Verdeckte Werbung für SIGNA in „OE24“

Nach Meinung des Senats 3 des Presserats verstoßen die Beiträge „Neuer LIFE-SCIENCE-Standort für Wien“ und „Life-Science-Cluster in Wien schafft Arbeitsplätze“, beide erschienen im November 2022, gegen die Punkte 3 und 4 des Ehrenkodex für die österreichische Presse (Unterscheidbarkeit; Einflussnahmen).

In den Beiträgen wird über ein geplantes Bauprojekt der Unternehmensgruppe SIGNA berichtet; ein neunstöckiger Büro- und Laborkomplex soll in der Muthgasse in Wien realisiert werden. Im ersten Beitrag ist die Rede von „modern ausgestatteten und flexiblen Labormodule(n), die sich an die individuellen Bedürfnisse der Mieter anpassen“ würden. Im zweiten Beitrag heißt es, dass das Projekt ein „wegweisender Schritt“ sei, um den Produktionsstandort Österreich aufzuwerten; durch den Life-Science-Cluster würden Arbeitsplätze und Know-How am Standort Wien gesichert. In den Beiträgen kommt ausschließlich der Geschäftsführer eines Biotechnologieunternehmens zu Wort, mit dem die SIGNA für das Projekt kooperiere und auf dessen Engagement hin der Life-Science-Cluster errichtet werde.

Ein Leser wandte sich an den Presserat und kritisierte, dass es sich hierbei und nicht gekennzeichnete Werbebeiträge für die Unternehmensgruppe SIGNA handle.

Die Medieninhaberin nahm nicht am Verfahren teil und stellte somit die Vorwürfe des Lesers auch nicht in Abrede. Zusätzlich ersuchte der Senat die Geschäftsführung der SIGNA HOLDING GMBH um Informationen zu den Beiträgen, u.a. ob es sich dabei um bezahlte Veröffentlichungen oder Beiträge im Rahmen einer Kooperation mit der Mediengruppe „Österreich“ handle. Die SIGNA gab dazu keine Stellungnahme ab; sie nutze die ihr gebotene Möglichkeit, die Vorwürfe des Lesers zu widerlegen, somit ebenfalls nicht.

Der Senat verweist zunächst auf die Bestimmungen im Ehrenkodex, wonach es den Leserinnen und Lesern möglich sein muss, zwischen (bezahlter) Werbung und unabhängigen redaktionellen Beiträgen unterscheiden zu können. Für einen Verstoß reicht es bereits aus, wenn Werbung von unabhängiger redaktioneller Berichterstattung nicht klar abgegrenzt wird. Dabei sind neben der optischen Aufbereitung des Beitrags die Formulierungen im Beitrag entscheidend. Der Senat weist an dieser Stelle darauf hin, dass die zwei zu prüfenden Beiträge in Hinblick auf Layout und Schriftbild so wie redaktionelle Beiträge gestaltet sind.

Um zu prüfen, ob in den Beiträgen werbliche Formulierungen überwiegen, unterzieht der Senat die Beiträge einer inhaltlichen Analyse: Zunächst werden das geplante Bauprojekt und die daran beteiligten Unternehmen durchwegs positiv dargestellt. Weiters werden die Ausstattungsmerkmale bzw. die Räumlichkeiten des geplanten Gebäudes genau beschrieben und teilweise auch angepriesen. In den ausführlichen Statements des Unternehmers, mit dem die SIGNA für das Projekt kooperiert, wird das Projekt zudem ausschließlich angepriesen bzw. völlig unkritisch dargestellt, andere Sichtweisen bzw. unabhängige Expertinnen und Experten wurden nicht befragt. Schließlich sind bei beiden Beiträgen dieselben Fotos vom geplanten Life-Science-Cluster beigefügt, die offenbar von der Unternehmensgruppe SIGNA zur Verfügung gestellt wurden.

Im Ergebnis wurden die beiden Beiträge nach Auffassung des Senats nicht unabhängig redaktionell aufbereitet – es fehlt die erforderliche journalistische Distanz. Da die Beiträge in Hinblick auf die Gestaltung und das Schriftbild wie ein redaktioneller Artikel gestaltet wurden, hätte eine Kennzeichnung als „Werbung“, „bezahlte Anzeige“ oder dergleichen erfolgen müssen. Die aus medienethischer Sicht bedeutsame Unterscheidbarkeit zwischen Werbung und redaktionellen Inhalten wurde hier missachtet, die Beiträge verstoßen somit gegen das Gebot der Trennung von Werbung und redaktionellen Inhalten (Punkte 3 und 4 des Ehrenkodex). Die Medieninhaberin wird aufgefordert, freiwillig über den Ethikverstoß zu berichten. 

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINES LESERS

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.

Im vorliegenden Fall führte der Senat 3 des Presserats aufgrund einer Mitteilung eines Lesers ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin der Tageszeitung „OE24“ hat von der Möglichkeit, am Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht.

Die Medieninhaberin der Tageszeitung „OE24“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats anerkannt.

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