Dass heuer weniger Nutztiere durch Beutegreifer erlegt wurden, ist für die betroffenen Bauern kein Trost. Die Zahl der Rudel in den Alpen dürfte weiter steigen. Mit bürokratischen Haken, die geschlagen werden, ist das Problem nicht zu lösen.
Der Abschuss eines weiteren Wolfs in Osttirol wurde dieser Tage fast zu einer Randnotiz. Auf den ersten Blick scheint es, als hätte man sich an die Situation langsam gewöhnt. Doch diese Ruhe, nach einem Sommer mit deutlich weniger Rissen, ist trügerisch. Die Wölfe sind gekommen, um zu bleiben. Und die Europäische Union wird sich nicht dauerhaft auf einen Schlingerkurs zurückziehen können.
Fast zur selben Zeit, als gestern eine kleine Gruppe Aktivisten vor dem Landhaus für Herdenschutz und gegen weitere Abschüsse von Wölfen demonstrierte, landete in den Redaktionen eine Presseaussendung des Landes. Inhalt: die „explosionsartige Enwicklung“ der Tiere in den Alpenländern. Die Zahl der Wolfsrudel sei innerhalb eines Jahres um 60 Prozent gestiegen. Schon länger hat die Landesregierung eine Kehrtwende bei der Wolfsfrage gemacht. Brauchte es früher stets eine DNA-Bestätigung, ehe man nur das Wort „Wolf“ in den Mund nahm, geht man mittlerweile (der Druck, den die Landwirte aufbauen mussten, war entsprechend groß) in die andere Richtung und entschlossen vor. Spät, aber doch. Beim Osttiroler Wolf vergingen zwischen Abschussverordnung und Abschuss angeblich nur ein paar Stunden.
Dass Europarechtsexperten die Tiroler Lösung für nicht EU-konform halten, nimmt man vorerst offenbar in Kauf. Schließlich will man in Brüssel ja auch den Schutzstatus überdenken. Nur, wer die dortigen bürokratischen Mühlen kennt, weiß: Das kann dauern. Langfristig wird beides nicht reichen. Weder in Tirol noch in Europa.
Experten sind sich sicher, der Wolf geht nicht mehr weg. Also braucht es einen Umgang mit den Beutegreifern. Der muss rechtlich sauber sein. Aber auch die Weidetiere schützen, die Landwirte absichern und die so wichtige Bewirtschaftung der Weiden im alpinen Raum gewährleisten. Deshalb braucht es auch eine Möglichkeit von Entnahmen – und die rasch und unkompliziert.
183 Tiere wurden im heurigen Almsommer in Tirol gerissen. Auch das ist Tierleid. Auch die Landwirtinnen und Landwirte, die sich um ihr Almvieh kümmern und sorgen, leiden. Die finalen Schlüsse, warum es heuer deutlich weniger Risse als im Vorjahr waren, sind noch nicht gezogen. Waren es die Abschüsse? Wurden die Wölfe vergrämt? Funktionierten die Herdenschutzmaßnahmen (hier gab es tatsächlich keine Risse) oder war das alles nur Zufall? Die Institutionen sollten rasch einen tragfähigen, gesetzeskonformen und praktikablen Umgang mit dem Wolf finden und sich nicht wieder von der Situation überrollen lassen.
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