Unterrichtsausschuss: Oppositionelle Forderungen von mehr Berufsorientierung bis hin zur Reform der Lehrer:innenausbildung

Zahlreiche bildungspolitische Anliegen der Opposition standen im zweiten Teil des heutigen Unterrichtsausschusses im Mittelpunkt der Debatte. So setzte sich die SPÖ etwa für einen Rechtsanspruch auf ein 11. und 12. Schuljahr für Jugendliche mit Behinderung, den Ausbau von Bildungs- und Berufsorientierungsmaßnahmen oder die Evaluierung und Anpassung des Faches "Digitale Grundbildung" ein. Die FPÖ drängte einmal mehr auf die Umsetzung einer Reform der Lehrer:innenausbildung, während die NEOS die Umsetzung der Handlungsempfehlungen der UN-Behindertenrechtskonvention einmahnten. Bei der Abstimmung wurden alle Initiativen der Oppositionsparteien mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.

Rechtsanspruch auf ein 11. und 12. Schuljahr für Jugendliche mit Behinderung und Umsetzung der UN-BRK-Handlungsempfehlungen im Bildungsbereich

Einen Rechtsanspruch auf ein 11. und 12. Schuljahr für Jugendliche mit Behinderung fordert die SPÖ in ihrem Antrag (3149/A(E)). Um Bildungsbarrieren bestmöglich abzubauen, sei außerdem die bestehende Deckelung der sonderpädagogischen Förderung mit 2,7 % der Pflichtschüler:innen aufzuheben und an reale Gegebenheiten anzupassen, argumentiert SPÖ-Mandatarin Petra Tanzler. Dies sei auch in einer aktuellen Studie deutlich zum Ausdruck gekommen. Darüber hinaus brauche es einen Rechtsanspruch auf bundesweit bedarfsgerechte persönliche Assistenz für Schüler:innen ohne Unterscheidung nach Behinderungsform. Der Bund solle den Ausbau der persönlichen Assistenz, für den im privaten Bereich die Bundesländer zuständig sind, unterstützen.

Auf dem Weg in Richtung einer inklusiven Gesellschaft gebe es in Österreich noch sehr viel zu tun, war Fiona Fiedler (NEOS) überzeugt, die auf den Antrag der NEOS in dieser Angelegenheit zu sprechen kam (3635/A(E)). Darin fordert ihre Fraktion unter anderem einen verbindlichen Stufenplan zur Umsetzung der Handlungsempfehlungen der UN-Behindertenrechtskonvention. Die notwendigen Schritte reichten von einer Entwicklung einer bundesweiten Strategie für inklusive Bildung, der Neugestaltung der Ausbildung von Lehrkräften bis hin zu einer vollständig barrierefreien Gestaltung von Verwaltungsverfahren.

FPÖ-Vertreter Hermann Brückl schloss sich der Forderung der SPÖ an. Probleme bezüglich des Rechtsanspruchs auf das 11. und 12. Schuljahr habe es vor allem in Wien gegeben, konstatierte Nico Marchetti (ÖVP), diese seien aber mittlerweile beseitigt. Der geforderte Lehrplan zur Gebärdensprache befinde sich derzeit in Ausarbeitung.

Ihre Fraktion habe ein großes Interesse daran, dass im Bereich der Inklusion mehr weitergehe, meinte Sibylle Hamann (Grüne), zumal man sowohl internationale als auch menschenrechtliche Verpflichtungen habe. Derzeit passiere viel zu wenig und zu langsam, räumte sie ein. Ein kleiner Fortschritt sei die Verdoppelung der Mittel für die persönliche Assistenz in Bundesschulen auf 7,4 Mio. €. Sie war auch der Meinung, dass die Deckelung in der Höhe von 2,7 % nicht ausreiche. Eine weitere Handlungsempfehlung, die sie aus der genannten Studie ableite, sei, dass Ressourcen aus dem "teuren Sonderschulbereich" umgeschichtet und ein verbindlicher Stufenplan erarbeitet werden müsse.  

Bundesminister Martin Polaschek wies im Zusammenhang mit der von der SPÖ angesprochenen Studie darauf hin, dass diese zufällig einen Tag nach dem Abschluss des Finanzausgleichs online gestellt wurde. Da es leider Fehler gab, sei die Veröffentlichung, auf die sein Ressort sehr gedrängt habe, erst zu einem späteren Zeitpunkt als ursprünglich geplant möglich gewesen.

SPÖ: Evaluierung und Anpassung des Faches "Digitale Grundbildung" und volle Entlohnung für neue Berufsschullehrer:innen in den Einführungswochen

Mit dem Schuljahr 2022/2023 wurde das Pflichtfach "Digitale Grundbildung" für die Sekundarstufe 1 eingeführt. Nach einem Jahr falle die Bilanz darüber aber "eher durchwachsen aus", zeigen SPÖ-Mandatar:innen in einem Entschließungsantrag auf (3689/A(E)). Laut Philipp Mittnik, Professor für Politikdidaktik an der PH Wien, gebe es "einen Konstruktionsfehler beim Lehrplan" und es sei die Chance vergeben worden, den "Schüler:innen einen kritischen Umgang mit digitalen Medien zu vermitteln". Bei einer Befragung unter Lehrenden des Faches, die von der JKU Linz durchgeführt wurde, gaben 55,8 % der Pädagog:innen an, dem Fach nicht ausreichend gewachsen zu sein und ihr Wissen rund um Algorithmen und Programmierung als "Befriedigend" bis "Nicht Genügend" einzuschätzen. Die SPÖ plädierte daher dafür, den Lehrplan und die Pädagog:innenausbildung für das Pflichtfach "Digitale Grundbildung" einer umfassenden Evaluierung und gegebenenfalls einer Neukonzipierung zu unterziehen.

In einer weiteren Initiative der SPÖ ging es darum, dass neu eintretende Berufsschullehrer:innen während der Absolvierung der Einführungswochen die volle Entlohnung erhalten sollten (3640/A(E) ). Es handle sich dabei um eine kleine Maßnahme, da man nur den früheren Status quo herstellen müsste, argumentierte Christian Oxonitsch (SPÖ). Gerade wenn man mehr Quereinsteiger:innen für den Lehrberuf gewinnen wolle, müsste man attraktive Rahmenbedingungen anbieten. Außerdem hätten Berufsschulen "im Vergleich zu anderen Schultypen immer schon mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen", heißt es im Entschließungsantrag.

Das Fach "Digitale Grundbildung" wurde erst vor Kurzem eingeführt, gab Bundesminister Martin Polaschek zu bedenken, man wolle daher einmal den ersten Jahrgang abwarten. Er denke zudem, dass die Lehrer:innen bei der Befragung eher defensiv geantwortet hätten und damit einen Bedarf an Unterstützungsmaßnahmen zum Ausdruck gebracht hätten. Es sei aber schon viel getan worden, zeigte sich der Ressortchef überzeugt, so wurde etwa ein eigener Hochschullehrgang eingerichtet und viele Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen angeboten, die von 38.000 Personen genutzt wurden. Derzeit werde an einem eigenen Curricula gearbeitet. Was das das Fach Informatik betrifft, so soll dieses nicht abgelöst, sondern erweitert werden, stellte er in Richtung von Katharina Kucharowits (SPÖ) fest.

SPÖ: Bildungs- und Berufsorientierung intensivieren und Partizipationsmöglichkeiten für Mittelschulen stärken

Jugendliche, junge Erwachsene und Erziehungsberechtigte würden sich oft zu wenig informiert und unterstützt fühlen, wenn es um bevorstehende Bildungswegentscheidungen gehe. Die SPÖ verlangt daher die Einführung berufspraktischer Tage als verbindliche Maßnahme in allen Schultypen in der 8. Schulstufe (3688/A(E) ). Im Moment würde die Durchführung dieser wichtigen Maßnahmen nämlich sehr willkürlich von den AHS gehandhabt, zeigte Katharina Kucharowits (SPÖ) auf.

Demokratische Teilhabe beginne in Schulen, wenn sich junge Menschen für Veränderungen in den Bildungseinrichtungen und der Gesellschaft einsetzen, beispielsweise als Klassensprecher:in oder Schulsprecher:in, zeigt ein weiterer Entschließungsantrag der SPÖ auf (3592/A(E) ). Bei der Einbindung der Schüler:innen in die schulinterne Vertretungsarbeit dürfe daher in den verschiedenen Schultypen kein Unterschied gemacht werden, betonte Katharina Kucharowits (SPÖ), die auf eine bestehende Ungleichbehandlung aufmerksam machte. Derzeit hätten nämlich Schüler:innen der Mittelschulen – im Gegensatz zu jenen der AHS – keine beratende Stimme im Schulgemeinschaftsausschuss.

Alles, was Bildungs- und Berufsorientierung fördere, sei gut, stellte Abgeordnete Sibylle Hamann (Grüne) fest. Rechtlich sei die Möglichkeit auf Durchführung von berufspraktischen Tagen aber bereits vorgesehen. Im Zusammenhang mit der Einbindung von Schüler:innen der Mittelschulen sprach sie von einem sehr guten Vorschlag, für den es aber bedauerlicherweise noch keinen Konsens gebe.

Die rechtliche Verankerung der berufspraktischen Tage bestätigte auch Bundesminister Martin Polaschek. Es seien daher die Schulen gefordert, dies auch umzusetzen. Die Förderung von Bildungs- und Berufsorientierung sei ihm aber generell ein sehr wichtiges Anliegen, weshalb sein Ressort einige Maßnahmen gesetzt habe bzw. plane. Als Beispiel nannte er die Einführung eines Portfolios für jede Schülerin und jeden Schüler, um die eigenen Interessen, Begabungen und Talente besser zu erkennen und zu dokumentieren.

   

FPÖ: Reform der Lehrer:innenausbildung und zusätzliche Finanzmittel zum Ausbau von IT-HTL-Plätzen

Einmal mehr drängte Hermann Brückl (FPÖ) im Namen seiner Fraktion auf eine Reform der Lehrer:innenausbildung, wobei vor allem eine Verkürzung der Studienzeiten im Fokus stehen müsse. Trotz der "vielfachen Ankündigung" des zuständigen Bundesministers, dass eine Vorlage bald dem Parlament zugeleitet werden würde, herrsche "Stillstand". Er drängte darauf, dass ein entsprechender Gesetzesentwurf bis spätestens 13. Dezember 2023 dem Nationalrat zugeleitet werde (3715/A(E)) . Ein weiterer Kritikpunkt galt den nicht ausreichenden Mitteln im Budget 2024 für sogenannte IT-HTL-Plätze, obwohl laut Wirtschaftskammer allein in Wien mindestens 1.000 fehlen würden (3714/A(E) ).

Bei der Debatte über die Lehrer:innenausbildung informierte Sibylle Hamann (Grüne) darüber, dass die geplante Reform fast fertig sei. Roman Deckenbacher (ÖVP) zeigte sich erfreut darüber, dass aufgrund verschiedener Maßnahmen die Anzahl der Lehramtsstudent:innen um 17 % gestiegen sei und mittlerweile 600 Quereinsteiger:innen unterrichten würden. Eine reine Verkürzung der Ausbildung sei zu wenig, meinte NEOS-Vertreterin Katharina Werner, es müssten vor allem die richtigen Personen für das Studium gewonnen werden. Dann müsse man sich fragen, welche Ressourcen sie brauchen, um in den Klassen bestehen zu können.  

ÖVP-Abgeordneter Johann Weber merkte an, dass sich die IT-HTL-Plätze deutlich erhöht hätten und dass in Wien ein Schulneubau in diesem Bereich geplant sei.

NEOS: Schulautonome Möglichkeiten evaluieren und Mittel der unbesetzten Lehrpersonen-Planstellen als schulautonome Budgets zur Verfügung stellen

Gelebte Schulautonomie sei internationalen Studien zufolge ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Bildungssysteme, wird in einem Entschließungsantrag der NEOS hervorgehoben. Mit dem Bildungsreformgesetz 2017 wurden für Schulen einige autonome Gestaltungsmöglichkeiten geschaffen, die sich vor allem auf die Unterrichtsorganisation und die Personalauswahl beziehen. Eine Anfragebeantwortung des Unterrichtsministeriums vom 24. Mai 2023 habe jedoch gezeigt, dass keine Daten dazu vorliegen, ob, in welcher Weise und in welchem Umfang diese Möglichkeiten von den Schulen genutzt werden. Daher setzen sich die NEOS für die Durchführung einer Studie zur Erhebung und Evaluierung der Nutzung der schulautonomen Möglichkeiten im Bereich Unterrichtsorganisation ein. Die Studie solle Motive, Hemmnisse und Erfahrungen in Zusammenhang mit der (Nicht-)Nutzung der schulautonomen Möglichkeiten erforschen und Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Schulautonomie in Österreich geben. Die Ergebnisse sollten bis Ende 2024 dem Nationalrat vorgelegt werden (3677/A(E) ).

Aufgrund des Lehrermangels können nicht alle budgetierten Planstellen auch tatsächlich besetzt werden, führten die NEOS weiter aus (3678/A(E) ). Zahlreichen Schulen würden dadurch Ressourcen entgehen. Katharina Werner (NEOS) schlug daher vor, jenen Schulen, die aufgrund des Lehrkräftemangels nicht alle vorgesehenen Planstellen besetzen können, die dadurch entgangenen Ressourcen stattdessen als Geldmittel zur autonomen Verwendung oder in Form von Unterstützungspersonal zuzuweisen.

Auch Petra Tanzler (SPÖ) setzte sich für eine echte Autonomie im Schulbereich ein, da man in der Praxis oft an sehr viele Grenzen stoße. Vieles sei zwar schon jetzt möglich, entgegnete Sibylle Haman (Grüne), in der Praxis aber aufgrund von zahlreichen Detailproblemen oft nicht umsetzbar.

Die Schulen würden ermutigt, die Autonomie noch mehr zu nutzen, erklärte Minister Martin Polaschek, da es in der Tat viele Spielräume gebe. Die Umwandlung von Personal- in Sachaufwand halte er jedoch nicht sinnvoll, zumal es auch wichtig sei, mehr Lehrer:innen in die Schulen zu holen. (Fortsetzung Unterrichtsausschuss) sue


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