Vor 85 Jahren fanden in Österreich, so wie im gesamten damaligen Deutschen Reich, die vom nationalsozialistischen Regime organisierten Novemberpogrome gegen die jüdische Gemeinschaft statt. NS-Organisationen aber auch Teile der Zivilgesellschaft verübten in der Nacht vom 9. Auf den 10. November 1938 von besonderer Brutalität gekennzeichnete Übergriffe auf Jüdinnen und Juden, jüdische Geschäfte und Betriebe, Synagogen sowie andere jüdische Einrichtungen. Die Pogrome markieren den Übergang von der bereits vorhandene antisemitische Unterdrückung zur blanken Gewalt gegen jüdisches Leben.
Anlässlich dessen Jährung wurde gestern Abend auf Einladung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und ORF-Generaldirektor Roland Weißmann die neue "Menschen & Mächte"-Dokumentation des ORF "Alter Hass, neuer Wahn. Antisemitismus – Geschichte eines tödlichen Vorurteils" im Parlament präsentiert. Darin thematisiert Regisseur Robert Gokl die Wurzeln und die Auswirkungen des gewalttätigen Antisemitismus und dokumentiert das Weiterwirken antisemitischer Vorurteile nach 1945.
Parlamentsvizedirektorin Susanne Janistyn-Novák und Roland Weißmann sprachen in ihren Eröffnungsworten über das gegenwärtige Wiedererstarken des Antisemitismus und die Notwendigkeit, diesem entgegenzuwirken. Im Anschluss an die Präsentation des Films betonten Regisseur Robert Gokl und Politikwissenschaftlerin Eva Zeglovits die Bedeutung von Wissen und Bildung im Kampf gegen Vorurteile und Verschwörungserzählungen.
Die Dokumentation wird am Mittwoch, dem 8. November um 22:30 Uhr in ORF 2 ausgestrahlt.
Janestyn-Novák und Weißmann über den Kampf gegen Antisemitismus als stetigen Auftrag
Parlamentsvizedirektorin Susanne Janistyn-Novák konstatierte in ihren Eröffnungsworten bei der Preview, dass die Dokumentation angesichts der gegenwärtigen Ereignisse in Israel und weltweit "aktueller nicht sein könnte". Seit dem Anschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober und den darauf folgenden kriegerischen Auseinandersetzungen würden wir täglich Zeugen antisemitischer Vorfälle, wie jenem auf dem jüdischen Teil des Zentralfriedhofs am Vortag. Diese würden tiefe noch nicht verheilte Wunden im kollektiven jüdischen Gedächtnis wieder aufreißen, erklärte Janistyn-Novák. Der Blick 85 Jahre in die Vergangenheit müsse uns ins Bewusstsein rufen, dass das Bekenntnis "Nie wieder!" von uns allen einzulösen sei. Der Einsatz gegen den Judenhass sei Nationalratspräsident Sobotka ein zentrales Anliegen und das Parlament trage beispielsweise im Rahmen der Ausstellung "Tacheles reden. Antisemitismus – Gefahr für die Demokratie" zur Sensibilisierung für die demokratiegefährdende Wirkung des Antisemitismus bei, so Janistyn-Novák.
"Schweigen kann und darf nicht die richtige Antwort sein" erklärte ORF-Generaldirektor Roland Weißmann in Bezug auf den Anschlag auf den jüdischen Teil des Zentralfriedhofs in Wien. Dieser erinnere uns daran, dass der Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus einen stetigen Auftrag darstelle. Es handle sich um "direkte Angriffe auf die Grundpfeiler unseres Zusammenlebens". Verschwörungstheorien und die ständige Suche nach Sündenböcken speisen laut Weißmann den Hass, dem es mittels Information und Bildung entgegenzuwirken gelte. Der ORF spielt dabei laut Weißmann eine zentrale Rolle.
Gokl und Zeglovits: Bildung als Schutzschild gegen Verschwörungserzählungen
Ein Film könne Themen wie Antisemitismus und das erlebte Elend der Juden und Jüd:innen während der Novemberpogrome niemals erschöpfend darstellen, führte Regisseur Robert Gokl aus. Er könne den Zuschauern jedoch die beklemmende Situation der Opfer etwas spürbarer machen. Es sei entscheidend, deren Erfahrungen auch kommenden Generationen näher zu bringen und so dem langsamen Vergessen der daraus zu ziehenden Lehren entgegenzuwirken.
Laut Politikwissenschaftlerin Eva Zeglovits, die als Geschäftsführerin von IFES bereits drei Mal die Antisemitismus-Studie im Auftrag des Parlaments durchführte, zeigten ihre Untersuchungen, dass die Menschen aus vergangenen Fehlern nicht notwendigerweise lernten. In der heutigen österreichischen Gesellschaft seien viele Ausprägungen von Antisemitismus vorhanden, von denen manche tiefe historische Wurzeln aufwiesen, andere jedoch neuere Spielarten darstellten. Bei letzteren spielten Verschwörungserzählungen etwa im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie oder dem Ukraine-Krieg eine bedeutende Rolle, so Zeglovits. Wissen und Bildung könnten dagegen einen gewissen Schutz bieten. Es dürfe kein Boden dafür bereitet werden, Menschengruppen in bessere und schlechtere einzuteilen, betonte Zeglovits. (Schluss) wit
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