WKÖ-Handelstag: Top-Vertreter aus Politik und Wirtschaft diskutieren aktuelle Herausforderungen und Zukunftstrends im heimischen Handel

„Wir möchten Optimismus versprühen, aber wir können die Realitäten nicht ausblenden“, sagte Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel, zu Beginn des gestrigen Handelstags, zu dem die Bundessparte in die Wirtschaftskammer Österreich eingeladen hatte. Damit sprach Trefelik auch gleich die beiden Schwerpunktthemen des hochkarätig besetzten Branchenevents an: die möglichen Zukunftschancen auf der einen Seite und die schwierigen derzeitigen Bedingungen auf der anderen. Konkret diskutierten Top-Vertreter aus Politik und Wirtschaft Auswege aus Kostenexplosion, Kaufzurückhaltung aufgrund der schwachen Konjunktur, Arbeitskräftemangel sowie die notwendigen Veränderungen in Richtung Digitalisierung und Nachhaltigkeit. 

WKÖ-Präsident Harald Mahrer betonte, dass die Herausforderungen nicht durch eine „Verzichtsökonomie“ zu meistern seien: „Eine positive Entwicklung heißt sicher nicht gesundschrumpfen oder dass Österreich sich rückentwickelt.“ Vielmehr müssten die Chancen, die sich durch die Digitalisierung ergeben, genützt werden. Aber auch dadurch, dass im Handel der Mensch im Mittelpunkt steht, sieht Mahrer eine Chance für die Branche, Stichwort persönliche Beratung. Gleichzeitig sei der Arbeitskräftemangel eines der drängenden Probleme. „Der Handel sowie die gesamte österreichische Wirtschaft spüren die demografische Entwicklung. Es wird eine der Schlüsselfragen der nächsten 10 bis 15 Jahre sein, dass wir ausreichend Arbeitskräfte bekommen“, so Mahrer. Hier gelte es, gemeinsam mit der Politik Lösungen umzusetzen, die bereits auf dem Tisch liegen.

Für den Handel selbst freilich ist es schwer, derzeit mit Anreizen zu locken: „Was uns zu schaffen macht, ist die Schere zwischen Umsatzentwicklung und Kostenexplosion. Die Umsätze erreichen einfach nicht jenes Niveau, das wir brauchen, um die Steigerungen bei Energieenergiekosten, den Mieten und den Personalkosten zu stemmen“, schilderte Handelsobmann Trefelik die aktuell für die Unternehmen belastende Situation und forderte einmal mehr die Umsetzung des Energiekostenzuschuss 2 ein. 

Energiekostenzuschuss 2 dringend nötig

Auch WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf drängte auf die Umsetzung des bereits vor mehr als neun Monaten angekündigten Energiekostenzuschuss 2. Kopf kündigte zudem an, nach den KV-Verhandlungen alles daran zu setzen, „in ein Offensivprogramm zu kommen, denn wir brauchen standortstärkende und stimmungsverbessernde Maßnahmen“. Dazu zählen Investitionsanreize genauso wie eine Lohnnebenkostensenkung. „Es ist notwendig, dass wir die Lohnnebenkosten senken. Wir brauchen dringend wieder Wachstum, was aber nie durch Belastung, sondern immer durch Entlastung entsteht“, sagte Kopf.

Welche Maßnahmen die Regierung trifft bzw. bereits getroffen hat, um sowohl die Unternehmen zu unterstützen als auch die Kaufkraft der Konsument:innen zu fördern, schilderte Eva Landrichtinger, Generalsekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft. AMS-Vorstand Johannes Kopf wiederum ging detailliert auf die Arbeitsmarktsituation im Handel ein und rechnete dabei vor: „Der Handel hat aktuell rund 16.000 Beschäftigte mehr als vor der Pandemie, aber diese insgesamt mehr als 575.000 Menschen arbeiten so viele Stunden, als wären es 20.000 Vollzeitarbeitsplätze weniger, verglichen mit der Zeit vor der Pandemie.“ Grund dafür sei der Trend zu Teilzeit. Möglichkeiten, um zusätzliches Personal zu gewinnen, ortet der AMS-Chef u.a. im längeren Arbeiten im Alter sowie in der Aufstockung von Stunden bei Frauen, aber auch darin, Stelleninserate ansprechender zu gestalten. Viele Unternehmen hätten noch zu wenig im Fokus, sich als attraktiver Arbeitgeberbetrieb zu präsentieren. Arbeitgeber sind außerdem aufgefordert, ihren Beschäftigten Stundenaufstockungen anzubieten.

Ähnliche Möglichkeiten sieht EcoAustria-Direktorin Monika Köppl-Turyna, die zudem zeigte, dass nahezu der gesamte Beschäftigungsanstieg seit den 1970er Jahren auf der Zunahme von Teilzeitbeschäftigten basierte. Zusätzliche Hebel seien mehr Kinderbetreuungsangebot sowie steuerliche Maßnahmen, damit netto mehr übrigbleibt und sich ein Aufstocken von Stunden stärker lohnt. 

Mitarbeiter:innen nehmen Handel als attraktiven Arbeitgeber wahr 

Die bestehenden Handelsmitarbeiter:innen arbeiten jedenfalls gerne in der Branche: Eine Studie der JKU zum Thema Employer Attractiveness im Einzelhandel ergab, dass 79 Prozent der befragten Handelsmitarbeiter:innen sagen, ihre Tätigkeit sei attraktiv, wie Christoph Teller, Leiter des Instituts Handel, Absatz und Marketing, und Ernst Gittenberger, Leiter Centre of Retail and Consumer Research an der JKU, präsentierten. Wie man das Image nach außen verbessern und neue Mitarbeiter:innen gewinnen kann, darüber diskutierten die JKU-Experten dann mit Handelsobmann Trefelik, der betonte, dass der Handel „bunt, breit und divers“ sei und viele Möglichkeiten biete, EcoAustria-Chefin Köppl-Turyna sowie Kilian Kaminski und Sarah Weyers, Gründer sowie Communications Managerin von refurbed, einem Unternehmen, das bereits mehrfach als attraktiver Arbeitgeber ausgezeichnet wurde.

Herausforderungen durch die Twin Transition 

Praxisbeispiele standen auch im Mittelpunkt des zweiten Schwerpunktthemas des Handelstags, der Twin Transition. Dabei betonte Mariana Kühnel, Generalsekretär-Stellvertreterin der WKÖ: „Man sollte in jedem Fall über den Tellerrand schauen und sich im Bereich Digitalisierung Ideen holen. Denn hier gibt es unglaubliche Zukunftschancen, die den Turbo zünden können.“ 

Maria Ulmer, Sektionschefin Digitalisierung und E-Government im Finanzministerium, befasste sich mit der Frage, wieweit die Digitalisierung als Booster für den Standort wirken kann und ging dabei auf den konkreten Nutzen von Projekten wie der digitalen Kompetenzoffensive oder ID Austria ein. Retail-Expertin Theresa Schleicher wiederum ermutigte dazu, sich vor digitalen und nachhaltigen Trends nicht zu fürchten.  

Schon mitten in der Umsetzung mancher spannender Zukunftsidee befindet sich Ikea, wie Nicole Reitinger, Country Business Development & Transformation Managerin von IKEA Österreich, schilderte. Über innovative Lösungen ging es zudem in den Beiträgen von Eva Eggeling, Leiterin Fraunhofer Innovationszentrum für Digitalisierung und Künstliche Intelligenz KI4LIFE sowie von Iris Thalbauer, als Geschäftsführerin der Bundessparte Handel gemeinsam mit Handelsobmann Trefelik auch Gastgeberin der Veranstaltung, und WKÖ-Head of Startups-Services Kambis Kohansal Vajargah.  

Weitere konjunkturelle Eintrübung heuer, aber Besserung 2024

Zum Abschluss des Handelstags warf der neue IHS-Chef Holger Bonin noch einen Blick auf die konjunkturelle Entwicklung. Diese verheißt für den Rest des heurigen Jahres nichts Gutes, sondern Bonin geht im Gegenteil von einer weiteren Eintrübung der Konjunktur aus. Ein wesentlicher Grund ist die schlechte Auftragslage in der Industrie. Angesichts der hohen Inflation halten sich viele Verbraucher beim Einkaufen noch zurück. Wegen der österreichischen Besonderheit, dass viele Preise, Mieten und wegen der der Benya-Formel auch die Löhne automatisch an den Verbraucherpreis gekoppelt sind, dürften die Preise hier noch länger stärker steigen als im Rest der Eurozone. Dennoch zeigte sich Bonin für 2024 optimistisch. Ein anziehender Welthandel und kräftig steigende Reallöhne könnten dafür sorgen, dass Österreich im nächsten Jahr wieder näher an sein mittelfristiges Potenzialwachstum herankommt. 

Hier geht es zur Foto-Rückschau auf den spannenden Handelstag 2023. (PWK322/DFS)

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