Gleichbehandlungsausschuss: Opposition will finanzielle Absicherung der Männerarbeit und gesonderte Erfassung von Femiziden

Wien – Anschließend an die aktuelle Aussprache im Gleichbehandlungsausschuss wurde bei der Behandlung von zahlreichen oppositionellen Anträgen vor allem das Thema Gewaltschutz wieder aufgegriffen. Die SPÖ machte sich dabei für die bessere Erfassung von misogyner Gewalt und Frauenhass durch Sicherheitsbehörden sowie für die finanzielle Absicherung bundesweiter Männerarbeit und -beratung stark. Von den NEOS lagen Vorschläge vor, die auf die Etablierung von verbindlichen Richtlinien für die Vorgehensweise der Polizei bei Sexualdelikten sowie die gesonderte Erfassung von Femiziden und geschlechtsspezifischen Tatmotiven in der Kriminalstatistik abzielten. Letzteres sei Voraussetzung dafür, um eine evidenzbasierte Politik in Sachen Gewaltschutz umsetzen zu können.

Weitere Anträge der SPÖ enthielten Forderungen nach einem Stopp für Konversionstherapien sowie Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils in der Digitalbranche. Die NEOS setzten sich neben einem Gewaltschutzpaket gegen Homophobie dafür ein, dass im Rahmen der Werte- und Orientierungskurse für Asylberechtigte verpflichtende Besuche in den Konzentrationslager-Gedenkstätten eingeführt und finanziert werden sollen. Der FPÖ war die Einführung einer Statistik über Kinderehen in Österreich ein Anliegen. Alle auf der Tagesordnung stehenden Anträge wurden mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.

Gewaltschutz: Finanzielle Absicherung der Männerarbeit, statistische Erfassung von misogyner Gewalt, empirische Grundlagen und einheitliche Richtlinien bei Sexualdelikten

31 Femizide in Österreich 2021, begangen von Männern, systematische Probleme von Gewalt gegen Frauen, Sexismus und Frauenfeindlichkeit in allen Teilen der Gesellschaft seien nur die Spitzen einer Entwicklung, die sich gerade in den vergangenen Monaten verstärkt hätte, hieß es in einem Entschließungsantrag der SPÖ, in dem der Ausbau der Männerarbeit gefordert wurde. Präventionsarbeit in diesem Bereich würde auf vielfältigste Art helfen, gewalttätiges Handeln von Männern zu verhindern und gewaltfördernde Rollenbilder aufzubrechen, und sollte daher ausreichend finanziell unterstützt werden

 (2232/A(E)). Insbesondere die Basisfinanzierung müsste gewährleistet werden, da sich einige Gemeinden den erforderlichen Eigenanteil nicht leisten können, erwähnte Mario Lindner (SPÖ) ein Beispiel aus der Praxis.

Bei Ermittlungen von Sicherheitsbehörden sollte eine eigene Kategorie zu frauenfeindlicher Gewalt und Frauenhass eingeführt werden, um diese statistisch zu erfassen (3748/A(E)), lautete eine weitere Forderung der Sozialdemokrat:innen. Frauen seien besonders von Hass im Netz, Drohungen, Angriffen, Beleidigungen oder Hasspostings auf Social Media betroffen; Frauen in den Berufsgruppen Medien und Politik besonders häufig.

Für die Umsetzung einer evidenzbasierten Gewaltschutzpolitik in Österreich würden die empirischen Grundlagen fehlen, beklagten wiederum die NEOS. Es gebe weder konkrete Daten zu Femiziden noch würden geschlechtsspezifische Motive von Gewalttaten erfasst.

Für Henrike Brandstötter (NEOS) sind Femizide untrennbar mit frauenverachtenden Haltungen und "patriarchalen Strukturen" verbunden. Um diese Phänomene sichtbar zu machen und adäquat bekämpfen zu können, fordern die NEOS, nicht wie bisher Morde nur nach Geschlecht zu erheben, sondern auch die Beziehung zwischen Opfer und Täter sowie etwaige geschlechtsspezifische Motive zu erfassen. Femizide sollen in der polizeilichen Kriminalstatistik gesondert ausgewertet werden (2259/A(E)).

Im Sinne des Opferschutzes fordern die NEOS außerdem verbindliche Richtlinien für die Polizei bezüglich des Vorgehens bei Sexualdelikten. Derzeit hänge es noch immer sehr von dem jeweiligen Beamten bzw. der jeweiligen Beamtin ab, ob mit den Opfern sensibel genug umgegangen werde, meinte Henrike Brandstötter (NEOS). Sie sieht in ihrem Entschließungsantrag daher Handlungsbedarf bei Innenministerium und Frauenministerium in Zusammenarbeit mit den Gewaltschutzorganisationen (2702/A(E)).

Seit 1. November 2020 werden bei Straftaten verschiedene Vorurteilsmotive vom Innenressort systematisch erfasst, erklärte Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP), eine Kategorie betreffe auch das Geschlecht. Außerdem sei im Hate Crime-Bericht nachzulesen, dass rund 4 % der Fälle auf Frauenfeindlichkeit zurückzuführen seien. Für die Männerberatung seien vor allem andere Ressorts (Innen, Justiz und Soziales) zuständig und diese hätten die Mittel auch deutlich erhöht, informierte ihre Fraktionskollegin Juliane Bogner-Strauß.

Auch Faika El-Nagashi (Grüne) machte auf die neun Kategorien aufmerksam, die in der Registerkarte Motiv enthalten sind. Eine Weiterentwicklung des Systems konnte sie sich vorstellen, vor allem wenn ein Fall mehrere Kategorien betreffe. In Sachen Männerarbeit würden die bestehenden Kampagnen wie etwa "Mann spricht´s an" weitergeführt und die Mittel zudem erhöht. 

Meri Disoski (Grüne) kam auf die von Rosa Ecker (FPÖ) erwähnte Toolbox zu sprechen, die für den Gesundheitsbereich entwickelt wurde und die ihrer Einschätzung nach von den Spitälern gut angenommen werde. Auch die Polizei arbeite derzeit mit Hochdruck an einem Instrument für die Gefährdungsanalyse. Ein wichtiger Fortschritt war auch die intensive Schulung der Exekutive, erwähnte Disoski, mittlerweile gebe es über 1.200 sogenannte Präventionsbeamt:innen. Bezüglich der Definition des Begriffs Femizide habe es schon frühzeitig Gespräche mit der Frauensektion gegeben. Auch auf europäischer Ebene müsse diesbezüglich noch einiges getan werden.

Alle Anträge wurden mit ÖVP-Grünen-Mehrheit vertagt.

SPÖ drängen auf rasche Umsetzung des Verbots für Konversionstherapien

Die SPÖ forderte einmal mehr ein Verbot von sogenannten Konversionstherapien (2231/A(E)). Bereits im Juli 2021 wurde mit einem einstimmigen Beschluss im Nationalrat das Gesundheitsministerium in Abstimmung mit dem Justizministerium um die Ausarbeitung einer entsprechenden Regierungsvorlage ersucht, zeigte Antragsteller Mario Lindner im Ausschuss auf. Bis heute seien die bisherigen Beschlüsse aber folgenlos, lautet der Vorwurf.

Nico Marchetti (ÖVP) informierte über den Status Quo in dieser Causa und stellte aus Sicht seiner Partei fest, dass ein Verbot von Konversionstherapien in Bezug auf sexuelle Orientierung umgesetzt werden soll. Da die Grünen einen weitergehenden Entwurf wollen, der unter anderem auch den Aspekt der Geschlechteridentität umfasse, gebe es derzeit noch keine Einigung.

Seit rund einem Jahr liege ein Entwurf des Justizressorts vor, in dem neben der sexuellen Orientierung auch auf die Geschlechteridentität und den Geschlechtsausdruck abgestellt werde, erläuterte Meri Disoski den Standpunkt der Grünen in dieser Frage. Dass im Jahr 2023 noch immer "Homo-Heilungen" stattfinden, sei ein absolut unhaltbarer Zustand.

Der Antrag wurde mit ÖVP-Grünen-Mehrheit vertagt.

NEOS wollen Gewaltschutzpaket gegen Homophobie

Für ein umfassendes Präventionsprogramm gegen Gewalt an LGBTIQ-Gruppen treten die NEOS ein (3203/A(E)). Im einem – mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagten – Entschließungsantrag wird auf einen deutlichen Anstieg der Angriffe auf sexuelle Minderheiten sowie von vermehrten "Hate Crime" Delikten verwiesen. Studien aus Deutschland hätten ergeben, dass Homophobie häufig ein Problem in "traditionell-migrantisch" geprägten Communities sei, zeigte Henrike Brandstötter (NEOS) auf.

Dieses Thema müsse man sich viel breiter anschauen und auf alle Personen ausdehnen, die diskriminiert würden, argumentierte Juliane Bogner-Strauß (ÖVP). Meri Disoski (Grüne) erinnerte an das umfassende Gesetzespaket zum Thema Hass und Gewalt im Netz und hob insbesondere die zahlreichen Projekte und Workshops der "RosaLila Panther:innen" hervor, die einen wichtigen Beitrag zur Sensibilisierung in Bezug auf queere Lebensrealitäten leisten würden.

Es sei klar, dass es in traditionell-migrantischen Milieus Schwierigkeiten mit dem Thema Homosexualität gebe, meinte Mario Lindner (SPÖ). Die größten Probleme ortete er aber in der Gruppe, die er als "weiß, jugendlich und österreichischer Staatsbürger" titulierte.

Sie teile die Anliegen des Antrags, erklärte Bundesministerin Susanne Raab. Deshalb werde in den Werte- und Orientierungskursen auch ein Schwerpunkt auf Homophobie gelegt.

SPÖ für Erhöhung des Frauenanteils in der Digitalbranche und für parlamentarische Kontrolle von "LEA"

Die SPÖ setzte sich im Rahmen eines Entschließungsantrags dafür ein, den sogenannten "Digital Gender Gap" zu beenden, Anreize zu schaffen und zielgerichtete Projekte zu starten, um den Frauenanteil in der Digitalbranche zu erhöhen (3720/A(E)). Der Frauenanteil unter den IKT-Fachkräften sei im Jahr 2022 bei nur 19,3 % gelegen, auch die Zahl der weiblichen Informatik-Studienanfängerinnen sei mit 23 % gering. Außerdem würden nur 61 % der österreichischen Frauen über grundlegende Softwarekenntnisse verfügen (im Vergleich zu 70 % der Männer). Es gehe darum, die Weiterbildungsmöglichkeiten zu verbessern, um mehr Mädchen und Frauen für Fächer wie Informatik zu begeistern.

Abgeordnete Sibylle Hamann (Grüne)  konnte dem Antrag einiges abgewinnen. Wie die aktuelle PISA-Studie zeige, habe der Gender Gap gravierende Folgen, die sich in der Berufsauswahl und der Berufskarriere fortsetzen würden. Um dieser Entwicklung aktiv entgegenzuwirken, wurden bereits zahlreiche Vorhaben initiiert bzw. umgesetzt. Als Beispiele nannte Hamann die Ausgabe von digitalen Endgeräten in den Schulen, die Einführung des Fachs Digitale Grundbildung für alle oder zusätzliche Angebote im Bereich der Lehrerfortbildung.

Henrike Brandstötter (NEOS) stimmte mit Hamann überein, dass es eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung in dieser Frage brauche. Eine aktuelle Studie zeige aber, dass vor allem ältere Personen bei den "digital skills" nachhinken würden, weshalb ein stärkerer Fokus auf die Erwachsenenbildung gelegt werden müsse.

Auch die freiheitliche Mandatarin Rosa Ecker sah noch Handlungsbedarf hinsichtlich der älteren Generation, die von den digitalen Entwicklungen teilweise überfordert seien. Sie räumte aber auch ein, dass es schon sehr viele Angebote, vor allem in den Ländern, gebe.

Weiters drängte die SPÖ darauf, dass die Tätigkeiten des österreichischen Fonds zur Stärkung und Förderung von Frauen und Mädchen "LEA – Let's Empower Austria" in einen Bericht einfließen und dem Parlament vorgelegt werden (3749/A(E)). Der Fonds sei mit beträchtlichen Mitteln in der Höhe von 2,8 Mio. € ausgestattet, führte SPÖ-Abgeordnete Sabine Schatz aus, es sollte daher geprüft werden, ob diese Gelder auch wirksam eingesetzt werden. Von einem wichtigen Antrag sprach auch Henrike Brandstötter (NEOS), die sich – ebenso wie Rosa Ecker (FPÖ) – mehr Transparenz in diesem Bereich wünschte. Generell würden nach Auffassung von Brandstötter zu viele Fonds und Agenturen gegründet, die dann nicht mehr der parlamentarischen Kontrolle unterliegen.

Transparenz sei auch ein Herzensanliegen der Grünen, betonte Meri Disoski (Grüne). Ihre Fraktion wäre daher dafür, dass von Seiten des Ministeriums ein geeigneter Weg gefunden werde, um die Transparenz noch zu erhöhen.

Der Fonds unterliege zahlreichen internen und externen Kontrollmechanismen, führte Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP) ins Treffen, diese reichten vom Rechnungshof bis hin zur Einführung einer neuen Kennzahl bezüglich der Wirkungsorientierung. Außerdem soll eine Zufriedenheitsbefragung, die auf dem Schulnotensystem basiere, durchgeführt werden.

Beide Initiativen wurden mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.

FPÖ fordert Statistik über Kinderehen in Österreich

Wiederaufgenommen wurden die Verhandlungen über einen Antrag der Freiheitlichen zum Thema Kinderehen, der ebenso vertagt wurde. In Österreich dürfe man zwar erst ab 18 Jahren bzw. in Ausnahmefällen ab 16 Jahren heiraten, es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass auch Minderjährige als Ehepartner zusammenleben, so Antragstellerin Rosa Ecker (FPÖ). Die Zahl der Minderjährigen, die im Ausland geheiratet haben, sei mangels Datenmaterial nicht bekannt. Um Kinderehen wirksam bekämpfen zu können, forderte sie deshalb von der Bundesregierung eine detaillierte Statistik in diesem Bereich (1461/A(E)).

Da Eheschließungen von Personen unter 16 Jahren illegal seien, brauche es auch keine Statistik, meinte Sibylle Hamann (Grüne). Sollten diese stattfinden, dann handle es sich zweifellos um eine massive Verletzung der Menschenrechte. Was die – unter gewissen Umständen – möglichen Ehen zwischen Personen betrifft, die 16 oder 17 Jahre alt sind, so gebe es darüber Aufzeichnungen. In den letzten zehn Jahren hätte es durchschnittlich 20 bis 30 Fälle in dieser Altersgruppe gegeben, informierte sie. Hamann wäre generell für eine Anhebung des Heiratsalter auf 18 Jahre; dazu würden auch Gespräche mit dem Koalitionspartner laufen.

NEOS für verpflichtende KZ-Gedenkstättenbesuche für Asylberechtigte

Die NEOS setzen sich in einem weiteren Antrag dafür ein, dass im Rahmen der Werte- und Orientierungskurse für Asylberechtigte verpflichtende Besuche in den Konzentrationslager-Gedenkstätten eingeführt und finanziert werden sollen (3579/A(E)). Während nämlich dieser Teil der Zeitgeschichte im schulischen Bildungssystem schon gut integriert sei, gebe es bei den zugewanderten Menschen oft noch Handlungsbedarf bezüglich der Auseinandersetzung mit der Judenverfolgung und den grausamen Taten, die sich in den KZ zugetragen haben. Vor allem unter Muslim:innen sei die Abwertung gegenüber Jüd:innen, wie auch Homosexuellen, nicht ungewöhnlich, heißt es in der Begründung.

Es sei gut, wenn es derartige Angebote gebe, meinte Faika El-Nagashi (Grüne), einer Verpflichtung dazu konnte sie aber nichts abgewinnen. Auch warnte sie davor, zu viel in die Werte- und Orientierungskurse hineinpacken zu wollen. Man habe zudem ein umfangreiches Paket zur Extremismusprävention geschnürt, das einen Schwerpunkt auf Antisemitismus lege.

Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) verwies zunächst darauf, dass die Werte- und Orientierungskurse von acht Stunden auf 24 Stunden aufgestockt wurden. Da viele geflüchtete Menschen aus Kriegsgebieten kommen, könnten Besuche in KZ-Gedenkstätten auch zu Retraumatisierungen führen, gab sie zu bedenken.

Bei der Abstimmung wurde auch dieser Antrag vertagt; über den SPÖ-Antrag auf Zuweisung an den Verfassungsausschuss wurde somit nicht mehr abgestimmt. (Schluss Gleichbehandlungsausschuss) sue


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