Innenausschuss: Hearing zum Volksbegehren „Asylstraftäter sofort abschieben“

Personen, die in Österreich Asyl in Anspruch nehmen und straffällig werden, sollten "unverzüglich ohne Wenn und Aber in ihre Heimat abgeschoben werden", lautet die zentrale Forderung eines von rund 197.000 Personen unterstützten Volksbegehrens, das heute im Innenausschuss im Rahmen eines öffentlichen Hearings ausführlich debattiert wurde. Dessen Bevollmächtigter, der FPÖ-Politiker und Zweiter Präsident des niederösterreichischen Landtages Gottfried Waldhäusl, zeigte sich überzeugt, dass sich "Mörder und Vergewaltiger" ihr Recht auf Asyl und auf ein Leben in Österreich verwirkt hätten. Sollte eine sofortige Abschiebung aufgrund derzeit geltender Rechtslage nicht möglich sein, dann müssten die nationalen und internationalen gesetzlichen Bestimmungen bzw. Übereinkommen entsprechend angepasst werden, forderte er. Es brauche dringend eine Veränderung, denn er glaube, dass die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung mit der derzeitigen Lösung nicht zufrieden sei.

Als Experten standen dem Innenausschuss der Direktor des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Gernot Maier sowie der Universitätsassistent am Institut für Staatsrecht und Politische Wissenschaften der Johannes Kepler Universität Linz Manuel Neusiedler zur Verfügung. Maier bekräftigte, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl jeden Einzelfall genau prüfe und die Außerlandesbringung von Straftäter:innen Priorität habe.  

Neusiedler legte die derzeit geltende und sehr komplexe völker-, unions- und verfassungsrechtliche Lage dar, nach der Abschiebungen von ausländischen Straftäter:innen in Staaten, in denen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen, nicht in Betracht kommen. Möglich seien Abschiebungen in sichere Drittstaaten, wobei auch auf das Privat- und Familienleben, das sich Betroffene in Österreich aufgebaut haben, Bedacht genommen werden müsse.

Volksbegehren "Asylstraftäter sofort abschieben"

197.151 Personen bzw. 3,11 % der Wahlberechtigten haben das von Gottfried Waldhäusl initiierte Volksbegehren "Asylstraftäter sofort abschieben" unterzeichnet (2173 d.B.). Asyl sei Schutz auf Zeit für Menschen, die in ihren Heimatländern um ihr Leben fürchten müssten, heißt es in der Begründung. Es könne jedoch nicht sein, dass die schutzbietende österreichische Bevölkerung selbst durch straffällige Asylwerber:innen in ihrer Sicherheit bedroht werde. Kriminell gewordene Asylwerber:innen sollten nicht in österreichischen Gefängnissen "durchgefüttert" werden, sondern ihre Haftstrafen in ihren jeweiligen Heimatländern verbüßen.

Leider gebe es immer wieder Gewaltverbrechen, die dazu führen, dass der Umgang mit Menschen, die in Österreich Asyl erhalten haben und zu Gewalttätern werden, diskutiert wird, sagte der Bevollmächtigte des Volksbegehrens Gottfried Waldhäusl und erinnerte insbesondere an den Fall Leonie. Die Mehrheit der Österreicher:innen würde nicht verstehen, warum sich die "Mörder und Vergewaltiger von Leonie" noch immer in Österreich befinden, zeigte Waldhäusl sich überzeugt. Die Unterstützer:innen des Volksbegehrens seien der Meinung, dass sich diese Personen das Recht auf Asyl und auf ein Leben in Österreich verwirkt hätten. Der Bevollmächtigte forderte daher, dass über notwendige gesetzliche Änderungen auf nationaler sowie auf europäischer Ebene diskutiert werde, damit "Verbrecher und Mörder, die Asylstatus haben" künftig sofort abgeschoben werden können. Man müsse auch darüber diskutieren, ob die Europäische Menschenrechtskonvention noch dem entspreche, was notwendig sei oder ob es einer Änderung bedarf.

Experten erläutern geltende Praxis und Rechtslage

Gernot Maier, Direktor des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) legte dar, dass dem BFA auch die Aufgabe zukomme, Aberkennungen von Asyl durchzuführen, wenn bestimmte Tatbestände vorliegen. In der Folge müssen entsprechende fremdenrechtliche Maßnahmen durchgesetzt werden, damit die betroffenen Personen Österreich verlassen. Wenn Asylwerber:innen, Asylberechtigte oder subsidiär Schutzberechtigte straffällig werden, erhalte das BFA jede Meldung, die von der Polizei an die Gerichte oder Staatsanwaltschaften gehe, in Kopie und prüfe, ob Maßnahmen zu setzen seien.

Bei Schutzberechtigten werde sofort ein Aberkennungsverfahren eingeleitet, wenn die entsprechenden Voraussetzungen gegeben seien. Nach einer rechtskräftigen Verurteilung entscheide das BFA innerhalb eines Monats über die Aberkennung. Außerdem führe das BFA ein lückenloses Monitoring über all jene Personen durch, die in Strafhaft sitzen, weil eine Aberkennung nur nach Verbüßung der Haftstrafe möglich sei. Im Jahr 2023 waren etwa 45 % aller zwangsweise außer Landes gebrachten Personen strafrechtlich auffällig mit einer rechtskräftigen Verurteilung, berichtete Maier. Er könne garantieren, dass das BFA jeden Einzelfall individuell prüfe, so der Direktor des Bundesamtes.

Manuel Neusiedler, Universitätsassistent am Institut für Staatsrecht und Politische Wissenschaften der Johannes Kepler Universität Linz, erläuterte die geltende Rechtslage, die dazu führe, dass die Zulässigkeit der Außerlandesbringung von ausländischen Straftäter:innen eingeschränkt sei. Österreich habe sich einerseits im Rahmen der Genfer Flüchtlingskonvention zu einem bestimmten Umgang gegenüber Flüchtlingen verpflichtet. Ausnahmen gebe es hier bei hochgradig kriminellen Personen. Als Vertragsstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention dürfe Österreich außerdem niemanden in Staaten abschieben, in denen den Betroffenen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. Dafür gelte ein absolutes Verbot.

Auch "Fremde, die strafrechtlich in Erscheinung treten" seien vor einer Abschiebung in diese Staaten kompromisslos zu bewahren. Weder die Genfer Flüchtlingskonvention noch die Europäische Menschenrechtskonvention würden aber verbieten, Personen in sichere Drittstaaten abzuschieben. Weiters sprach Neusiedler das Antifolterübereinkommen sowie die Grundrechte-Charta an. Zu beachten sei zusätzlich das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, aus dem bei einer starken Bindung zum Aufenthaltsstaat ein Bleiberecht resultieren kann. Auch auf unionsrechtlicher Ebene erläuterte der Experte Ansprüche der Betroffenen, vor der Ausweisung in Länder geschützt zu werden, in denen ihnen Verfolgung droht. Diese völker- und unionsrechtlich geltenden Grundsätze seien auch in der österreichischen Verfassung abgebildet. 

ÖVP sieht konsequente Vorgangsweise bei Außerlandesbringungen gewährleistet

Es entspreche seinem Grundverständnis als Staatsbürger, dass Österreich nur jenen Menschen Schutz gewähren soll, die sich auch an die Regeln halten, meinte Ernst Gödl (ÖVP) . Er denke aber, dass Österreich vor allem im letzten Jahr in dieser Frage sehr konsequent vorgegangen sei, zumal über 12.000 Außerlandesbringungen durchgeführt wurden. Ein beträchtlicher Anteil davon sei auf strafrechtliche Verurteilungen zurückzuführen. Dieser Einschätzung schloss sich auch Corinna Schwarzenberger (ÖVP) an, die sich nach der Dauer der Verfahren erkundigte.

Grüne fordern Abgrenzung der FPÖ von rechtsextremen Plänen

Den Betreibern des Volksbegehrens, also "der FPÖ", gehe es längst nicht mehr um einzelne ausländische Straftäter:innen, sondern um die Abkoppelung von zentralen menschenrechtlichen Abkommen und dem "Abschied von der Europäischen Union", mutmaßte Georg Bürstmayr (Grüne). Er wies darauf hin, dass vor einer Woche ein Treffen von deutschen und österreichischen Rechtsextremen in Potsdam stattgefunden habe, wo Martin Sellner Pläne für die Abschiebung von Millionen von Menschen, auch mit deutscher Staatsbürgerschaft, dargelegt habe. Sowohl FPÖ-Chef Kickl als auch Generalsekretär Hafenecker hätten sich von Sellner nicht distanziert, kritisierte Bürstmayr mit Nachdruck, deshalb könne man vor diesem Hintergrund auch nicht zur Tagesordnung übergehen. Seine Fraktion werde sich daher an der heutigen Debatte nicht beteiligen und werde auch keine Fragen stellen.

SPÖ: Sorgen der Bevölkerung müssen ernst genommen werden

SPÖ-Abgeordneter Reinhold Einwallner dankte den zahlreichen Unterzeichner:innen des Volksbegehrens, die ein wichtiges Instrument der direkten Demokratie genutzt haben. Das konkrete Thema zeige, dass es viele Sorgen und Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Umgang von straffällig gewordenen Personen gebe, die in Österreich Asyl beantragt oder auch bekommen haben. Volksbegehren sollten aber gleichzeitig auch nicht dazu verwendet werden, um Wahlkampagnen oder Wahlstrategien "zu unterfüttern", gab Einwallner zu bedenken. Die Wortmeldungen der Experten hätten gezeigt, dass es keine einfache Lösungen gebe und dass man sich jeden Fall im Detail anschauen müsse. Es müsse aber jedenfalls gewährleistet werden, dass die verurteilten Täter:innen – unabhängig von der Herkunft und dem Aufenthaltsstatus – ihre Strafen in "voller Härte und Konsequenz absitzen" müssen.

FPÖ drängt auf rasche Umsetzung der Forderungen des Volksbegehrens

Es gebe ein hohes Interesse an den Forderungen des Volksbegehrens, das von einer stattlichen Anzahl von Menschen unterschrieben wurde, konstatierte FPÖ-Mandatar Philipp Schrangl. Er habe den Eindruck, dass mittlerweile alle Parteien im Parlament das Anliegen ernst nehmen und teils auch über Reformen des aktuellen Systems nachdenken würden. Schrangl stimmte mit den Proponent:innen darin überein, dass Asyl nicht dazu benutzt werden dürfe, um im Aufnahmestaat "zu morden, zu vergewaltigen und zu rauben". Die Wortmeldung von Bürstmayr bezeichnete Werner Herbert (FPÖ) als Themenverfehlung und als "Verhöhnung" der Sorgen von fast 200.000 Bürger:innen.

NEOS orten falsche Prioritätensetzung

NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper ortete eine "große Baustelle bei der Umsetzung bestehenden Rechts" und der gesetzten Prioritäten. Ihrer Meinung nach sollte der Fokus nicht auf jenen Familien liegen, die bestens integriert und "leichter zu erwischen" seien. Was die Außerlandesbringungen betrifft, so stellte Krisper fest, dass darunter auch EU- und EWR-Bürger:innen fallen würden. Außerdem stellte sie detaillierte Fragen an den Direktor des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, unter anderem was die Evidenz von schweren Straftaten und sonstigen Delikten betrifft, die von Schutzberechtigten begangen wurden und nach der Anzahl an irregulär Aufhältigen, bei denen eine Abschiebung nicht möglich sei.

Maier: 2023 wurden 710 Aberkennungen des Asylstatus ausgesprochen

Bei Vorliegen einer Straffälligkeit werde der Asylwerber bzw. die Asylwerberin sofort über den Verlust des Aufenthaltsrechts informiert, erläuterte BFA-Direktor Gernot Maier. Bei subsidiär Schutzberechtigten wiederum werde sofort ein Aberkennungsverfahren eingeleitet. Wenn Personen mit einem sonstigen Aufenthaltstitel straffällig werden, dann werde ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestartet. Erst wenn rechtskräftige Rückkehrentscheidungen vorliegen, könnten Maßnahmen zur zwangsweisen Außerlandesbringung (z.B. Ausstellung von Ersatzreisedokumenten durch die jeweilige Botschaft, Sicherungsmaßnahmen, Flugbuchungen) in die Wege geleitet werden. Durch die Einrichtung der Staatendokumentation werde das BFA zudem laufend darüber informiert, ob sich in den Herkunftsstaaten etwas geändert habe. Maier hob weiters hervor, dass die Verfahren schon deutlich beschleunigt werden konnten. So werde beispielsweise über Anträge von Personen, die aus einem sicheren Herkunftsstaat kommen und die gar keinen Fluchtgrund vorbringen, üblicherweise innerhalb von 72 Stunden entschieden.

Bezüglich der Fragen zur Aberkennung des Asylstatus machte Maier geltend, dass die jeweiligen Gründe, die dazu geführt haben, statistisch nicht erfasst werden können. Im letzten Jahr wurden insgesamt 710 Aberkennungen ausgesprochen. Außerdem hätten zwölf Personen, bei denen eine Abschiebung nicht möglich gewesen sei, ein Duldungsrecht erhalten. Maier bekräftigte gegenüber Krisper, dass die Außerlandesbringung von Straftäter:innen absolut im Fokus stehe. Die gesetzliche Verpflichtung, alle jene Menschen, die sich weigern, das Land zu verlassen, außer Landes zu bringen, gelte aber für alle betroffenen Personengruppen. Da Personen, die freiwillig das Land verlassen, sich oft nicht abmelden würden, sei es in manchen Bereichen schwierig, konkrete Zahlen zu nennen.

Neusiedler weist auf Bindung an völker- und unionsrechtlichen Rahmen hin

Manuel Neusiedler ging noch einmal näher auf all jene relevanten einfachgesetzlichen Rechtsnormen wie etwa im Asyl- oder Fremdenpolizeigesetz ein, die eine Abschiebung von Straftäter:innen aus Österreich behindern. Auch wenn die Politik diese Bestimmungen ändern könne, so müsse man bedenken, dass es immer eine Anbindung an das höherrangige Recht sowie an die unions- und völkerrechtlichen Vorgaben gibt. Dies führe teilweise zu einer recht "unübersichtlichen Gemengelage", gab Neusiedler zu bedenken. So bringe es etwa nichts, die Europäische Menschenrechtskonvention zu verlassen, weil es etwa noch die Bindung an die Grundrechte-Charta gebe. Überdies sei auch im Sekundärrecht das Prinzip der Nicht-Zurückweisung verankert, zeigte Neusiedler auf. Als mögliche Verbesserungen schlug er die Einführung von "Mindestschwellen" oder die Vereinfachung von komplizierten Bestimmungen wie z.B. im Zusammenhang mit der Umsetzung von Aberkennungsverfahren vor.

Karner verweist auf positive Entwicklung und Weiterentwicklung durch EU-Migrationspakt

Innenminister Gerhard Karner lobte die ruhige und sachliche Debatte, was in dieser Form nicht selbstverständlich sei. Im Sinne einer glaubwürdigen Asylpolitik sei es für ihn zentral, dass die Entscheidungen der Behörden und Gerichte effizient umgesetzt werden müssen. Dies gelte auch für die Außerlandesbringungen, die im letzten Jahr um 20 % gestiegen seien. Erfreulich sei auch der deutliche Rückgang bei den Asylanträgen, konstatierte der Minister. Den EU-Migrationspakt, der auch einige kritische Punkte enthalte, bewertete Karner als richtigen Schritt in die richtige Richtung, weil damit strengere und schnellere Verfahren an den EU-Außengrenzen und die bessere Zusammenarbeit mit sicheren Drittstaaten verbunden seien.

Da das Volksbegehren von mehr als 100.000 Stimmberechtigten unterzeichnet wurde, muss es auch im Parlament behandelt werden. Nach dem heutigen Hearing wird ein Bericht erstellt, der dem Plenum des Nationalrats zugeleitet wird. (Schluss) kar/sue

HINWEIS: Das öffentliche Hearing konnte auch via Livestream mitverfolgt werden und ist als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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