Wirtschaftsausschuss: „Milde Rezession“ gab Anlass zu Aktueller Aussprache

Auf Verlangen der FPÖ hielt der Wirtschaftsausschuss eine Aussprache zum Thema "Die jüngsten Wirtschaftsprognosen von WIFO und IHS" ab. Österreichs Wirtschaft befinde sich in einer Rezession, ging Holger Bonin vom Institut für Höhere Studien (IHS) auf die aktuelle Wirtschaftslage ein. Auf eine milde Rezession folge 2024 ein verhaltener Aufschwung, analysierte Bonin. Gedämpfte Kaufkraft, hohe Energiepreise und starke Zinssteigerungen führen 2023 zu einer milden Rezession in Österreich, erklärte Stefan Schiman-Vukan vom Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) die jüngste Prognose des WIFO. Das reale BIP dürfte dem WIFO zufolge um 0,8% schrumpfen. Für 2024 rechnete er mit kräftigen Realeinkommenszuwächsen und einem Anziehen des Welthandels. Während generell von einer Konjunkturerholung ausgegangen wird, soll sich die Rezession im Bauwesen verstärken. Der Bausektor leide unter mehreren Faktoren und werde 2024 um fast 4 % schrumpfen, führte Schiman-Vukan aus. Insbesondere der Hochbau sei betroffen, betonten die Experten. Außerdem hoben IHS und WIFO die Inflationsprognose für heuer leicht auf 7,8 (IHS) bzw. 7,7 (WIFO) Prozent an. Im kommenden Jahr sollte die Inflationsrate laut aktueller Herbstprognose auf 4,0 % (WIFO) bzw. 4,2 % (IHS) sinken.

Die Prognosen stellen kein Untergangsszenario dar, betonte Elisabeth Götze (Grüne). Die höhere Inflationsrate im Vergleich zu den anderen Euroländern liege an einer zeitverzögernden Wirkung. Letztes Jahr sei die Inflation in den anderen Ländern höher gewesen, argumentierte sie.

Bonin: "Das Schlimmste liegt hinter uns"

Die IHS-Prognose vom Sommer musste deutlich nach unten korrigiert werden, stellte Bonin dar. Vor dem Hintergrund der Belastungen durch die hohe Inflation, die restriktive Geldpolitik und die schwache internationale Konjunktur dürfte die Wirtschaftsleistung in Österreich im laufenden Jahr um 0,4 % schrumpfen, so die Einschätzung des IHS. Die Rezession sei im internationalen Umfeld nicht unüblich, verwies er auf Nachbarländer. IHS und WIFO gehen von einem Anziehen der Wirtschaft im nächsten Jahr aus, wie Bonin darlegte. Der private Konsum – ein wichtiger Faktor des Aufschwungs – sei derzeit noch stark gebremst. Energie werde langfristig teurer in Österreich, begründete er mit Herausforderungen der Dekarbonisierung.

Die Inflation sei einer der wachstumsdämpfenden Faktoren, aber nicht der einzige Faktor, unterstrich Bonin außerdem. Weitere Ursachen für die Entwicklung Österreichs würden sich aus dem Gewicht von Gastronomie im Warenkorb sowie dem hohen Anteil des Tourismussektors in Österreich ergeben. Für die Zukunft riet Bonin gegen expansive Maßnahmen, um die Inflation nicht weiter anzuheizen. "Das Schlimmste liegt hinter uns", warnte er vor Eingriffen, die den Aufschwung belasten könnten. Die Schwierigkeit an preissenkenden Maßnahmen liege daran, sicherzustellen, dass diese an die Endkund:innen weitergegeben werden. Positiv nannte Bonin den robusten Arbeitsmarkt. Ein Anstieg der Beschäftigung werde mit 1,1 % erwartet. Zugleich steige die Arbeitslosenquote wegen steigender Erwerbspersonen.

Schiman-Vukan: Rezession auch in Deutschland

Bis zur letzten Prognose wurde noch von einer Stagnation ausgegangen, führte Schiman-Vukan aus. Nun sei eine Rezession festgestellt worden, die bereits im Sommer 2022 begonnen habe. Nach einem starken Rückgang im 2. Quartal 2023 seien die Stimmungsindikatoren nun abgeflacht. Für das 4. Quartal 2023 werde eine Stagnation erwartet. Darauf soll im nächsten Jahr eine Erholung folgen, die auf kräftig steigende Reallohneinkommen zurückgeführt wird.

Österreichs Industrie sei gemeinsam mit Deutschland, Norditalien und Tschechien in eine Rezession gerutscht und enorm von Energiepreissteigerungen betroffen, führte der Experte aus. Gleichzeitig liege die österreichische Inflation 2023 höher als im Durchschnitt des Euroraums. Kritisch sah Schiman-Vukan die hohen österreichischen Inflationsraten im internationalen Wettbewerb, da bei den österreichischen Haupthandelspartnern geringere Inflationsraten verzeichnet würden.

WIFO: Bauwirtschaft unterstützen

Problematisch sah Bonin die Wohnbauwirtschaft auf Basis rückläufiger Baubewilligungen. Schiman-Vukan erkannte Risiken eines Beschäftigungsabbaus in der Baubranche. Wenn ein Leitbetrieb damit anfange, könnten andere folgen. Derzeit würden Unternehmen Arbeitskräfte halten, um zu verhindern, dass diese zu anderen Betrieben gehen. Bonin ging von einer "konjunkturellen Delle" der Bauindustrie für drei Jahre aus. Daher bedürfe es Maßnahmen, die schnell greifen, unterstrich er.

Die expansive Geldpolitik während der Pandemie sei kontraproduktiv gewesen, hielt der Experte des WIFO fest. Um die Bauwirtschaft nun zu unterstützen, sprach sich Schiman-Vukan für Maßnahmen im Bereich der energetischen Gebäudesanierung aus. Zudem bedürfe es Rechtssicherheit, um Investitionen anzustoßen. Beim Energiekostenzuschuss 2 sei zu viel budgetiert worden, argumentierte er. Diese budgetären Mittel könnten anderweitig sinnvoller genutzt werden. Um langfristiges Wachstum des mitteleuropäischen Raums zu ermöglichen, müssen aus Bonins Sicht Rahmenbedingungen geschaffen werden, um Schlüsseltechnologien voranzutreiben. Nur damit könnten langfristig Investitionsentscheidungen getroffen werden, hielt er fest.

Der Hochbau sei im Gegensatz zu Tiefbau und Baunebengewerben stark betroffen, so der Experte des IHS. Die Entwicklung werde sich nächstes Jahr verschlechtern, da die anderen Bereiche laut Prognosen auch betroffen sein werden. Abgeordneter Christian Ragger (FPÖ) sprach sich vor diesem Hintergrund für Maßnahmen aus, um die Bauwirtschaft anzukurbeln. Er trat überdies für strukturelle Reformen ein. Für den Bausektor forderte Fraktionskollege Axel Kassegger konkrete Maßnahmen, um steigende Arbeitslosigkeit vorwegzunehmen.

Auswirkungen der aktuellen Lohnverhandlungen

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ) nahm auf laufende Lohnverhandlungen Bezug und setzte sich für die Arbeitnehmer:innen ein. Unternehmen hätten in der Vergangenheit profitiert, stellte er dar und forderte nun einen gerechten Anteil für die Mitarbeiter:innen. Tanja Graf (ÖVP) hielt ihm entgegen, dass nur wenige Unternehmen hohe Gewinne erzielt hätten. Zudem seien die Gewinne bereits von den Unternehmen investiert worden. Die Fernwärme sei einer der größten Treiber bei den Energiepreisen, zeigte sie sich überzeugt.

Seitens der ÖVP interessierte sich Kurt Egger für die Auswirkungen der bevorstehenden Lohnabschlüsse. Aus Sicht von WIFO und IHS sei bei den Lohnabschlüssen auf die Differenzierung zwischen der Leistungsfähigkeit der Unternehmen zu achten. Der Lohnabschluss der Metallindustrie könne nicht auf den Handel umgelegt werden, betonten die Experten mehrfach. Der Schlüssel für erfolgreiche Lohnabschlüsse ist aus Sicht der NEOS eine Senkung der Lohnnebenkosten. Eine Reduktion der Lohnnebenkosten ist auch laut WIFO sinnvoll, da der Faktor Arbeit in Österreich hoch besteuert sei. Karin Doppelbauer (NEOS) forderte überdies Maßnahmen zur Attraktivierung von Vollzeitarbeit.

Opposition fürchtet um Wettbewerbsfähigkeit

"Der Trümmerhaufen der Politik der letzten Jahre" sei nun präsentiert worden, war Christoph Matznetter (SPÖ) überzeugt. Das Problem liege an den hohen Inflationsraten, forderte er preissenkende Maßnahmen. Steuerungen über Geld- und Zinspolitik sah er nicht mehr als ausreichend an. Bei zu starkem Preisanstieg müsse regulatorisch eingegriffen werden, argumentierte der SPÖ-Politiker.

Die hohe Inflation schlage auf die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs durch, kritisierte Rainer Wimmer (SPÖ) fehlende Maßnahmen der Bundesregierung zur Dämpfung der Inflation. Fehlende Maßnahmen ließ sich Jakob Schwarz (Grüne) mit Bezug auf die Strompreisbremse allerdings nicht vorwerfen.

Gerald Loacker (NEOS) replizierte auf die vom Internationalen Währungsfonds veröffentlichten Wachstumszahlen, wonach die Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft für dieses Jahr bei 3,0 % liege. Für das kommende Jahr liege die Schätzung bei 2,9 %. Im Jahr 2022 sei die Weltwirtschaft noch um 3,5 % gewachsen. Als Gewinner gehe die USA hervor, bestätigten die Prognoseinstitute. Die Wirtschaft in den USA habe sich deutlich besser als erwartet entwickelt. Die Wachstumsprognose für dieses Jahr sei um 0,3 Prozentpunkte auf 2,1 Prozent nach oben korrigiert worden. Demgegenüber hinke Österreich im Euroraum bis 2028 deutlich hinterher, bemängelte Loacker.

Für Axel Kassegger (FPÖ) ging die österreichische Entwicklung der letzten zehn bis 15 Jahre in die falsche Richtung. Nun müsse die Rechnung für eine verfehlte Geldpolitik bezahlt werden. Er erinnerte daran, dass er bereits vor Jahren vor der steigenden Zinsbelastung gewarnt habe. Günstige Energie sei ein wichtiger Faktor für die Wirtschaft, betonte er. Zudem werde Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft von Arbeitnehmer:innen durch hohe Abgaben gedrückt. Kritik übte Kassegger an Unterstützungsmaßnahmen "nach dem Gießkannenprinzip" bei gleichzeitiger Einführung einer CO2-Steuer. (Fortsetzung Wirtschaftsausschuss) gla


OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender. Pressedienst der Parlamentsdirektion – Parlamentskorrespondenz

IHSNationalratWIFOWirtschaftsausschuss
Comments (0)
Add Comment