Die Umweltschutzorganisationen WWF Österreich und ÖKOBÜRO begrüßen den heute präsentierten Schlussantrag der Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofs im Vorabentscheidungsverfahren zur Auslegung der FFH-Richtlinie. “Die Generalanwältin bestätigt unsere Ansicht: Nach FFH-Richtlinie dürfen streng geschützte Arten wie der Wolf erst abgeschossen werden, wenn alle gelinderen Mittel, wie zum Beispiel Herdenschutz, genau geprüft wurden”, erklärt WWF-Artenschutzexperte Christian Pichler. In den meisten Fällen folgt der EuGH den Schlussanträgen. WWF und ÖKOBÜRO fordern daher ein Ende der einseitigen und rechtswidrigen Abschusspolitik der Bundesländer und den Start einer großflächigen Herdenschutz-Offensive. “Die Politik muss ihre Blockadehaltung aufgeben und unsere Bauern endlich vollumfassend beim Schutz ihrer Tiere unterstützen”, sagt Christian Pichler vom WWF.
Ausgangspunkt des Verfahrens ist ein Einspruch von WWF und ÖKOBÜRO gegen einen Wolfs-Abschuss-Bescheid in Tirol. Im Zuge dessen hat sich das Tiroler Landesverwaltungsgericht mit Fragen zur Auslegung der FFH-Richtlinie an den EuGH gewandt. “In vielen Bundesländern werden derzeit weder Einzelfallprüfungen noch ordnungsgemäße Alternativenprüfungen durchgeführt”, kritisiert Gregor Schamulavon ÖKOBÜRO. “Auch der Erhaltungszustand ist nicht ausreichend bekannt, weil es kein flächendeckendes Monitoring gibt und man hierzulande statt auf aktive Erfassungen der Wolfsvorkommen auf Zufallsnachweise setzt.”
Vielversprechende Pilotprojekte
Abschüsse dürfen EU-rechtlich nur als letztmögliches Mittel eingesetzt werden. Trotzdem schließen die österreichischen Regelungen gelindere Maßnahmen prinzipiell aus, obwohl die Praxis ihre Wirkung belegt: Im Tiroler Oberland laufen derzeit drei Pilotprojekte zum Herdenschutz mit insgesamt 1.600 Schafen. Bisher gab es keine Risse, obwohl Wölfe in der Region nachgewiesen wurden. Trotz des offensichtlichen Potentials gibt es hierzulande weder einen Ausbauplan, noch rufen die Bundesländer die Möglichkeiten zur Förderung von Herdenschutzmaßnahmen oder zur Ausbildung von Hirtinnen und Hirten durch EU-Mittel ab. In anderen Ländern sieht das anders aus: So will etwa Frankreich für die Periode 2023-2027 insgesamt 175 Millionen Euro aus EU-Mitteln abrufen, um das Hirt:innenwesen und den Herdenschutz zu stärken.
Hintergrund Vorabentscheidungsverfahren
Bei einem Vorabentscheidungsverfahren entscheidet der EuGH rechtsverbindlich für alle Mitgliedstaaten über die Auslegung von Unionsrecht – im gegenständlichen Fall über die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Die Ergebnisse des Vorabentscheidungsverfahrens müssen in sämtlichen anderen, ähnlich gelagerten Entscheidungen und Verfahren in den übrigen EU-Mitgliedstaaten berücksichtigt werden – nicht nur im Hinblick auf den Wolf, sondern auch im Hinblick auf andere streng geschützte Tierarten.
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