TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 22. September 2023 von Manfred Mitterwachauer „Salvini unser“

Italiens Verkehrsminister mimt erneut den Transit-Rambo und will Tirol beim Lkw-Fahrverbotskatalog vor dem EuGH endgültig in die Knie zwingen. Ausgang: offen. Der Transit-Streit zementiert aber die unhaltbare Ist-Situation am Brenner erneut ein.

Und gib uns unsere tägliche Klagsdrohung! In regelmäßigen, wenngleich kürzer werdenden Abständen erhört Italiens Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega) die Stoßgebete der italienischen wie Südtiroler Frächtervereinigungen. Denen ist der Tiroler Lkw-Fahrverbotskatalog seit jeher ein Dorn im Auge. Nun will der rechtsauslegende Polterer in Rom nicht länger Worte, sondern Taten sprechen lassen. Und Österreich tatsächlich vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zerren. Hierzulande hat sich ob des bis dato nicht umgesetzten Klags-Dacapos Salvinis inzwischen bereits ein gewisser Ermüdungseffekt breitgemacht. Dabei täten Österreich und Tirol gut daran, Salvini nicht bloß als Transit-Rambo ohne Schlagkraft abzustempeln. Denn das wäre riskant.
Noch im April freute sich die schwarz-rote Landesregierung ob des Drei-Länder-Paktes (Tirol, Südtirol, Bayern) zum Slot-System. Also der Entwicklung einer buchbaren Lkw-Autobahn als „intelligentes Verkehrsmanagement“, um das bisherige Lkw-Dosiersystem auf der Inntalautobahn bei Kufstein abzulösen. Weniger Lkw wird auch dieses vorerst nicht bringen. Dennoch ist es ein Signal, das Problem regionsübergreifend anzugehen. Die Planer und Entwickler können sich Zeit lassen. Schreitet Salvini nun tatsächlich vor den EuGH, kann Slot bis auf Weiteres eingemottet werden. Weil doch niemand ernsthaft glauben wird, dass Italien auch nur einen Slot-Beistrich mit Österreich und Deutschland verhandeln wird, bevor der EuGH nicht Recht gesprochen hat. Frühestens also 2026. 
Salvini mag schlechte Karten haben, um alle Fahrverbote zu kippen. Unterschätzen sollte man eine Klage auf EU-Ebene dennoch nicht. Salvini hat Verbündete. Allen voran EU-Verkehrskommissarin Adina Valean. Das Anti-Transit-Lobbying der österreichischen Bundesregierung auf EU-Ebene war indes schon immer ein eher stiefmütterliches.
Die Luft wird in Tirol besser und mit ihr der Sockel der Lkw-Fahrverbote brüchiger. Sollte die EU nicht rasch die Luftschadstoffgrenzwerte – wie geplant – verschärfen, ist Österreichs Verkehrsministerin Leonore Gewessler gefordert, selbst am IG-Luft zu drehen. EU-rechtlich wäre das gedeckt, realpolitisch fraglich. Stichwort: EU- und Nationalratswahl. Schützenhilfe gegen Salvini aus der Euregio braucht Tirol nicht zu erwarten. Südtirol wählt im Oktober. LH Arno Kompatscher hat andere Sorgen, als der Frächterlobby in Bozen um die Ohren zu fahren.
Kommt es nun zur Klage, ist zwar der Ausgang offen. Fix ist aber, dass der unhaltbare Ist-Zustand entlang des 
Brenner-Korridors einzementiert wird, bis dieser Streit entschieden ist. 

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