TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Angriff auf US-Demokratie und die Folgen“ von Christian Jentsch

Donald Trump, Ex-Präsident und Präsidentschaftskandidat für die Wahl im kommenden Jahr, muss sich wegen Verschwörung vor Gericht verantworten. Seine Politik hat die USA tief gespalten. Und sein gefährliches Spiel geht weiter.

Als ein wütender Mob am 6. Jänner 2021 in Washington das Kapitol stürmte, rieb sich die ganze Welt verwundert die Augen. Radikale Trump-Anhänger, welche die Niederlage ihres Idols bei der Präsidentenwahl 2020 nicht akzeptieren wollten, prügelten sich angestachelt vom abgewählten, aber noch amtierenden Präsidenten ihren Weg in das Herz der US-Demokratie.

Es war der Versuch eines Staatsstreichs. Und das im Zentrum der USA, die sich stets als Führungsmacht und Anker der westlich-liberalen Welt verstanden haben. Wahlverlierer Donald Trump wollte seine Niederlage nicht akzeptieren und mit allen Mitteln versuchen, an der Macht zu bleiben. Damit stellte er sich dem Prinzip der friedlichen demokratischen Machtübergabe entgegen.

 
Auch wenn Trump und seine Anhänger schlussendlich doch das Feld räumen mussten und er nun zweieinhalb Jahre nach dem Sturm auf das Kapitol wegen Verschwörung angeklagt wird, bleiben tiefe Risse im Fundament der  US-Demokratie. Und die Gräben in der US-Gesellschaft drohen immer tiefer zu werden. 

Dass sich Trumps Republikaner als staatstragende Partei bis heute nicht von ihm und seiner Freak-Show distanzieren wollen, ist ernüchternd. Und dass eine Anklage wegen Verschwörung den 77-Jährigen nun nicht endgültig ins politische Abseits bugsiert, lässt Schlimmes erahnen.
Trump steht nicht nur bei seinen engsten Anhängern, sondern bei der gesamten republikanischen Wählerschaft hoch im Kurs. Seine innerparteilichen Konkurrenten  – auch Floridas Gouverneur Ron DeSantis –liegen weit abgeschlagen zurück. Im bevorstehenden Vorwahlkampf hat Trump nach derzeitigem Stand wenig zu befürchten.

Dass er nun in zahlreichen Fällen ins Visier der Justiz gerät, scheint für Trump weniger Fluch als vielmehr Segen zu sein. Er dreht die Argumentation einfach um und verkauft sich als Opfer einer Verschwörung der Regierung und des politischen Establishments.

Mit jeder neuen Anklage verspürt Trump in großen Teilen des republikanischen Lagers Rückenwind. Von seinem Ziel, erneut ins Weiße Haus einzuziehen, lässt sich der polternde Ex-Präsident sichtlich nicht abbringen. In aktuellen Umfragen liegt er mit dem verblassenden amtierenden demokratischen US-Präsidenten Joe Biden nahezu gleichauf.

Auf die USA kommen im Vorfeld der Präsidentenwahl 2024 herausfordernde Zeiten zu. Neue Angriffe auf die US-Demokratie scheinen vorprogrammiert. 

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