Der letzte Plenartag zum Jahresausklang startete mit einer Fragestunde, für die Justizministerin Alma Zadić in den Nationalrat gekommen war. Sie tauschte sich mit den Abgeordneten über die Unabhängigkeit der Justiz, Beschuldigtenrechte und mediale Vorverurteilung, Gewaltambulanzen und die Rechte von LGBTIQ-Personen aus.
Maßnahmen für die Unabhängigkeit der Justiz
Die Unabhängigkeit der Justiz stand im Zentrum mehrerer Fragen. Abgeordneter Georg Bürstmayr (Grüne) etwa wollte wissen, wie die Justizministerin diese Unabhängigkeit strukturell abgesichert habe. Die Justiz als tragende Säule einer offenen und liberalen Demokratie könne nur funktionieren, wenn sie ausreichend Ressourcen zur Verfügung habe, meinte Zadić. Sie verwies daher auf knapp 650 zusätzliche Planstellen und 800 Mio. € mehr Budget seit ihrer Amtszeit. Damit sei aus ihrer Sicht die Trendwende in der Justiz "im Großen und Ganzen" gelungen. Auf Nachfrage von Corinna Scharzenberger (ÖVP) erläuterte sie, dass ein Großteil der 135 zusätzlichen Planstellen für 2024 der Gerichtsbarkeit zugutekommen werde, indem Richter:innen Verfahrensmanager:innen und juristische Mitarbeiter:innen zur Seite gestellt werden.
Nach Maßnahmen abseits von Budget und Personal erkundigte sich Muna Duzdar (SPÖ). Die Justizministerin führte die innere Gewaltenteilung im Ministerium an, die sie eingeführt habe. Zudem habe man weitere Compliance-Maßnahmen geprüft und etwa geregelt, dass das Versenden von Aktenteilen über Messenger-Dienste verboten ist. Auch ein justizinternes Hinweisgeber:innensystem führte Zadić an.
Volker Reifenberger (FPÖ) warf der Justizministerin vor, mit einer Weisung an die Staatsanwaltschaft Wien, gegen die Enthaftung einer Klimaaktivistin keine Beschwere zu erheben, dem Ansehen der Justiz geschadet zu haben. Man müsse hier "einiges zurechtrücken", entgegnete Zadić. Das Landesgericht habe entschieden, dass eine Haft nicht verhältnismäßig sei und gelindere Mittel angeordnet, woraufhin die Staatsanwaltschaft Wien eine Beschwerde geplant habe. Die zuständige Fachabteilung im Ministerium habe den Sachverhalt geprüft, sei zum Schluss gekommen, dass eine Beschwerde nicht erfolgsversprechend sei, und habe daraufhin die angesprochene Weisung erteilt, worüber die Ministerin informiert worden sei. In diese Weisung einzugreifen, wäre politische Einflussnahme gewesen, zeigte Zadić sich überzeugt.
Für Johannes Margreiter (NEOS) zeige der Fall, dass das System des Weisungsrechts im Justizbereich überholt sei. Er erkundigte sich deshalb nach dem Stand der Umsetzung eines Generalstaatsanwalts. Sie werde alles daran setzen, eine unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft bis zum Ende ihrer Amtsperiode umzusetzen, sagte die Justizministerin. Aus ihrer Sicht müsse ein Gremium aus drei Personen an der Spitze stehen und das Parlament entsprechende Kontrollrechte haben.
Beschuldigtenrechte und Vorverurteilung durch Medien im Fokus
Die Rechte von Beschuldigten waren mehreren Abgeordneten ein Anliegen. Gertraud Salzmann (ÖVP) etwa fragte nach Maßnahmen zur Stärkung dieser Rechte. Es gebe Entwürfe für eine Reform in dem Bereich, die mehrere Maßnahmen umfassen, antwortete Zadić. Die Erhöhung des Ersatzes von Verteidigerkosten, nach der auch Klaus Fürlinger (ÖVP) sich erkundigt hatte, sei ein Baustein. Das Budget dafür sei auf 70 Mio. € aufgestockt worden. Nun würden Gespräche mit der Rechtsanwaltskammer laufen, um diese Mittel auch gerecht auf Fälle von Freisprüchen und Beiträge zu Ermittlungsverfahren aufzuteilen. Die Justizministerin strebt eine Begutachtung des Entwurfs im ersten Quartal des kommenden Jahres an. "Wir sind einer guten Lösung sehr nahe", sagte sie.
Selma Yildirim (SPÖ) wollte wissen, wie Zadić zu dem von der ÖVP geforderten Zitierverbot aus Ermittlungsakten steht, welches ihrer Ansicht nach die Arbeit von Journalist:innen deutlich erschweren würde. Diskussionen darüber seien aus gutem Grund bisher immer wieder verworfen worden. Ein Verbot hätte nur zum Ziel, die Pressefreiheit und die Verteidigungsrechte einzuschränken. Sie schließe ein solches daher in ihrer Amtszeit aus, so die Ministerin.
Dass Teile aus Akten in den Medien landen, sieht Johanna Jachs (ÖVP) als Eingriff in die Beschuldigtenrechte. Sie fragte die Justizministerin, was sie gegen die mediale Vorverurteilung unternehme. Tatsächlich sei diese problematisch, meinte Zadić. Es sei wichtig, die Unschuldsvermutung auch medial ernst zu nehmen. Mit der Einführung des volldigitalen Akts in allen Staatsanwaltschaften könne nun nachvollzogen werden, wenn etwas hinausgespielt werde. Auch darüber hinaus gebe es Überlegungen, die Beschuldigtenrechte zu stärken. Woran die Verhandlungen mit dem Koalitionspartner scheitern, wollte Philipp Schrangl (FPÖ) wissen. Sie würden nicht scheitern, sondern zügig voranschreiten, entgegnete die Ministerin.
Abgeordnete erkundigen sich nach angekündigten Gewaltambulanzen
Die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen thematisierten Michaela Steinacker (ÖVP), Henrike Brandstötter (NEOS) und Meri Disoski (Grüne). Steinacker wollte wissen, welche Leistungen von den angekündigten Gewaltambulanzen konkret erbracht werden sollen und wann diese wo ihre Arbeit aufnehmen. In den Ambulanzen werde eine fach- und opfergerechte forensische Untersuchung, Spurensicherung und Dokumentation von Gewalt durchgeführt, und zwar unabhängig davon, ob bereits ein Verfahren laufe. In einem ersten Schritt starten Gewaltambulanzen im Osten und Süden Österreichs. Bereits Anfang des nächsten Jahres sollen weitere im Westen – konkret in Innsbruck und Salzburg – folgen. Die Gespräche dafür würden laufen, so die Justizministerin.
Wie diese Ambulanzen angesichts des Mangels an Gerichtsmediziner:innen personell ausgestattet werden, fragte Henrike Brandstötter (NEOS) nach. Vorerst werden entsprechend geschulte Allgemeinmediziner:innen die Arbeit übernehmen, antwortete die Ministerin. Das Ziel sei aber, dass Gerichtsmediziner:innen in den Gewaltambulanzen tätig sind.
Was neben dem "Meilenstein" der Gewaltambulanzen im Justizressort noch für den Gewaltschutz getan werde, wollte Meri Disoski (Grüne) wissen. Zadić verwies unter anderem auf eine Frauenmordstudie und einen Erlass an die Staatsanwaltschaften, damit diese Beweise sammeln.
Fragen zu den Rechten von LGBTIQ-Personen
Auch die Rechte von LGBTIQ-Personen waren Gegenstand mehrerer Fragen. Agnes Sirkka Prammer (Grüne) erkundigte sich nach Maßnahmen zur Rehabilitierung von bis in die frühen Nullerjahre zu Unrecht verfolgten gleichgeschlechtlichen Personen. Die Justizministerin erinnerte an ihre Entschuldigung bei dieser Personengruppe und die im Budget für 2024 veranschlagten Entschädigungszahlungen.
Weiterhin legal seien Versuche, Personen von ihrer Homosexualität zu "heilen", wies Yannick Shetty (NEOS) auf die Praxis der Konversionstherapien hin. Er wollte wissen, wann die Ministerin endlich eine Vorlage zum Verbot dieser Praktiken einbringe. Es gebe Entwürfe, so Zadić. Ihr sei aber wichtig, dass alle LGBTIQ-Personen umfasst sind. Kompromisse werde sie daher nicht akzeptieren. Mario Lindner (SPÖ) fragte nach, wann eine Gesetzesvorlage zum Schutz intergeschlechtlicher Kinder übermittelt werde. Der Entwurf sei fertig und werde momentan mit dem Koalitionspartner diskutiert. Sie sei hoffnungsvoll, dass ein Beschluss noch in dieser Legislaturperiode gelinge, so Zadić.
Von Barbara Neßler (Grüne) nach Maßnahmen für Regenbogenfamilien gefragt, verwies die Justizministerin auf die Änderung zur Elternschaft, die heute noch im Plenum zur Debatte steht. Demnach werden Kinder von Frauen, die in gleichgeschlechtlicher Ehe oder eingetragener Partnerschaft leben, künftig auch dann automatisch zwei Elternteile haben, wenn sie ohne In-Vitro-Fertilisation gezeugt wurden.
Situation in Justizanstalten nach Fluchtversuchen Thema
Christian Lausch (FPÖ) thematisierte die Situation in Justizanstalten und der dort Beschäftigten. Er sprach die Ausführungen in Spitäler an, die die Justizwachebeamt:innen belasten würden und zuletzt zur Flucht von Häftlingen geführt hätten. Auch Carina Reiter (ÖVP) erkundigte sich nach Maßnahmen, um dies zu verhindern. Es sei zusätzliches ärztliches Personal in den Justizanstalten rekrutiert worden. Nach den jüngsten Ereignissen habe es zudem eine Sicherheitskonferenz und Änderungen bei der Fesselungsart gegeben.
Von Ruth Becher (SPÖ) nach den Kosten für die Übersiedlung des Jugendstrafvollzugs von Gerasdorf nach Wien Simmering gefragt, bezifferte Zadić diese mit rund 2,5 Mio. €. Mit den Umbauarbeiten sei begonnen worden. Nach weiteren baulichen Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen von Justizanstalten erkundigte sich Bettina Zopf (ÖVP). Die Justizministerin führte insbesondere den Umbau der Justizanstalt Wien Josefstadt an, der 2033 abgeschlossen sein soll. Weitere Projekte seien ein Neubau in Klagenfurt und Sanierungen anderer Justizanstalten.
Weitere Themen: Kindschaftsrecht, Wiedergutmachung von Corona-Maßnahmen, Datenschutz, EU
Michael Bernhard (NEOS) erkundigte sich, wann eine Novelle des Kindschaftsrechts vorgelegt werde, nachdem der Reformprozess bereits seit 2019 laufe. In ihrem Ressort sei ein Entwurf erarbeitet worden, der sich momentan in politischer Koordinierung befindet. Im Augenblick gebe es noch keine Einigung. Vielleicht könne man einzelne Teilbereiche regeln, meinte die Ministerin.
Ob sie eine Wiedergutmachung für geschädigte Bürger:innen angesichts der teilweise nachgewiesen gesetz- bzw. verfassungswidrigen Corona-Maßnahmen für geboten hält, wollte Harald Stefan (FPÖ) von der Justizministerin wissen. Zadić betonte, dass es in ihrem Bereich keine verfassungswidrigen Corona-Gesetze gegeben habe. Über die Verfassungskonformität und das weitere Vorgehen entscheide im Einzelfall der Verfassungsgerichtshof.
Christian Drobits (SPÖ) fragte nach, welche Verhandlungen das Justizressort aktuell auf europäischer Ebene zum Thema Datenschutz führe. Die Ministerin verwies auf Verhandlungen über eine Verordnung zu zusätzlichen Verfahrensregeln für die Durchsetzung der DSGVO, über die Zusammenarbeit der Datenschutzbehörden in grenzüberschreitenden Verfahren sowie über die Anwendung der DSGVO in den einzelnen Mitgliedstaaten.
Von Kurt Egger (ÖVP) nach ihren Prioritäten unter den EU-Vorhaben gefragt, führte die Justizministerin eine Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, das Lieferkettengesetz, zu dem nun eine Trilogeinigung vorliege, sowie das Recht auf Reparatur an. (Fortsetzung Nationalrat) kar
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