"Europäische Maßnahmen gegen die Teuerung: Wann handeln Sie endlich, Herr Bundeskanzler, und folgen dem erfolgreichen Beispiel anderer EU-Staaten?" lautete heute das von der SPÖ gewählte Thema der Aktuellen Europastunde im Nationalrat. Bundeskanzler Karl Nehammer sprach sich gegen "toxische Schlechtrederei" aus und verwies auf funktionierende Maßnahmen und die hohe Kaufkraft in Österreich. Die FPÖ sieht in der europäischen Klimapolitik den nächsten großen Preistreiber.
SPÖ spricht der Regierung das Misstrauen aus
Österreich habe die größte Inflation in Westeuropa, doch "Inflation ist kein Naturgesetz", kritisierte SPÖ-Nationalratsabgeordneter Jörg Leichtfried. Die Bundesregierung habe es in der Teuerungskrise verabsäumt zu handeln, daher werde die SPÖ der gesamten Bundesregierung bei der heutigen Nationalratssitzung das Misstrauen aussprechen, erklärte Leichtfried.
Breits seit mehr als zwei Jahren fordere die SPÖ im Kampf gegen die Teuerung Markteingriffe, so Leichtfried. Der von der Regierung angekündigte Mietpreisdeckel sei nur ein "Tropfen auf den heißen Stein". Die SPÖ verlangt daher das Einfrieren der Mieten für die nächsten zwei Jahre, die Streichung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, das Einsetzen einer Anti-Teuerungskommission sowie eine funktionierende Übergewinnsteuer.
Nehammer: Angst ist schlechte Triebfeder
Bundeskanzler Karl Nehammer (VP) sprach sich gegen "toxische Schlechtrederei" aus, denn die Situation in Österreich sei viel stärker und besser als von der SPÖ immer wieder dargestellt. Angst sei eine schlechte Triebfeder und den Menschen müsse Zuversicht und Klarheit gegeben werden. Es habe drei große Maßnahmenpakete gegeben, um die Menschen durch die Krise zu begleiten und die Fakten würden zeigen, dass die gesetzten Maßnahmen greifen, meinte Nehmammer. So sei die Arbeitslosigkeit derzeit auf dem niedrigsten Stand seit 2019, besonders unter den älteren Menschen konnte sie dramatisch gesenkt werden, legte Nehammer dar. Tatsächlich sei die Inflation ein großes Problem, jedoch würde die "Richtung stimmen", meinte Nehammer. Denn die Inflation sei bereits von 11 % im vergangenen Jänner auf 7,4 % im August gesunken und würde noch hinuntergehen. Den Anstieg der Inflation von 0,4 % im August im Vergleich zum Vormonat erklärte Nehammer mit der "Gewichtung des österreichischen Warenkorbes", in dem Tourismus und Dienstleistungen stärker eingerechnet seien, als in anderen Ländern. Es sei zudem eine Unwahrheit, dass in Österreich den Menschen, die durch die Teuerung in Bedrängnis kommen, nicht geholfen werde. Beispielsweise wurden Familien- und Sozialleistungen valorisiert und Wohn- und Heizkostenzuschüsse bereitgestellt, betonte der Bundeskanzler und appellierte einmal mehr: "Glauben wir gemeinsam an dieses Österreich".
Auch ÖVP-Nationalratsabgeordneter Christian Stocker verwies auf die positiven Entwicklungen und meinte, dass Österreich den Vergleich mit anderen Ländern nicht scheuen müsse. So sei die Armutsgefährdung in Österreich seit 2015 nicht gestiegen und die Kaufkraft in Österreich europaweit am besten.
ÖVP-Nationalratsabgeordneter Peter Weidinger kritisierte eine "unglaubwürdige Politik" der SPÖ. In Zeiten der Teuerung habe es im SPÖ-regierten Wien Gebührenerhöhungen und statt einer Mietpreisbremse nur eine Einmalzahlung gegeben.
Einen längerfristigen Blick auf die Inflation forderte ÖVP-Europaabgeordnete Barbara Thaler. Dazu müsse man den europäischen Binnenmarkt arbeiten lassen und weiter stärken. Zudem brauche es eine Diversifizierung von Lieferanten um Abhängigkeiten Europas abzubauen.
Grüne: Gesetzte Maßnahmen zeigen Wirkung
Auch der grüne Koalitionspartner verwies auf positive Effekte der gesetzten Maßnahmen: Nationalratsabgeordneter Markus Koza (Grüne) berief sich dabei auf eine Studie des Budgetdienstes des Parlaments. Die Studie zeige, dass es sich bei 70 % der Hilfen im Kampf gegen die Teuerung um dauerhafte Maßnahmen gehandelt habe und die "unteren 20 % am meisten profitiert" hätten.
Mit Blick auf die SPÖ kritisierte die Grüne Nationalratsabgeordnete Nina Tomaselli, dass in der Debatte um die Teuerung "Fakten zunehmend Überschriften weichen" würden und dies "nur den extrem Rechten" Gewinne bringen würde.
SPÖ: Unterlassene Hilfeleistung
Die Situation sei zu ernst, um sie schönzureden, meinte SPÖ-Abgeordnete Julia Herr und warnte vor Falschinformationen. Denn Inflation und Arbeitslosigkeit seien im August wieder gestiegen. Österreich sei deutlich schlechter ausgestiegen, als andere Länder, die in Preise und Märkte eingegriffen haben. Herr sieht darin eine "unterlassene Hilfeleistung" der Bundesregierung. "Keine einzige Initiative wird heute beschlossen", kritisierte auch SPÖ-Klubobmann Philip Kucher. Der Bundeskanzler habe laut Kucher "den Kontakt zu den Menschen völlig verloren" und "lasse sie im Stich".
SPÖ-Europaabgeordneter Günther Sidl kritisierte die Abhängigkeit Österreichs von russischem Gas und forderte, dass Energieversorger in ganz Europa wieder stärker in rein öffentlicher Hand sein sollten, um bessere Lenkungsmöglichkeiten in Krisenzeiten zu gewährleisten.
FPÖ: Green Deal als "Green Desaster"
Die europäischen Ursachen der Teuerungskrise dürfe man nicht außer Acht lassen, meinte FPÖ-Nationalratsabgeordnete Petra Steger. Sie sieht die Wurzeln der hohen Inflation in der "fanatischen Corona-Lockdown-Politik" und der Schulden- und Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Daher solle das "Zahlen und Haften für andere Länder" sowie die "Beteiligung am Wirtschaftskrieg" beendet werden. Zudem sei die europäische Klimapolitik laut Steger "eine politisch gewollte Verteuerung" der Energie und ein "Programm zur Deindustrialisierung Europas". Scharfe Kritik am europäischen Green Deal gab es von FPÖ-Europaabgeordneten Georg Mayer, der von einem "Green Desaster" sprach und den sofortigen Stopp des Green Deal forderte, da es sich dabei um ein "nächstes Belastungspaket" handle.
FPÖ-Nationalratsabgeordnete Dagmar Belakowitsch meinte, dass die Kaufkraft in Österreich zwar relativ hoch sei, es aber Länder gebe, die eine noch höhere Kaufkraft hätten, wie beispielsweise die Schweiz, Dänemark und Großbritannien. Laut Belakowitsch liege dies daran, dass diese Länder nicht zur Eurozone gehören.
Green Deal mit sozialen Maßnahmen begleiten
Die Grüne Europaabgeordnete Monika Vana betonte, dass der europäische Green Deal gegen Inflation und Stagnation wirke. Es müsse ein gerechter und grüner Übergang in Europa in der Klimapolitik gelingen, der von sozialen Maßnahmen ergänzt werde.
NEOS: Preisdeckel kontraproduktiv
Vor einer "Verknappungspolitik" warnte NEOS-Nationalratsabgeordneter Gerald Loacker. Gedrückte Preise, etwa am Energiesektor, würden zu mehr Nachfrage führen und das Angebot daher verknappen, auch der Anreiz zum Stromsparen würde zurückgehen. Weiters kritisierte Loacker die von der SPÖ geforderte 32-Stunden-Woche, da diese die Inflation weiter befeuern würde.
Von einer "verfehlten Energiepolitik" sprach NEOS-Nationalratsabgeordnete Karin Doppelbauer. Im Hinblick auf die Gasversorgung kritisierte sie die teuren Knebelverträge und die hohe Abhängigkeit von Russland und dass von Seiten der Regierung nichts Wirksames unternommen werde, um aus diesen Verträgen auszusteigen. Zudem prangerte sie an, dass die Stromanbieter in Österreich, obwohl sie zu 80 % staatliche Unternehmen sind, Preisreduktionen an die Bevölkerung nicht weitergeben. (Fortsetzung Nationalrat) bea
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