Aktuell befinden sich das Welterbe-Sekretariat der UNESCO und das Ramsar-Sekretariat auf einer gemeinsamen “Advisory Mission“ am Neusiedler See. Ihr Ziel: sich vor Ort ein Bild von den umstrittenen Wasserzuleitungs-Plänen zu machen. Zu diesem Anlass warnt die Naturschutzorganisation WWF Österreich eindringlich vor den irreparablen Schäden einer künstlichen Zufuhr von Donauwasser in den Neusiedler See: “Eine Zuleitung von Fremdwasser würde den salzhaltigen See zusehends aussüßen und letztlich zum völligen Verlust des Salzes führen”, warnt WWF-Naturschutzexperte Bernhard Kohler. “Die Aussüßung hat mit dem Bau des Einserkanals vor 100 Jahren begonnen und ist bereits gefährlich weit fortgeschritten. Mit jeder Ableitung über den Kanal hat der See große Mengen an Salz verloren. Eine Zuleitung von kalkhaltigem Donauwasser würde die Ausschwemmung beschleunigen und dem See den Rest geben.” Der Salzgehalt des Sees liegt heutzutage bei nur mehr 1-2 Gramm pro Liter. Vor dem Bau des Einserkanals wurden bis zu 16 Gramm gemessen – das entspricht etwa der halben Salzkonzentration des Atlantiks. “Fast alle Tier- und Pflanzenarten, die den Neusiedler See zu einem europaweit einmaligen Gewässer machen, benötigen einen gewissen Salzgehalt“, erklärt Kohler. “Außerdem wird der Neusiedler See mit der Zuleitung an Selbstreinigungskraft verlieren und es wird zu massiven Algen-Vermehrungen und zu einer beschleunigten Verschlammung und Verlandung des Sees kommen.”
Anstatt Donauwasser in den See zu leiten, bräuchte es laut WWF ein anderes Wassermanagement in der Region: Hochwässer dürften nicht mehr im bisherigen Umfang abgeleitet werden. Dafür müssten die in der Vergangenheit abgetrennten, großen Überschwemmungsräume wieder an den See angebunden werden, da sie bei Hochwasser Reserven für Trockenzeiten speichern können. “Das ist besonders angesichts der Klimakrise notwendig. Sie führt nicht nur zu länger dauernden Dürreperioden, sondern auch zu stärkeren Hochwasserereignissen”, erklärt WWF-Experte Bernhard Kohler. Das Wassermanagement müsse sich auf diese Entwicklung einstellen und in regenreichen Zeiten Vorräte bilden, um für regenarme Perioden gerüstet zu sein. Um mehr Wasser im See halten zu können, müssen aber auch die Seebäder hochwassersicher gemacht werden. “Durch den Einserkanal sind dem See die Hochwässer und das Salz genommen worden. Es wird Zeit, ihm die natürlichen Hochwässer zurückzugeben und den Salzverlust zu stoppen, indem man auf Ableitungen weitgehend verzichtet”, sagt Kohler. “Die Lösung für die Wasserproblematik liegt in mehr Naturnähe, nicht in mehr Künstlichkeit.”
Hintergrund:
Die Ramsar-Konvention ist ein internationales Abkommen zum Schutz der Feuchtgebiete, dem Österreich vor genau 40 Jahren beigetreten ist. Der Neusiedler See war das erste Feuchtgebiet, das Österreich im Zuge seines Beitritts nominiert hat und zu dessen Erhaltung und wohl ausgewogenen Nutzung sich die Republik und das Land Burgenland damals verpflichtet haben. Unter “wohl ausgewogener Nutzung” (“wise use”) versteht die Ramsar-Konvention eine schonende Nutzung von Feuchtgebieten, die auf die ökologische Unversehrtheit der Gebiete achtet. Erscheint die ökologische Integrität eines nominierten Feuchtgebiets gefährdet, so kann eine internationale Advisory Mission der Ramsar-Expert:innen veranlasst werden, die Empfehlungen für den verbesserten Schutz erteilt, oder sogar zum Verzicht auf Projekte rät, die das Gebiet in Gefahr bringen. Am Neusiedler See findet von 2.-5. Oktober 2023 eine gemeinsame Mission des Ramsar- und des UNESCO-Welterbe-Sekretariats statt, weil beide Prädikate durch laufende und geplante Entwicklungen gefährdet sind.
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