte Freistellung von Schwangeren, die von 1. Jänner 2020 bis 30. Juni 2022 möglich war, hat der Bund den Krankenversicherungsträgern laut Bericht bis Mai 2023 insgesamt rund 58,16 Mio. € refundiert. Beide Monatsberichte wurden mit den Stimmen von ÖVP und Grünen zur Kenntnis genommen. (Fortsetzung Sozialausschuss) kar
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender. Pressedienst der Parlamentsdirektion – Parlamentskorrespondenz