Im Amtsgebäude in der Hohenstaufengasse 3 in Wien befindet sich heute das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport – Sektion Öffentlicher Dienst. Dieses Gebäude wurde zwischen 1882 und 1884 von Otto Wagner für die Zentraleuropäische Länderbank errichtet. Die Länderbank verkaufte nach dem Anschluss das Haus im Sommer 1938 an das Deutsche Reich und es wurden dort verschiedene Dienststellen der Wehrmacht untergebracht. Viele Räume, wie der große, helle Kassensaal und die Tresorräume im Keller, sind bis heute erhalten. Ende 1943 zog dann das Feldkriegsgericht der Division 177 in die Räumlichkeiten.
Die Division 177 wurde vor allem zur Verfolgung des – wie die Nationalsozialisten es nannten – „Selbstverstümmler-Unwesens“ eingerichtet. Von hier aus wurde der Kampf gegen jene geführt, von denen angenommen wurde, dass sie durch absichtlich beigefügte Verletzungen, falsche Krankmeldungen oder mutwilliger Verlängerung von Heilungsprozessen, den Dienst in der deutschen Wehrmacht verweigerten. Viele von ihnen wurden angeklagt und 1944/45 zum Tode verurteilt.
„Erst Jahrzehnte später 2009, wurden nach langen und heftigen Diskussionen die Deserteurs-Urteile durch das Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz aufgehoben. Bis weit in die 1990er Jahre galten Deserteure vor allem im rechten Milieu, aber auch darüber hinaus, als Verräter und nicht als Widerstandskämpfer. Noch 2005 war im österreichischen Parlament von Deserteuren als ‚Kameradenmördern‘ die Rede“, erklärt Eva Blimlinger, Historikerin und Wissenschaftssprecherin der Grünen, die Zusammenhänge.
„Die Gedenktafel für Deserteure ist ein sichtbares Zeichen der Anerkennung der Opfer und verweist auf das Unrecht, das in diesem Haus begangen worden ist. Die Verurteilten waren Opfer eines unmenschlichen Regimes, das Rechtsprechung missbrauchte, um Unrecht durchzusetzen. Gerade in Zeiten des zunehmenden Rechtsextremismus und Rechtspopulismus ist es wichtig, die Vergangenheit nicht zu verschweigen, sondern daran zu erinnern und jenen zu gedenken, die aktiv gegen die Barbarei des Nationalsozialismus Widerstand geleistet haben“, sagt Olga Voglauer, Minderheiten- und Gedenksprecherin der Grünen.
„In den letzten Jahrzehnten war es vor allem das Personenkomitee ‚Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz‘, das gemeinsam mit dem verstorbenen Wehrmachtsdeserteur Richard Wadani, mit Beharrlichkeit und umfassendem Wissen das Thema an die Öffentlichkeit gebracht hat. Die Vorarbeiten zur juristischen Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren und anderen Opfern der NS- Militärjustiz, haben schließlich im Herbst 2009 zum Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz geführt. Auch das 2024 errichtete Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz, würde es ohne das Personenkomitee nicht geben. Diesem zivilgesellschaftlichen, ehrenamtlichen Engagement gilt unser großer Dank“, sagen Blimlinger und Voglauer.
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