Verfassungsausschuss befasste sich mit „Echte Demokratie-Volksbegehren“

Ein Expert:innen-Hearing zum "Echte Demokratie-Volksbegehren" stand heute im Verfassungsausschuss auf der Tagesordnung. Initiiert wurde das Volksbegehren, das von 131.619 Österreicher:innen bzw. 2,07 % der Wahlberechtigten unterzeichnet wurde, von Robert Marschall, der auch schon Proponent verschiedener anderer Volksbegehren war. Mit dem "Echte Demokratie-Volksbegehren" wird ein ganzes Bündel von Gesetzesänderungen gefordert, das von einer Verkürzung der Legislaturperiode auf zwei Jahre über die verpflichtende Abhaltung von Volksabstimmungen über erfolgreiche Volksbegehren bis hin zu einem Verbot von "Kartellbildungen" im Parlament in Form von Koalitionen reicht. Weiters setzen sich die Initiator:innen dafür ein, dass alle Beschlüsse des Nationalrats und damit auch Misstrauensanträge gegen Bundeskanzler Karl Nehammer direktdemokratisch begehrt werden können (2074 d. B. ).

Im Rahmen des Hearings standen den Abgeordneten als Expert:innen der Leiter des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramts Albert Posch, der oberösterreichische Landtagsdirektor Wolfgang Steiner sowie die Politikwissenschaftlerin und Demokratieberaterin Tamara Ehs zur Verfügung.

"Echte Demokratie-Volksbegehren" umfasst 122 Punkte

Demokratie heiße Volksherrschaft und Österreich brauche "Bürgerentscheidungen", sagte der Initiator des Volksbegehrens Robert Marschall. Die letzte Volksabstimmung habe es in Österreich 1994 gegeben, dabei hätten Volksabstimmungen den Vorteil, "dass Lobbyisten nicht das ganz Land kaufen" könnten. Er verwies auf die in 122 Punkten dargelegten Forderungen des "Echte Demokratie-Volksbegehrens". Dazu zähle unter anderem, dass Freiheitsrechte nicht mittels Verordnungen ausgehebelt werden dürfen, wie dies laut Marschall in der Coronazeit geschehen sei. Unter anderem sprach er sich für die Abschaffung der Briefwahl sowie für öffentliche Stimmenauszählungen aus.

Bereits in den Jahren 2014 und 2015 habe sich eine parlamentarische Enquetekommission mit der Stärkung der Demokratie beschäftigt und dazu einen Bericht vorgelegt, sagte Experte Albert Posch. Eine Volksgesetzgebung, wie im "Echte Demokratie-Volksbegehren" gefordert, würde eine Gesamtänderung der Bundesverfassung bedeuten. Die Existenz und Vielfalt von Parteien, eine "Parteiendemokratie" stelle im internationalen Vergleich Normalität dar, sagte Posch und ging in der Folge auf einige konkrete Forderungen des Volksbegehrens näher ein: So stehe, seiner Einschätzung nach, das geforderte Veröffentlichungsverbot von Umfrageergebnissen vor Wahlen in einem Spannungsverhältnis zur Meinungsfreiheit. Das Wahlrecht für Unionsbürger:innen sei in den EU-Verträgen festgelegt und die Abschaffung in Österreich daher nicht möglich. Eine Verkürzung der Legislaturperiode auf zwei Jahre halte er für ungewöhnlich und würde seiner Einschätzung nach zu unerwünschten Nebenwirkungen, beispielsweise Dauerwahlkampf, führen. Zum geforderten Recht auf Anfechtung einer Wahl durch jeden Wahlberechtigten meinte Posch, dass dies zur Anfechtung jeder Wahl führen würde.

Auch der Leiter der Landtagsdirektion Oberösterreich, Wolfgang Steiner, verwies darauf, dass das Thema bereits von einer Enquetekommission diskutiert worden sei. Es habe sechs Empfehlungen gegeben, die mittlerweile mitunter auch umgesetzt und aktuell seien. Zur Stärkung der direkten Demokratie sei insbesondere die Landes- und Gemeindeebene geeignet. Eine entsprechende Studie habe diesbezüglich verschiedene Modelle und Grenzen aufgezeigt. Echte Weiterentwicklung direktdemokratischer Elemente erfordere sehr schnell die Änderung der Bundesverfassung, für welche wiederum eine Volksabstimmung nötig wäre, so Steiner. Für ausbaufähig halte er das Format der Bürgerräte. Weiters warne er davor, die Gerichte einzuschränken. Denn Angriffe auf Höchstgerichte seien ein Angriff auf die Demokratie. Auch einer Verkürzung der Legislaturperiode könne er nichts abgewinnen, vielmehr befürworte er eine Ausdehnung der Periode auf sechs Jahre, wie im oberösterreichischen Landtag. Zudem sprach er sich für ein Mehr an politischer Bildung aus und betonte die Innovationskraft des Föderalismus, da dieser den "Wettbewerb der besten Ideen" fördere.

Aus politikwissenschaftlicher Sicht, sei in der Begründung des "Echte Demokratie-Volksbegehrens" viel Unzufriedenheit festzustellen. Ein großer Teil des Unmuts gehe auf die Zeit der Coronakrise zurück, auf die das Volksbegehren mehrfach Bezug nehme, sagte Expertin Tamara Ehs. Dabei werde jedoch von einem "verkürzten Demokratieverständnis" ausgegangen, meinte sie, denn der Volkswille könne nicht unabhängig vom "Organwillen", also dem Willen der Parlamente, sein. Zudem sei der Kompromiss das Wesen der Demokratie. Zu den im Volksbegehren enthaltenden konstruktiven Vorschlägen zähle sie die Forderung nach einer digitalen Sammlung von Unterstützungserklärungen und die Diskussion darüber, wie man Stimmenauszählungen transparenter gestalten könne. Mit einem Verbot für Veröffentlichungen von Umfrageergebnissen werde man nicht weit kommen. Stattdessen befürworte sie eine Qualitätssteigerung der Berichterstattung über Umfragen. Zudem sei das Verfassungsgericht kein Gegner der Demokratie sondern ein Reparatur-Organ. Ehs sprach sich weiters für die Einsetzung von Bürgerkomitees sowie "Präferenden" statt Referenden aus. Mit "Präfereden" sei die Reihung von Präfenzen durch die Bürger:innen gemeint, anstelle einer Abstimmung für oder gegen ein Thema.

Kritische Auseinandersetzung mit den Forderungen

In der weiteren Diskussion meinte Wolfgang Gerstl (ÖVP), dass es in diesem Zusammenhang durchaus diskussionswürdige Punkte gebe, daher habe ja auch bereits zu diesem Thema eine Enquete stattgefunden. Vor allem in krisenhaften Zeiten müssten Entscheidungen rasch getroffen werden, daher sei das richtige Lot zwischen raschen Beschlüssen und der Einbindung der Bürger:innen zu finden.

Sie freue sich über jede Möglichkeit, über Demokratiebildung zu sprechen, da diese defizitär zu sein scheine, sagte Selma Yildirim (SPÖ). Sie stehe zur repräsentativen Demokratie und lehne daher die im Volksbegehren enthaltene Forderung nach einem Verbot des "Reißverschlusssystems" bei der Listenerstellung der Parteien ab. Es sei wichtig in einer liberalen Demokratie, dass sich Frauen in der Politik widerspiegeln und ohne Quoten gehe es nicht, dies habe die Vergangenheit gezeigt.

Die Forderungen des Volksbegehrens seien fundiert und umfangreich, vieles könne nur begrüßt werden, manches sei überschießend, sagte Susanne Fürst (FPÖ). Die Schere zwischen Politik und Bevölkerung "solle nicht zu weit aufgehen", die Menschen dürften nicht das Gefühl haben, dass über sie "drübergefahren werde". Daher befürworte sie den Ausbau von Elementen direkter Demokratie, diesen müsse man mehr Gewicht verleihen.

Georg Bürstmayr (Grüne) stellte die Frage an die Expert:innen wo aus ihrer Sicht Bürger:innenräte eingesetzt werden sollen. Eva Blimlinger (Grüne) wollte wissen wie man speziell auf kommunaler Ebene verstärkt mit direkter Demokratie arbeiten könne. Die kommunale Ebene sei den Menschen am nächsten, dort kenne man sich am ehesten aus, betonte Experten Tamara Ehs. Wichtig bei der Stärkung direkter Demokratie sei, dass es eben nicht nur bei einer Ja-/Nein-Abstimmung bleibe. Denn Demokratie sei nicht der Moment der Abstimmung, sondern ein Aushandlungsprozess, betonte Ehs.

Seine Fraktion sehe einen großen Wert in der repräsentativen Demokratie, betonte Nikolaus Scherak (NEOS). Dies bedeute nicht, dass man direktdemokratische Mittel nicht ausweiten könne. Er teile manche Forderungen des Volksbegehrens, beispielsweise sei auch er für ein Ende der Schuldenpolitik, die Senkung der Parteienförderung, für Eilverfahren beim Verfassungsgerichtshof und dafür, dass Unterstützungserklärungen online abgegeben werden können. Doch es gebe auch Dinge, die er nicht teile. So sei er beispielsweise dafür, dass man in Österreich weiterhin ab dem Alter von 16 Jahren wählen dürfe und er sei gegen die Verkürzung der Legislaturperiode auf zwei Jahre.

FPÖ-Antrag zum Ausbau der direkten Demokratie vertagt

Vorschläge zum Ausbau der direkten Demokratie in Österreich legte die FPÖ als nächsten Tagesordnungspunkt mittels eines Entschließungsantrags vor (3767/A(E)). Der Antrag, der mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt wurde, enthält drei zentrale Forderungen – die Einführung einer "Volksinitiative zur Gesetzgebung", die Ermöglichung von "Veto-Volksabstimmungen" und die Erleichterung von Volksbefragungen.

Der Ausbau der direkten Demokratie solle dazu führen, dass sich die Bevölkerung von der Politik wieder mehr gehört fühle, betonte Susanne Fürst (FPÖ) und sprach sich für eine "sinnvolle Ausdehnung" der Elemente der direkten Demokratie aus. Es gehe darum, dass auch "von außen", also außerhalb des Parlaments, Themen an den Gesetzgeber herangetragen werden können, über die in der Folge unter bestimmten Voraussetzungen mittels Volksabstimmung entschieden werde, betonte Harald Stefan (FPÖ). Wolfgang Gerstl (ÖVP) forderte einen sensibleren Umgang mit Worten in der politischen Auseinandersetzung. In der Sache, also zum Ausbau direkter Demokratie, solle weiterdiskutiert werden, daher stellte er den Antrag auf Vertagung. Eine liberale repräsentative Demokratie sei wichtig, daher spreche sie sich gegen den FPÖ-Antrag aus, sagte Selma Yildirim (SPÖ) und betonte, dass es gefährlich sei, mit Halbwahrheiten und sich widersprechenden Fakten Stimmung zu machen. Georg Bürstmayr (Grüne) sagte, er halte den FPÖ-Antrag für "hochproblematisch", da unter anderem Minderheitenrechte darin fehlen würden. Zudem kritisierte er, dass sich FPÖ-Parteiobmann Herbert Kickl nicht von Martin Sellner distanziert habe, der kürzlich in Deutschland Pläne für die Abschiebung von Millionen Menschen dargelegt habe. (Fortsetzung Verfassungsausschuss) bea


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